Diabetes mellitus Typ 2: Stationäre Herzinsuffizienz-Patienten profitieren von Metformin – Rolle der SGLT2-Hemmer?

Dr. Mitchel L. Zoler

Interessenkonflikte

20. Januar 2022

Wenn Typ-2-Diabetiker kurz nach einer Klinikeinweisung wegen einer Herzinsuffizienz mit einer Metformin-Behandlung begannen, kam es im Folgejahr seltener zu einer erneuten stationären Aufnahme aus demselben Grund, sofern die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) über 40% lag. Dies berichten Autoren einer Beobachtungsstudie an über 5.800 Medicare-Patienten, die in JACC: Heart Failure erschienen ist [1].

Wurde statt Metformin ein Sulfonylharnstoff verabreicht, blieb die Zahl der Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz gleich (LVEF über 40%). Bei einer geringeren LVEF stieg die Hospitalisierungsrate jedoch signifikant um 48% an gegenüber Patienten, die keinen Sulfonylharnstoff erhielten.

 
Bevor Metformin bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz anders eingesetzt werden kann, benötigen wir eine randomisierte Studie, um Ursache und Wirkung definitiv nachzuweisen. Dr. Stephen J. Greene
 

„Das sind provozierende Resultate, aber sie stammen aus einer Beobachtungsstudie und können daher der Hypothesengenerierung dienen, ohne völlig richtig sein zu müssen“, erläuterte Dr. Stephen J. Greene, Hauptautor der Studie und Kardiologe an der Duke University in Durham, North Carolina.

„Bevor Metformin bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz anders eingesetzt werden kann, benötigen wir eine randomisierte Studie, um Ursache und Wirkung definitiv nachzuweisen“, so Greene.

Hinweise auf Schädlichkeit bei Herzinsuffizienz: Sulfonylharnstoffe am besten meiden

„Diese Ergebnisse passen zu anderen Beobachtungsstudien, in denen sich ebenfalls Hinweise auf ungünstige Effekte durch Sulfonylharnstoffe bei einer Herzinsuffizienz fanden. Da es viele andere orale Antidiabetika gibt, die in randomisierten Studien entweder günstigere oder zumindest neutrale Folgen bei gleichzeitiger Herzinsuffizienz haben erkennen lassen, halte ich es für das Beste, Sulfonylharnstoff bei diesen Patienten nicht einzusetzen, sofern das möglich ist“, sagte Greene in einem Interview.

Nach den aktuellen Erkenntnissen würden „bei diesen Patienten Substanzen aus der Klasse der SGLT2-Hemmer (Natrium-Glukose-Cotransporter-2Hemmer) die erste Wahl zur oralen Glukosesenkung sein, wobei auch Metformin infrage kommt, wenn eine zusätzliche Senkung des Blutzuckerspiegels erforderlich ist“, fügte er hinzu.

Andere Experten schlossen sich dieser Deutung der Ergebnisse an.

„Die allgemeinen Beobachtungen, nach denen Metformin weder schadet noch nutzt, entsprechen den aktuellen Empfehlungen, bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz vorzugsweise Metformin und SGLT2-Hemmer einzusetzen“, kommentierte die Endokrinologin Dr. Alice Y.Y. Cheng von der University of Toronto in Kanada.

 
Dieser Bericht befürwortet auch, dass Metformin bei Typ-2-Diabetikern mit Herzinsuffizienz eingesetzt wird, jedoch nicht als Ersatz für einen SGLT2-Hemmer oder um dessen Einsatz hinauszuzögern. Dr. Alice Y.Y. Cheng
 

„In der Metformin-Gruppe waren lediglich 193 Personen mit einer LVEF von 40% oder darunter. Daher wäre ich sehr vorsichtig mit Schlussfolgerungen aus diesen Daten“, fügte sie hinzu und sah auch zunächst den Nutzen der Untersuchung in der Hypothesenbildung.

Kritisch sah sie den Umstand, dass sich die Studie nicht mit Patienten befasste, die nicht wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus eingeliefert wurden, „sodass sie keine Aussage zur Frage von Metformin bei Patienten ohne Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte“ erlaube.

„SGLT2-Hemmer müssen zum Behandlungsregime von Herzinsuffizienz-Patienten jeglicher Art gehören. Dieser Bericht befürwortet auch, dass Metformin bei Typ-2-Diabetikern mit Herzinsuffizienz eingesetzt wird, jedoch nicht als Ersatz für einen SGLT2-Hemmer oder um dessen Einsatz hinauszuzögern“, sagte Cheng in einem Interview.

Metformin kann SGLT2-Hemmer-Einsatz nicht verhindern oder verzögern

Prof. Dr. Darren K. McGuire, Professor für Kardiologe am UT Southwestern Medical Center in Dallas, mahnte ebenfalls zur Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse. „Diese Beobachtungen können zwar die Entscheidungsfindung in Bezug auf Metformin und Sulfonylharnstoffe bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz beeinflussen, behalten jedoch noch ihren vorläufigen Charakter“, sagte McGuire.

„Ich glaube nicht, dass diese Ergebnisse irgendeinen Beitrag zu Überlegungen über den Einsatz von SGLT2-Hemmern bei solchen Patienten leisten können“, fügte er in einem Interview hinzu.

 
Für Kardiologen sind SGLT2-Hemmer eine eindeutige Säule in der Herzinsuffizienz-Therapie. Prof. Dr. Darren K. McGuire
 

„Für Kardiologen sind SGLT2-Hemmer eine eindeutige Säule in der Herzinsuffizienz-Therapie, sei es bei reduzierter oder bei erhaltener Ejektionsfraktion und unabhängig von der Blutzuckerkontrolle und einer Metformin-Behandlung. Manche Endokrinologen, wenngleich noch nicht die meisten, sehen das inzwischen ebenso.“

Signifikanter 19%iger Rückgang beim kombinierten Endpunkt unter Metformin

Die neue Studie von Greene und seinen Kollegen stützt sich auf Daten, die zwischen 2006 und 2014 im Rahmen des Get With the Guidelines-Heart Failure-Registers erhoben. Dabei handelt es sich um ein von der American Heart Association gesponsertes und organisiertes Programm, an dem inzwischen über 500 US-Kliniken teilnehmen und das über 125.000 Patienten erfasst hat.

Die Untersucher konzentrierten sich auf Medicare-Patienten in dieser Kohorte, die wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus eingeliefert und als neue oder bereits bekannte Typ-2-Diabetiker mit mindestens einem Antidiabetikum entlassen wurden. Patienten mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate unter 45 ml/min/1,73 m2 wurden bei der Analyse ausgeschlossen, da bei diesen Patienten von einer Metformin-Medikation abgeraten wird.

Daraus ergab sich eine Studienkohorte aus 5.852 Patienten. Davon begannen 454 (8%) während des stationären Aufenthalts oder in den darauf folgenden 90 Tagen mit der Metformin-Einnahme und 504 (9%) mit einer Sulfonylharnstoff-Medikation.

Die Analyse umfasste die vorgegebenen primären Endpunkte Gesamtmortalität, stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz und einer Kombination dieser beiden Punkte während eines Jahres, beginnend am 91. Tag nach der Krankenhausentlassung, unmittelbar nachdem sich das Zeitfenster für die Einleitung einer Therapie mit einer der beiden Wirkstoffklassen schloss.

Patienten, die mit einer Metformin-Therapie begannen, hatten auch nach Adjustierung von 29 potenziellen Störfaktoren noch eine um 19% geringere 12-Monats-Inzidenz für Todesfälle oder eine stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz im Vergleich zu anderen Patienten aus der Studie.

Eine stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz war bei Patienten, die mit Metformin begannen, um 20% seltener als bei denjenigen, die kein Metformin einnahmen, was jedoch kein statistisches Signifikanzniveau erreichte (p=0,072). Die Inzidenz von Todesfällen aller Art war ob mit oder ohne Metformin recht ähnlich.

Es wurde eine detailliertere Analyse vorgenommen und die Patienten nach ihrer Ejektionsfraktion während des stationären Aufenthaltes unterteilt. Bei einer LVEF über 40% war die Inzidenz für eine herzinsuffizienzbedingte stationäre Aufnahme unter Metformin um signifikante 42% und für die Kombination aus stationärer Aufnahme und Tod allgemein um signifikante 32% niedriger. (Bei etwa 58% aller Patienten in der Studie lag die LVEF über 40%.)

Bei einer LVEF unter 40% stand eine Metformin-Behandlung in keinem signifikanten statistischen Zusammenhang mit einem der 3 primären Endpunkte.

Hinweise auf Schädlichkeit von Sulfonylharnstoffen

Bei Patienten mit einer neuen Sulfonylharnstoff-Behandlung zeigte sich nach vollständiger Adjustierung ein grenzwertig signifikanter Anstieg der Inzidenzen für alle 3 primären Endpunkte im Vergleich zu Patienten, die keinen Sulfonylharnstoff einnahmen. Eine solche Therapie war mit einem relativen Anstieg der Gesamtmortalität um 24% (p=0,045) verbunden, einem relativen Anstieg der Herzinsuffizienz-bedingten stationären Aufnahme um 22% (p=0,05) und einem relativen Anstieg der Inzidenz des kombinierten Endpunkts um 17% (p=0,047).

Schlüsselte man die Ergebnisse nach der Ausgangs-LVEF auf, ergaben sich signifikante Unterschiede bei der Verwendung von Sulfonylharnstoffen an Patienten mit einer LVEF von 40% oder darunter, die wegen einer Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden. Die Gesamtmortalität war bei denjenigen, die Sulfonylharnstoffe einnahmen und deren LVEF zu Beginn der Studie niedriger war, um 29% höher.

Das Fehlen eines Nutzens von Metformin bei Patienten mit einer LVEF von maximal 40% zum Zeitpunkt der Hospitalisierung in der Studie „spricht dafür, den SGLT2-Inhibitoren als Erstlinientherapie für Typ-2-Diabetiker mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion den Vorzug vor Metformin zu geben“, schreiben Greene und seine Mitautoren.

 
Die Hinweise auf Schädigungen durch Sulfonylharnstoffe in der aktuellen Studie sprechen jedoch dafür, bei Herzinsuffizienz-Patienten vorrangig alternative Antidiabetika heranzuziehen, sofern das möglich ist. Dr. Stephen J. Greene und Kollegen
 

Daten aus mehreren Studien hätten einen „erheblichen klinischen Benefit“ eines SGLT2-Hemmers bei derartigen Patienten gezeigt, betonen sie.

In ihrem Bericht betonen sie zudem die „besonders relevanten“ Hinweise auf eine schädigende Wirkung von Sulfonylharnstoffen, die in dieser Studie sichtbar wurde. „Oft entscheiden sich Ärzte für einen Sulfonylharnstoff als erstes Medikament für neue Diabetiker“, weil sie keine gastrointestinalen Nebenwirkungen haben, leicht zu titrieren und auch kostengünstig sind. Hinzu kommt, dass die verordnenden Ärzte zumeist bereits mit dieser Wirkstoffklasse vertraut sind.

„Die Hinweise auf Schädigungen durch Sulfonylharnstoffe in der aktuellen Studie sprechen jedoch dafür, bei Herzinsuffizienz-Patienten vorrangig alternative Antidiabetika heranzuziehen, sofern das möglich ist“, so die Autoren.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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