Ingwer als Hausmittel gegen Migräne? Hinweise auf Linderung von Schmerzen

Batya Swift Yasgur

Interessenkonflikte

20. Januar 2022

Ingwer wird jetzt in einer neuen Untersuchung als probates Hausmittel gegen einige der häufigsten Symptome bei der akuten Migräne ausgewiesen. Dies kommt vor allem in Betracht, wenn Patienten keine verschreibungspflichtigen Medikamente einnehmen wollen oder keinen Zugang zu ihnen haben.

Ein Forscherteam des National Institute of Mental Health and Neurosciences im indischen Bangalore stellte fest, dass die Ingwerwurzel migränebedingte Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen lindern kann. Allerdings rücken diese Ergebnisse den Ingwer nicht in den Rang eines Erstlinientherapeutikums gegen die akute Migräne oder zur Migräneprävention. Die Studie wurde am im Journal of Clinical Psychiatry veröffentlicht [1].

Prof. Dr. Chittaranjan Andrade, Professor für klinische Psychopharmakologie und Neurotoxikologie und Autor der Studie, erklärte gegenüber Medscape, dass die Evidenzen noch zu schwach seien, um formelle klinische Empfehlungen daraus abzuleiten. Er ergänzte jedoch, dass Ingwer bei akuter Migräne als praktikables Hausmittel in Betracht gezogen werden könne.

Möglicher Einsatz

Seit Jahrhunderten wird Ingwer in der Volksmedizin eingesetzt. Zumeist wurde in der präklinischen und klinischen Forschung das Potenzial von rohem Ingwer, Ingwerextrakten und Ingwerbestandteilen in der Prävention und Therapie vielfältiger Erkrankungen und Symptome untersucht. Dazu gehören auch die Übelkeit und das Erbrechen im Rahmen von Schwangerschaft, Chemotherapie, postoperativen Zuständen, Reisekrankheit und anderen Erkrankungen und Störungen, so Andrade.

Ingwer „gilt schon lange als wirksames Hausmittel gegen den akuten Migräneanfall, das sowohl gegen die Kopfschmerzen als auch gegen die damit verbundene Übelkeit wirkt“, so Andrade.

Eine bewährte Rezeptur sieht so aus: Ein halber Teelöffel gemahlener Ingwer wird in einem Glas Wasser verrührt und getrunken. Bei einer anderen Rezeptur brüht man einen heißen Tee aus einem Teelöffel frisch gemahlenem Ingwer.

„Bei zahlreichen Erkrankungen, wie etwa der Migräne, kann es einen unvorbereitet treffen, oder man hat vielleicht generell einen schlechten Zugang zu Medikamenten“, so Andrade. „Ich bin in einem Buch über Hausmittel auf einen Hinweis zur Ingweranwendung bei Migräne gestoßen und dachte: Wenn die Wissenschaft die Verwendung von Ingwer bei Migräneanfällen unterstützt, werden solche Patienten davon profitieren.“

Große therapeutische Lücke

Das Review und die Metaanalyse umfassten 3 randomisierte kontrollierte Studien mit 227 Patienten, in denen die Ingweranwendung mit Placebo verglichen wurde.

Eine der Studien hatte sich der therapeutischen Wirkung einer speziellen, firmeneigenen Formulierung von Ingwer in Kombination mit Mutterkraut gewidmet, während 2 Studien industrieunabhängig durchgeführt worden waren.

Von diesen beiden Studien untersuchte eine den Nutzen von zusätzlichem Ingwer-Trockenextrakt (400 mg; 5% aktive Gingerole) bei 50 Patienten, die zur Behandlung von Migräneanfällen auch Ketoprofen einnahmen. Die andere Studie untersuchte, wie wirksam die tägliche Einnahme Ingwer-Trockenextrakt zur Migräneprophylaxe über 3 Monate ist. Teilgenommen haben daran 107 Patienten.

In beiden Studien sanken die mittleren Schmerzwerte nach 2 Stunden unter Ingwer (Mittelwertdifferenz: -1,27, 95%-Konfidenzintervall [KI] -1,46–1,07) und erhöhte sich der Anteil der Patienten, die nach 2 Stunden schmerzfrei waren (Mittelwertdifferenz -1,79, 95%-KI 1,04–3,09). Darüber hinaus halbierte Ingwer im Vergleich zu Placebo in allen Studien das Risiko für Übelkeit und Erbrechen im Rahmen der Migräne. Es gab zugleich kein erhöhtes Risiko für unerwünschte Ereignisse.

Eine randomisierte kontrollierte Studie untersuchte die Wirksamkeit von Ingwer in der Migräneprophylaxe. Eine Verringerung monatlicher Migräneepisoden um ≥ 50% gelang unter Ingwer besser als mit einem Placebo (42% bzw. 39% der Patienten), doch erreichte dieser Unterschied kein Signifikanzniveau.

Darüber hinaus gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Schmerztage, der Stärke der Schmerzen, der Tage, an denen Analgetika eingesetzt werden mussten, der Anzahl der Migräneanfälle und der maximalen Dauer der Migräneanfälle.

Antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften von Ingwer

Andrade wies darauf hin, dass Ingwer viele chemische Bestandteile hat, darunter phenolische Verbindungen, Terpene, Polysaccharide, Lipide und organische Säuren, von denen 6-Shogaol, 6-Gingerol und 10-Dehydrogingerdion „möglicherweise wichtig sind“.

Die Wurzel verfügt auch über antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften, senkt den Prostaglandinspiegel sowie mehrere Serumfett- und Blutzuckermesswerte. Darüber hinaus habe Ingwer eine mutmaßlich vasoprotektive Wirkung, fügte er hinzu.

 
Ingwer weist ein breites Spektrum an chemischen Inhaltsstoffen auf, und wir wissen nicht, welche davon, sei es einzeln oder in Kombination, bei Migräne helfen. Prof. Dr. Chittaranjan Andrade
 

„Ingwer weist ein breites Spektrum an chemischen Inhaltsstoffen auf, und wir wissen nicht, welche davon, sei es einzeln oder in Kombination, bei Migräne helfen“, sagte Andrade. „Wir werden die Antwort erst kennen, wenn klinische Studien mit einzelnen Bestandteilen und nicht mit Ingwerextrakt durchgeführt werden.“ Andrade verglich dies mit der Untersuchung von Omega-3-Fettsäuren anstelle von Fisch und Nüssen für verschiedene neuropsychiatrische oder kardiovaskuläre Indikationen.

Angesichts der hohen weltweiten Prävalenz der Migräne und der „großen therapeutischen Lücke in der Primärversorgung [der Migräne]“ könne es jedoch vorkommen, dass viele betroffene Patienten Episoden von Migränekopfschmerzen erleben, „ohne auf die empfohlenen Medikamente zurückgreifen zu können“, stellte er fest. „In solchen Fällen wäre ein gut verfügbares und einfaches Hausmittel wie der Ingwer natürlich hilfreich.“

Gutes zusätzliches Instrument

Prof. Dr. Jessica Ailani, Direktorin des MedStar Georgetown Headache Center und Professorin für klinische Neurologie am MedStar Georgetown University Hospital in Washington, DC, kommentierte die Studie für Medscape mit diesen Worten: „Für Menschen mit Migräne, die eine rezeptfreie Therapie mit minimalen Nebenwirkungen suchen, ist Ingwer eine gute Sache.“

Ailani ist auch stellvertretende Co-Vorsitzende für strategische Planung in der Neurologie der MedStar-Kliniken und war nicht an der Studie beteiligt. Für sie können Ärzte „erwägen, Migräne-Patienten, die unter Übelkeit leiden und keine Medikamente dagegen einnehmen möchten, Ingwer vorzuschlagen“.

 
Für Menschen mit Migräne, die eine rezeptfreie Therapie mit minimalen Nebenwirkungen suchen, ist Ingwer eine gute Sache. Prof. Dr. Jessica Ailani
 

Da es „viele andere wirksame Möglichkeiten zur Behandlung einer Migräne gibt“, rät sie, „mit dem Patienten die Punkte Geschwindigkeit des Wirkungseintritts, Verträglichkeit und Wiederauftreten der Migränesymptome zu diskutieren, da diese wichtigen Faktoren bei der Auswahl und Erhaltung einer Therapie berücksichtigt werden sollten.“

PD Dr. Nada Hindiyeh, Privatdozentin für Neurologie an der Stanford University in Kalifornien, gab für Medscape ebenfalls einen Kommentar zu der Studie ab. Sie bezeichnete die Arbeit als „gelungene Zusammenfassung der objektiven Forschungsergebnisse zur Verwendung von Ingwer in der Akuttherapie und Prävention der Migräne“.

Zwar gebe es nur unzureichend Literatur, um Ingwer als alleiniges Mittel zur Migränebehandlung zu bewerten, sodass „keine abschließenden Schlussfolgerungen möglich sind“, doch da Ingwer sicher zu sein scheine und auch „in gewissem Maße hilfreich bei Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Migräne ist und möglicherweise auch die Häufigkeit der Migräne zu senken vermag, bleibt er eine beachtliche Alternative für Patienten, die nicht verschreibungspflichtige Alternativen suchen“, so Hindiyeh, die nicht an der Studie beteiligt war.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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