Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 17. Januar 2022
Heute meldet das Robert Koch-Institut mit 528,2 Fällen pro 100.000 Einwohner den 4. Tag in Folge einen Höchstwert bei der 7-Tage-Inzidenz. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert noch bei 515,7 und vor einer Woche bei 375,5 gelegen.
Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI innerhalb der letzten 24 Stunden 34.145 Neuinfektionen. Vor einem Tag waren es 39.600 und vor einer Woche 25.255. Verzerrungen durch das Wochenende sind möglich.
Weitere 30 Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. Vor einer Woche waren es 52 zusätzliche Todesfälle.
Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 3,23 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 14. Januar, verglichen mit 3,09 am 3. Januar.
Laut DIVI-Intensivregister waren am 16. Januar 2.741 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 58 weniger als am Vortag. Aktuell sind 1.089 Betten im Low-Care- und 2.541 im High-Care-Bereich bundesweit frei. Hinzu kommen 338 freie ECMO-Behandlungsplätze.
Drosten: Von der pandemischen zur endemischen Phase – im Laufe des Jahres
Neue Vorgaben für Impfnachweise und Quarantäneregeln
Novavax-Vakzin ante portas
Wendtner fordert zügige Viertimpfung – und kein Warten auf das Omikron-Vakzin
Intensivregister: Auf Intensivstationen 2 Drittel ohne Impfung
USA: Steigende Hospitalisierungsrate – Übertragbarkeit auf Deutschland unklar
COVID-19-Impfung schützt Schwangere und ungeborene Kinder
Übersterblichkeit in Deutschland korreliert mit Impfquote gegen COVID-19
USA: Hohe Kosten für Ivermectin bei privaten Krankenversicherungen
Drosten: Von der pandemischen zur endemischen Phase – im Laufe des Jahres
In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel und in einer Pressekonferenz äußerte sich Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin Berlin mit Prognosen zum weiteren Verlauf der Pandemie. „Das Änderungspotenzial von SARS-CoV-2 ist grundsätzlich begrenzt“, informierte der Virologe. „Das Virus kann nicht das Spike-Protein strukturell so stark verändern, dass es gar nicht mehr wiederzuerkennen ist.“
Durch die Infektionen baue die Bevölkerung Immunität auf und behalte diese auch. Trotzdem seien um von der pandemischen in die endemische Phase überzugehen, jetzt Impfungen wichtig. „Über natürliche Infektionen würden viel zu viele Menschen sterben“, warnte Drosten. Perspektivisch rechne er aber mit einer Durchseuchung der Bevölkerung: „Das Virus muss sich verbreiten, aber eben auf Basis eines in der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes. (…) Wir können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten.“
Sein Fazit: „Wir haben jetzt schon ein ganzes Stück dieses Weges geschafft über Impfungen. Den müssen wir jetzt zu Ende gehen, damit wir im Laufe des Jahres 2022 in die endemische Phase kommen und den pandemischen Zustand für beendet erklären können.“
Neue Vorgaben für Impfnachweise und Quarantäneregeln
Am Freitag hat der Bundesrat einer Änderungsverordnung der Bundesregierung für Impf- und Genesenen-Nachweise zugestimmt. Ziel ist es, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Immunität und bei der Infektiosität zu berücksichtigen.
Der Impfnachweis muss künftig immer den Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts entsprechen. Dazu zählen neben Angaben zu Vakzinen auch Einträge zu Auffrischungsimpfungen inklusive möglicher Wartezeiten bis zum vollständigen Schutz oder Abstände zwischen Einzelimpfungen.
Änderungen gibt es auch beim Genesenen-Nachweis: Er greift künftig nach 14 Tagen ab dem Zeitpunkt der bestätigten Infektion. Die Geltungsdauer wird im Zuge einer europäischen Vereinheitlichung von 6 Monaten auf 180 Tage (leicht) verringert.
Bund und Länder haben vereinbart, dass Kontaktpersonen, die einen vollständigen Impfschutz durch die Auffrischungsimpfung haben, von der Quarantäne ausgenommen werden. Außerdem enden Isolation oder Quarantäne nach 10 Tagen bzw. mit negativem Testnachweis nach 7 Tagen. Für Schüler oder Kita-Kinder kann die Quarantäne als Kontaktperson bereits nach 5 Tagen durch einen PCR-Test oder Antigen-Schnelltest beendet werden.
Novavax-Vakzin ante portas
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) hat bei einer Pressekonferenz informiert, dass am 21. Februar die ersten 1,75 Millionen Dosen Nuvaxovid® von Novavax geliefert werden. „Ich gehe davon aus, dass er auch bei Omikron gut helfen wird“, sagte er, wies aber darauf hin, dass die Studienergebnisse nicht bei dieser Variante gewonnen wurden. Trotzdem: „Der Impfstoff wird uns weiterhelfen, wir werden ihn auch empfehlen.“
Lauterbach rechnet damit, dass das Vakzin ab der 3. Februarwoche in Impfzentren zur Verfügung stehe. Ärzte verimpfen 2 Dosen im Abstand von etwa 3 Wochen.
Nuvaxovid® wird von einigen Impf-Skeptikern erwartet. Denn er enthält ähnlich wie klassische Influenza-Impfstoffe Proteine und Wirkverstärker, aber keine mRNAs oder Vektorviren. Deshalb hofft die Regierung, so manchen Skeptiker zu überzeugen. Studiendaten zur Effektivität gegen Omikron gibt es aber bislang nicht. Novavax-Chef Stanley Erck kündigte auf der JP-Morgan-Gesundheitskonferenz an, diese Fragestellung zu untersuchen.
Wendtner fordert zügige Viertimpfung – und kein Warten auf das Omikron-Vakzin
Israel hat Anfang Januar damit begonnen, Gesundheitsfachkräften und vulnerablen Patienten die 4. Impfung anzubieten. Auch in Deutschland melden sich jetzt Experten zu Wort. „Für mich wäre eine Viertimpfung 4 bis 6 Monate nach der dritten Impfung eine adäquate Maßnahme“, sagte Prof. Dr. Clemens Wendtner der dpa . Er ist Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen an der München Klinik Schwabing.
Wendtner warnt davor, zunächst auf ein Omikron-Vakzin zu warten. „Ich fürchte, das wird zu lange dauern“, sagte er. Vor April sei nicht mit neuen Impfstoffen zu rechnen. Die Omikron-Welle rolle aber jetzt heran. „Man muss eine Viertimpfungs-Kampagne jetzt schon vorbereiten, auch von der Verfügbarkeit der derzeit zugelassenen Impfstoffe her. Da dürfen wir nicht erst daran denken, wenn wir März oder April haben.“
Intensivregister: Auf Intensivstationen 2 Drittel ohne Impfung
Ungeimpfte machen momentan den überwiegenden Anteil aller COVID-19-Aufnahmen auf Intensivstationen aus, so das Ergebnis von Analysen des Intensivregister von RKI und DIVI.
Zwischen 14. Dezember 2021 und 12. Januar 2022 lagen den Forschern Angaben zum Impfstatus für 8.912 ITS-Aufnahmen wegen COVID-19 vor, das entspricht etwa 90% aller im Register während dieser Spanne erfassten Fälle.
62% (5.521 Fälle) aller Patienten mit bekanntem Impfstatus waren ungeimpft.
9,6% (856 Fälle) wiesen einen unvollständigen Immunschutz auf (Genesen ohne Impfung bzw. Teil-Immunisierung).
28,4% (2.535 Fälle) hatte einen vollständigen Impfschutz (Grundimmunisierung oder Booster), der Anteil mit Boosterimpfung lag bei ca. 5,8% (520 Fälle).
USA: Steigende Hospitalisierungsrate – Übertragbarkeit auf Deutschland unklar
Der US-Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape Dr. Eric Topol berichtet auf Twitter vom Anstieg der Zahl der Krankenhausaufenthalte und der intensivmedizinischen Behandlungen in den USA. Die Financial Times nennt als gleitenden 7-Tage-Durchschnitt für COVID-19-Hospitalisierungen für die USA 155.677 Patienten. Der bisherige Höchststand von 139.279 Patienten vom Januar 2021 sei damit übertroffen worden, heißt es online.
Während Fälle und Krankenhausaufenthalte in den letzten 3 Wochen um 320% bzw. 116% zugenommen hätten, sei die Zahl der COVID-19-Patienten auf der Intensivstation allerdings nur um 51% angewachsen.
Topol sagte der FT, niedrige Impf- und Auffrischungsraten in den USA bedeuteten, dass die Hospitalisierungsrate weiter steigen werde und die Nation möglicherweise nicht die Art der Entkopplung von Fällen und schweren Krankheiten sehe, die einige europäische Nationen wie Portugal, Norwegen und Dänemark mit Omikron erlebt hätten. „Bei Boostern hinken wir weit hinterher (…), und das ist die Hauptsache, um die Menschen vor Krankenhauseinweisungen zu schützen“, warnte Topol.
Auf Twitter kommentiert Lauterbach die Zahlen: „In den USA steigt die Zahl der Intensivpatienten jetzt relativ deutlich. Im Gegensatz zu der Lage in UK. Die deutlich höhere Impfquote in UK, besonders bei den Geboosterten, ist der wahrscheinlichste Grund. Omikron ist nicht harmlos, kein Grund zur Entwarnung.“
COVID-19-Impfung schützt Schwangere und ungeborene Kinder
In Nature Medicine stellen Wissenschaftler neue Daten zu COVID-19-Impfungen während der Schwangerschaft vor. Zwischen dem Beginn eines COVID-19-Impfprogramms in Schottland am 8. Dezember 2020 und dem 31. Oktober 2021 haben 18.457 schwangere Frauen Impfungen erhalten. Die Durchimpfungsrate war bei werdenden Müttern deutlich niedriger als in der allgemeinen weiblichen Bevölkerung; 32,3% der Frauen, die im Oktober 2021 ein Kind zur Welt brachten, hatten 2 Impfdosen erhalten, verglichen mit 77,4% bei allen Frauen zwischen 18 und 44 Jahren in der Bevölkerung.
Die erweiterte perinatale Sterblichkeitsrate für Frauen, die innerhalb von 28 Tagen nach einer COVID-19-Diagnose entbunden haben, lag bei 22,6 Fällen pro 1.000 Geburten (95%-Konfidenzintervall: 12,9-38,5), verglichen mit einer Pandemie-Hintergrundrate von 5,6 Fällen pro 1.000 Geburten (452 von 80.456; 95%-KI: 5,1-6,2).
Bei ungeimpften Frauen traten 77,4% (3.833 von 4.950; 95%-KI: 76,2%-78,6%) der SARS-CoV-2-Infektionen, 90,9% (748 von 823; 95 %-KI: 88,7-92,7) der SARS-CoV-2-Infektionen mit Hospitalisierung, 98% (102 von 104; 95%-KI: 92,5%-99,7%) der SARS-CoV-2-Infektionen mit intensivmedizinischer Behandlung und alle Todesfälle durch COVID-19 auf. Die Grundgesamtheit umfasst 145.424 Schwangerschaften bei 131.751 Frauen aus einem Register.
14 von 620 Kindern, die innerhalb von 28 Tagen nach der mütterlichen SARS-CoV-2-Infektion geboren wurden, kamen tot zur Welt oder starben kurz nach der Geburt. Alle diese Frauen waren ungeimpft.
Daraus leiten die Autoren als Empfehlung ab, Schwangeren auf jeden Fall einen Impfschutz anzubieten, falls noch nicht früher geschehen.
Übersterblichkeit in Deutschland korreliert mit Impfquote gegen COVID-19
Am 11. Januar 2022 hatte das Statistische Bundesamt (DESATIS) bekanntgegeben, dass erstmals seit 1946 mehr als 1 Million Menschen pro Jahr in Deutschland pro Jahr gestorben waren. Als genaue Zahl wurden 1.016.899 Tote genannt. Diese Übersterblichkeit haben Forschende an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena jetzt genauer untersucht.
Laut ihrer Analyse schwankte die Übersterblichkeit zwischen einzelnen Bundesländern stark. Die Wissenschaftler fanden, wie sie schreiben, eine „hochsignifikante Korrelation“ zum Impfstatus. Eine hohe Impfquote in einem Bundesland ging mit einer vergleichsweise niedrigen Übersterblichkeit einher. Dazu 2 Beispiele: Das Bundesland Bremen hatte mit der höchsten Impfquote von 80,9% eine Übersterblichkeit von 1,44%, während in Sachsen mit der niedrigsten Impfquote von 58,7% die Übersterblichkeit bei 14,67% lag.
„Die Untersuchung legt nahe, dass die Übersterblichkeit zumindest teilweise durch COVID-19 Fälle zu erklären ist und dass durch Impfungen Infektionen verhindert oder ein milderer Verlauf bewirkt wurde“, heißt es in einer Meldung der Hochschule. Aussagen zu Omikron könne man daraus nicht ableiten.
USA: Hohe Kosten für Ivermectin bei privaten Krankenversicherungen
Trotz fehlender wissenschaftlicher Evidenz galt das Wurmmittel Ivermectin einige Zeit als mögliche COVID-19-Therapie. Grund dafür waren In-vitro-Studien, die sich jedoch nicht auf die In-vivo-Situation bei COVID-19 übertragen ließen. Anhand einer Datenbank-Analyse zeigen Forscher nun, welche Kosten das Medikament in den USA durch falsche Verordnungen verursacht hat.
Ihre Zufallsstichprobe umfasst 5 Millionen Privatversicherte und 1,2 Millionen Medicare Advantage-Patienten in den USA. Medicare Advantage bietet ebenfalls Leistungen einer privaten Krankenversicherung an. Patienten mit dem US-Diagnosecode für eine parasitäre Infektionen wurden ausgeschlossen. Ivermectin ist ein Antihelmetikum.
„Wir nahmen an, dass die verbleibenden Verschreibungen für COVID-19 bestimmt waren“, schreiben die Autoren. „Dieser Ansatz maximierte die Sensitivität, da er Verschreibungen erfasste, die bei Arztbesuchen ausgestellt wurden, bei denen COVID-19 nicht kodiert war, sowie bei Besuchen, die nicht mit der Versicherung abgerechnet wurden.“
Bei Ivermectin-Verordnungen betrug der durchschnittliche Eigenanteil 22,48 US-Dollar (19,69 Euro) für privat versicherte Patienten und 13,78 US-Dollar (12,07 Euro) für Medicare Advantage-Patienten. Versicherungen erstatteten 35,75 US-Dollar (31,32 Euro) bzw. 39,13 US-Dollar (34,28 Euro) pro Verordnung. Die Gesamtausgaben beliefen sich bei privat versicherten Patienten auf 273.681 US-Dollar (239.732 Euro) und bei Medicare Advantage-Patienten auf 47.142,81 US-Dollar (41.294 Euro). Als Erstattungsanteile nennen die Autoren 61,4% bzw. 74,0%.
In der Woche vom 9. bis zum 13. August 2021 zahlten PKVen und Medicare Plan schätzungsweise 1.568.996 US-Dollar (1.374.369 Euro) bzw. 924.720 Euro (810.013 Euro) für Ivermectin-Verordnungen in Zusammenhang mit COVID-19. Der wöchentliche Gesamtbetrag von 2.493.716 US-Dollar (2.184.383 Euro) wurde auf 129.673.240 US-Dollar (113.587.922 Euro) jährlich hochgerechnet.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Versicherer … die Verschreibung von Ivermectin für COVID-19 stark subventioniert haben, obwohl sie laut Wirtschaftlichkeitsgebot unwirksame Behandlungen nicht übernehmen sollten“, so die Autoren. „Die verschwenderischen Ausgaben der Versicherer für diese Verschreibungen, die in der Woche bis 13. August 2021 auf 2,5 Millionen Dollar geschätzt wurden, würden sich auf 129,7 Millionen Dollar jährlich hochrechnen.“ Diese Summe übersteige sogar die geschätzten jährlichen Medicare-Ausgaben für unnötige bildgebende Verfahren bei Rückenschmerzen.
Credits:
© Wirestock
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: 2 Drittel Ungeimpfte auf Intensivstationen; Drosten zum Pandemie-Ende; Novavax-Vakzin bald verfügbar - Medscape - 17. Jan 2022.
Kommentar