Eine gesunde und nachhaltige Ernährung muss nicht teurer sein. Das weist eine Gruppe von britischen und US-Wissenschaftlern um Dr. Marco Springmann von der Universität Oxford in einer im Lancetveröffentlichten Modellierungsstudie nach [1].
„Die Studie zeigt, dass es in Deutschland und anderen Ländern mit hohen Einkommen möglich ist, durch eine Reduktion des Fleischkonsums einen ‚Triple Win‘ zu erzielen: gesundheitliche und ökologische Vorteile bei geringeren Kosten“, erklärt der Mediziner und Public Health-Forscher Dr. Peter von Philipsborn von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Die Autoren verglichen bei ihren Modellierungen die aktuellen Ernährungskosten mit den Preisen für 4 verschiedene als gesund und nachhaltig geltende Ernährungsformen:
Flexitarier mit gelegentlichem Fleischkonsum,
Pescetarier, die kein Fleisch, aber Fisch essen,
sowie vegetarische und
vegane Ernährung.
Die beiden letzteren schnitten dabei preislich in der Regel am günstigsten ab, die Fisch-lastige Ernährung am teuersten. Dabei ließen sich die Kosten der Ernährung in reichen Ländern von durchschnittlich 6,60 Euro (7,50 $) pro Kopf und Tag fast durchgehend senken. Nur eine fisch- und gemüsereiche Kost war noch teurer. In allen anderen Szenarien sanken die Kosten um 1 bis 34%.
In Ländern mit niedrigen Einkommen ist das allerdings anders: Dort steigen in der Regel die Durchschnittskosten, wenn die Ernährungsweise gesünder und nachhaltiger wird. Bei ihren Berechnungen kamen die Wissenschaftler für Länder mit niedrigen Pro-Kopf-Einkommen auf aktuelle durchschnittliche Ernährungskosten von 3,30 Euro (3,70 $) pro Tag. Eine gesunde und nachhaltige Ernährung trieb die Kosten dabei aber um 18 bis 45% in die Höhe.
Politische Maßnahmen für gesunde Ernährung in allen Ländern wichtig
Aber auch dort sieht der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Dr. Tobias Effertz Gründe zu handeln, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern: „Fehlernährung und Adipositas haben bereits Länder im unteren und mittleren Einkommensniveau erreicht. Daher ist es auch dort wichtig, effektive politische Maßnahmen für eine gesunde Ernährung zu ergreifen.“
Ließe sich nämlich der Anteil von im Müll landenden Lebensmitteln in Zukunft halbieren, und würden Lebensmittelpreise zusätzlich die gesundheitlichen und klimatischen Folgekosten einbeziehen, könnte das Bild anders aussehen, sagen die Modellierer. Unter diesen Bedingungen war sogar in vielen Niedrigeinkommensländern langfristig eine gesunde und nachhaltige Ernährung die günstigere Option.
„Mit richtigen regulatorischen Weichenstellungen wird sich gesunde Ernährung in der Zukunft auch dort rechnen“, folgert Effertz. Solche Erkenntnisse können wichtig sein, damit eine zukunftstaugliche gesunde und nachhaltige Ernährung regional und global gesehen nicht an zu hohen Kosten scheitert.
Wichtiger Faktor: Konsum von Rindfleisch
Von Philipsborn weist allerdings darauf hin, dass der positive Effekt bei solchen Modellierungsstudien meist sehr stark auf einem Faktor beruht: dem Verzicht auf den Verzehr von Rindfleisch. „Rindfleisch ist teuer, gilt als gesundheitlich problematisch und hat einen großen ökologischen Fußabdruck. Damit kann man in Modellierungsstudien einen relativ großen Effekt erzielen. Aber es spielen natürlich noch weitere Aspekte eine Rolle.“
Gerade in Ländern mit hohem Fleischverzehr, wie Deutschland, ist der Effekt des Fleischverzichts sehr deutlich. Und kann dann ausgleichen, dass bei anderen Lebensmitteln die gesündere Variante häufig die teurere ist. Der Mediziner nennt Beispiele: „Frisches Obst und Gemüse stellen einen relevanten Kostenfaktor dar, Vollkornwaren sind meist teurer als Weißmehlprodukte, und auch gesunde Snacks wie Nüsse und Trockenobst kosten in der Regel mehr als Süßwaren und Chips.“
Neues Mehrwertsteuerkonzept in der EU möglich
In solchen Alltagssituationen könnten politische Maßnahmen allerdings eine Entscheidung für die gesündere und nachhaltigere Variante erleichtern. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Mehrwertsteuerkonzept, in dem gesunde Lebensmittel wenig oder gar nicht besteuert werden. „Die EU hat kürzlich durch die Reform der EU-Umsatzsteuerrichtlinie den Weg hierfür frei gemacht. Jetzt muss die Bundesregierung handeln“, findet von Philipsborn.
Denn seither sei in der EU bei gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln auch ein völliger Verzicht auf die Mehrwertsteuer möglich. Erste EU-Länder entscheiden sich dafür: „Die Niederlande haben bereits angekündigt, das nutzen zu wollen.“
Credits:
© Julia Sudnitskaya
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: So billig ist gesundes Essen: Eine Modellierung zeigt, welche Ernährungsform wieviel kostet - Medscape - 19. Jan 2022.
Kommentar