„Dry January“: Warum es sich lohnt, einen Monat lang auf Alkohol zu verzichten

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

7. Januar 2022

Zum Jahreswechsel muten viele Menschen ihrem Körper und Geist einiges zu. Besonders leidensfähig muss die Leber sein, aber Darm und Pankreas sind gefordert. Ein wenig Erbarmen hätten sie daher verdient, meinen Gastroenterologen. Sie schlagen einen „Dry January“ vor. Bei dieser ursprünglich aus England stammenden Gesundheitskampagne wird den ganzen Januar bewusst auf Alkohol verzichtet. Auch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. ruft zur Teilnahme auf.

Werbeverbote für Alkohol

Zum Hintergrund: Lebererkrankungen sind zu einer großen gesundheitlichen Bedrohung geworden. Beinahe 300.000 Menschen sterben jedes Jahr in Europa daran, oft in Zusammenhang mit ernährungsbedingter Fettleibigkeit und Alkohol-Abusus. Ein Großteil dieser frühzeitigen Tode könnte bei rechtzeitiger Diagnose verhindert werden. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Europäischen Lebergesellschaft (European Association for the Study of the Liver, EASL), die kürzlich in  The Lancet  erschienen ist. 

Eine Forderung der Leber-Spezialisten ist, den Fokus verstärkt auf die Prävention von Lebererkrankungen zu legen. Dazu gehöre auch ein Werbeverbot für Alkohol in sozialen und digitalen Medien sowie für extrem fett- und zuckerhaltige Lebensmittel, die sich an Kinder richten. Mit einer ähnlichen Forderung hatte sich schon im Juni dieses Jahres die DGVS, gemeinsam mit anderen deutschen Fachgesellschaften und der Deutschen Leberstiftung, zu Wort gemeldet. 

Schützt Alkohol in geringen Mengen? Experten sind skeptisch…

Es heißt zwar immer wieder, dass ein geringer bis moderater Alkohol-Konsum gut für Herz und Hirn sei. So haben erst vor wenigen Monaten Autoren einer populationsbasierten, prospektiven Kohortenstudie berichtet, dass geringer bis moderater Alkohol-Konsum möglicherweise die Kognition verbessert. Darunter sind weniger als 8 Drinks pro Woche bei Frauen und weniger als 15 Drinks pro Woche bei Männern zu verstehen. Ein Drink entspricht etwa einem Glas Wein (150 ml) oder Bier (350 ml).  

Allerdings sollten die Daten von fast 20.000 Menschen „mit der für Assoziationsstudien notwendigen Vorsicht interpretiert werden“, kommentierte Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. 

Zu beachten ist außerdem, dass es auch bei dem Zellgift Alkohol auf die Menge ankommt, die konsumiert wird. So ergab die Studie zwischen Alkoholkonsum und kognitiver Funktion eine klare U-Kurven-Beziehung: Bei schweren Trinkern nahm die kognitive Funktion rasant ab.

Alkohol schadet vielen Organen

Ethanol beeinträchtigt nicht nur das Gehirn und dieLeber. Das Gift ist an der Entstehung von mehr als 200 anderen Krankheiten beteiligt – von Organschäden und Herz-Kreislauf-Krankheiten über psychische Störungen bis hin zu einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebsarten. 

Prof. Dr. Patrick Michl, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Halle (Saale), befasst sich speziell mit den Auswirkungen auf die Bauchspeicheldrüse: „Hier kann es ebenso wie in der Leber zu einer alkoholbedingten chronischen Entzündung kommen“, erklärt er. Eine chronische Pankreatitis macht sich zunächst durch Bauchschmerzen bemerkbar, geht aber auch mit einem fortschreitenden Funktionsverlust der Pankreas einher. In der Folge können Verdauungsstörungen, chronische Durchfälle oder ein Diabetes mellitus auftreten. „Eine weitere, besonders gravierende Folge der chronischen Pankreatitis, ist die Entwicklung eines Bauchspeicheldrüsenkrebses “, erinnert Michl. 

Alkoholkonsum in Deutschland weiterhin zu hoch

Um nach den Feiertage Leber, Pankreas und Co. eine Erholungspause zu verschaffen, ruft die DGVS zur Teilnahme am „Dry January“ auf. Dafür gibt es gute Gründe. So ist in den vergangenen 40 Jahren der Alkoholkonsum in Deutschland zwar stetig gesunken. Das betrifft den Verbrauch insgesamt und die Häufigkeit des Rauschtrinkens. 

Dennoch ist der für Deutschland ermittelte jährliche Durchschnittsverbrauch laut Alkoholatlas mit 11 Litern reinen Alkohols pro Kopf noch immer deutlich zu hoch. Mit dieser Menge, die ungefähr 220 Litern Bier oder 88 Litern Wein entspricht, zählt Deutschland im internationalen Vergleich zu den Hochkonsumländern. Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist trotz des insgesamt sinkenden Konsums das punktuelle Rauschtrinken noch immer zu weit verbreitet. 

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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