Der Deutsche Städtetag hat von der Ampel-Koalition gefordert, die Schwelle der Zuwanderungsbedingungen für ausländische Pflegefachleute zu senken, um unter anderem mehr Pflegekräfte ins Land zu bekommen.
Die Forderung dürfte an den bestehenden Verhältnissen allerdings wenig ändern. Denn der Städtetag hat außer allgemeinen Forderungen keine konkreten Schritte vor Augen, wie die Zuwanderungsbedingungen verbessert werden sollten. Die Regierungsseite sieht zudem keinen Änderungsbedarf und verweist stattdessen auf die schon bestehenden Bemühungen. Auch die Pflegeverbände sehen die ausländischen Fachleute an deutschen Pflege- und Krankenbetten kritisch.
Es fehlen 300.000 Pflegefachkräfte
Die Bundesregierung habe bereits ein moderneres Einwanderungsgesetz angekündigt, um die Arbeitskräfteeinwanderung zu erleichtern, hieß es Ende Dezember 2021 in einem Statement des Städtetages, das Medscape vorliegt. „Wir brauchen sehr viele Fachkräfte, die wir in Deutschland weder finden noch kurzfristig ausbilden könnten. Der Fachkräftemangel in Krankenhäusern, bei der Pflege, und in der Kinderbetreuung ist dramatisch“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. „Wir rechnen mit (…) 300.000 fehlenden Pflegekräften in den kommenden Jahren.“
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) arbeiten derzeit bereits 200.000 ausländische Pflegekräfte in Deutschland, das entspricht einem Anteil von 14% an allen Pflegenden.
Dedy forderte Fachkräfte aus dem Ausland gezielt anzuwerben sowie die Bildungs- und Berufsabschlüsse und die Berufserfahrungen der Arbeitskräfte aus dem Ausland unbürokratischer anzuerkennen. „Die neue Koalition hat angekündigt, dass sie das Einwanderungsrecht modernisieren und die Arbeitskräfteeinwanderung erleichtern will. Das ist gut und muss jetzt schnell gehen, ohne sich im Detail zu verhaken“, betont Dedy. Die Zahlen für die Pflegekräfte stammen laut Städtetag vom Institut der Deutschen Wirtschaft (idw) in Köln.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verweist darauf, dass schon heute ausländische Pflegekräfte mit anerkannter Qualifikation und einem konkreten Arbeitsplatzangebot nach Deutschland kommen und arbeiten können. „Sie erhalten zunächst einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung für bis zu vier Jahren“, so das Ministerium auf Anfrage von Medscape. „Nach vier Jahren können sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis, also einen unbefristeten Aufenthalt, erhalten.“
Zudem erleichtere es das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) vom März 2020, ausländische Abschlüsse in Deutschland anzuerkennen. Ist dies nicht möglich, dann sorge das FEG dafür, dass sich bestimmte Bewerber in Deutschland nachqualifizieren können.
Vermittlungsabsprachen mit Nicht-EU-Ländern
Das FEG habe auch sogenannte Vermittlungsabsprachen mit nicht EU-Staaten möglich gemacht. Vorteil der Vermittlungsabsprachen ist, dass das komplexe Anerkennungsverfahren erst im Inland eingeleitet werden muss. Parallel dazu wird eine Beschäftigung im angestrebten Berufsfeld ausgeübt und zukünftige Fachkräfte werden vom ersten Tag an integriert. Derartige Absprachen bestehen derzeit mit Bosnien und Herzegowina, Tunesien und den Philippinen. Verhandelt werde auch mit Brasilien, Indien, Indonesien, Jordanien, Vietnam und Mexiko.
Wie viele Pflegekräfte allerdings tatsächlich insgesamt durch diese Bemühungen nach Deutschland gekommen sind, teilt das BMAS nicht mit. Dafür liefert die Bundesagentur für Arbeit (BA) Zahlen: Insgesamt habe die Bundesagentur seit Beginn ihrer Rekrutierungen im Ausland 6.200 Arbeitskräfte für die Pflege in Deutschland angeworben, darunter 5.200 Pflegefachkräfte und 700 Pflege-Auszubildende, so die BA auf Anfrage von Medscape. 22% dieser Arbeitskräfte stammen aus EU-Staaten, 78% aus Nicht-EU-Staaten. Im Rahmen der Vermittlungsabsprachen mit Mexiko vom Dezember seien 400 Pflegekräfte für Krankenhäuser, Kliniken und Pflegeeinrichtungen nach Deutschland gekommen.
Zunehmend dürfte die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem EU-Ausland schwieriger werden, weil auch in vielen Ländern der EU unter dem Druck der Corona-Pandemie Personalmangel herrscht, wie der Spiegel berichtete. Betroffen seien Italien, Großbritannien, Spanien, und die Niederlande. Spanien plant sogar, pensionierte Schwestern und Pfleger aus dem Ruhestand zu holen.
Trotz der Gefahr, ausländischen Arbeitsmärkten zu schaden, bedürfe es in der Pflege „auch der Einwanderung von Fachkräften“, beharrt die BA. Deutschland stehe schließlich im internationalen Wettbewerb, auch andere Staaten werben um Pflegefachkräfte. Gleichwohl werde man alles tun, „das inländische Potential zu erschließen“. Auch das BMAS betont: Die Zuwanderung von Fachkräften sei zwar nur eine Säule der Fachkräftegewinnung in Deutschland, als solche aber unumgänglich.
Kritik an den Anwerbungen im Ausland kommt vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Anja Hild, Sprecherin des Verbandes: „Wir halten uns an die gemeinsam mit dem International Councel of Nurses (ICN) formulierte Forderungen, dass Rekrutierungen nicht dazu führen dürfen, dass es in den Herkunftsländern dann zu Engpässen kommt.“ Der Fachkräftemangel in der Pflege sei ein internationales Problem. „Es müssen aus unserer Sicht die im Inland Rahmenbedingungen verbessert werden, auch um den eigenen Nachwuchs leichter zu gewinnen“, sagt Hild zu Medscape.
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Diesen Artikel so zitieren: Städtetag fordert mehr Pflegekräfte aus dem Ausland, doch konkrete Ideen fehlen - Medscape - 12. Jan 2022.
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