Myokarditis, Perikarditis, Anaphylaxien oder Thrombosen nach COVID-19-Impfungen: Neue Zahlen vom PEI

Coliquio

Interessenkonflikte

3. Januar 2022

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat einen Bericht über die aus Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung veröffentlicht [1].

Der aktuelle Report bezieht sich auf die Impfungen mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) und Spikevax® (Moderna) sowie auf den Vektor-Impfstoffen Vaxzevria® (AstraZeneca) und COVID-19 Vaccine Janssen von Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.11.2021.

Bis zum 30.11.2021 wurden laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 123.347.849 Impfungen durchgeführt, davon 96.606.131 mit Comirnaty®, 10.576.131 mit Spikevax®, 12.703.030 mit Vaxzevria und 3.462.557 mit dem COVID-19 Vaccine Janssen.

113.792 Verdachtsfälle wurden nach der Impfung mit Comirnaty® gemeldet, 28.289 nach Spikevax®, 46.325 nach Vaxzevria® und 7.758 nach dem COVID-19 Vaccine Janssen. In 810 Meldungen wurde der Covid-19-Impfstoff nicht spezifiziert.

Die Rate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,6 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen.

Myokarditis und Perikarditis

Zu den bekannten, sehr seltenen Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe zählen eine Myokarditis und eine Perikarditis. Daten aus vielen Ländern einschließlich Deutschland haben ein erhöhtes Risiko speziell bei jungen Männern nach der 2. Dosis gezeigt, wohingegen eine dänische Studie ein leicht erhöhtes Risiko bei jüngeren Frauen gefunden hat. 

Typischerweise treten erste Beschwerden innerhalb von wenigen Tagen nach der Impfung auf. Die publizierten Daten zeigen sehr konsistent, dass die ganz überwiegende Mehrheit dieser Patienten gut auf eine Behandlung und Ruhe ansprechen, auch wenn im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe beobachtet wurden.

Vorläufige Sicherheitsdaten nach der Markteinführung in Deutschland und anderen Ländern deuten darauf hin, dass das Risiko einer Myo-/Perikarditis bei jüngeren Menschen nach Spikevax® sehr niedrig, aber möglicherweise höher als nach Comirnaty® ist, weshalb die Ständige Impfkommission (STIKO) vorsorglich Comirnaty® für jüngere Personen unter 30 empfiehlt.

Anaphylaxien

Anaphylaktische Reaktionen sind sehr seltene Komplikationen aller 4 i COVID-19-Impfstoffe mit EMA-Zulassung. Die Melderate einer Anaphylaxie (Brighton Collaboration BC Level 1-4) beträgt in Deutschland weniger als 1 Fall pro 100.000 Impfungen, Stand 30.11.2021. Sie ist bei Frauen etwas höher als bei Männern und auch bei der 1. Impfdosis höher als bei Folgeimpfungen.

Ergebnisse erster retrospektiver Studien weisen darauf hin, dass anaphylaktische Reaktionen vermutlich meist nicht auf Immunglobulin-E-vermittelte allergische Sofortreaktionen zurückzuführen sind und betroffene Patienten nach allergologischer Testung zumeist risikoarm erneut geimpft werden können. 

Eine Studie aus den USA stellte bei Patienten mit Anaphylaxie nach der 1. mRNA-Impfung eine Pseudoallergie fest. Dabei handelte es sich um nicht IgE-vermittelte Reaktionen, die als komplementaktivierungsbezogene Pseudoallergie (CARPA, complement activation-related pseudoallergy) bezeichnet werden.

Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS)

Als seltene, schwerwiegende, in einigen wenigen Fällen auch tödliche Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe Vaxzevria® und COVID-19 Vaccine Janssen trat ein neues Syndrom auf, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom, TTS) charakterisiert wird.

Thrombosen treten oftmals an ungewöhnlichen Regionen auf, wie beispielsweise in zerebralen Hirnvenen, in Milz-, Leber- oder in Mesenterialvenen. Bei mehreren der betroffenen Patienten wurden hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen den Plättchenfaktor 4 (Anti-PF4- Antikörper) sowie eine starke Aktivierung von Thrombozyten in entsprechenden Gerinnungstests nachgewiesen. 

Dieses Muster ähnelt der atypischen oder autoimmunen Heparin-induzierten Thrombozytopenie (aHIT). Dabei scheint es sich ersten Ergebnissen zufolge um transiente Antikörper zu handeln. Diese waren bei Patienten mit TTS in der Vorgeschichte meist innerhalb von 12 Wochen nicht mehr nachweisbar. Das könnte auch erklären, warum sehr viel seltener nach der 2. als nach der 1. Impfung mit Vaxzevria® ein TTS in Deutschland beobachtet wurde. 

Ganz besonders wichtig ist die frühzeitige Diagnose und Behandlung dieses Krankheitsbildes. Verschiedenste Fachgesellschaften haben Empfehlungen publiziert, darunter die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH).

Guillain-Barré-Syndrom

Sehr selten können Personen, die mit Vaxzevria® oder mit COVID-19 Vaccine Janssen geimpft worden sind, ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) entwickeln. Die Rate nach Impfung mit einem Vektorimpfstoff lag bei ca. 0,88 bzw. 1,89 Meldungen pro 100.000 Dosen.

Thrombozytopenien und Immunthrombozytopenien (ITP)

Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Blutzellen, sogenannte Blutplättchen, angreift, die für eine normale Blutgerinnung benötigt werden. Eine sehr niedrige Anzahl von Blutplättchen (Thrombozytopenie) kann zu Blutungen führen und schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Einzelfallberichte nach der Zulassung und Literaturdaten weisen auf einen Zusammenhang zwischen einer Impfung mit Vaxzevria® oder COVID-19 Vaccine Janssen und dem Auftreten von ITP hin. Die berichteten Fälle traten zumeist innerhalb von 4 Wochen nach Impfung auf.

Wenn eine Person eine ITP in der Vorgeschichte hat, sollte nach der Impfung mit einem der genannten Vakzine die Blutplättchenzahl überwacht werden.

Thrombosen

In mehreren Studien wurde das potenzielle Thromboserisiko von COVID-19-Impfstoffen (zumeist Comirnaty® und Vaxzevria®) untersucht. Allerdings waren die Ergebnisse nicht konsistent; eindeutige Aussagen lassen sich nicht ableiten. Das Risiko nach Infektionen mit SARS-CoV-2 war – soweit untersucht – immer höher als nach Impfungen. 

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) hat auf seltene Fälle von venösen Thromboembolien (VTE) in Zusammenhang mit dem COVID-19 Vaccine Janssen hingewiesen.

VTE waren bereits im Rahmen der Zulassung des Impfstoffs als potenzielles, weiter zu untersuchendes Signal aufgefallen, da in großen Zulassungsstudien unter dem Vaktin mehr Fälle als unter Placebo aufgetreten waren. In einer weiteren großen klinischen Studie konnte allerdings kein Anstieg venöser thromboembolischer Ereignisse bei geimpften Personen festgestellt worden.

Ein Risikosignal wurde ebenfalls für sehr seltene Sinusvenenthrombosen ohne Thrombozytopenie nach Impfungen mit Vaxzevria® detektiert, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Fälle wegen fehlender Angaben zur Thrombozytenzahl wohl eher einem TTS entsprechen.

Der Artikel ist im Original bei Coliquio erschienen.

 

Kommentar

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