Für alle Praxisinhaber kommt der Zeitpunkt, an dem sie sich aus dem Berufsleben zurückziehen. Dann beginnt der komplexe Prozess der Praxisabgabe. Wie gut sie gelingt, ist eine Frage der kompetenten Begleitung in jeder einzelnen Phase der Praxisabgabe. Praktische Tipps hierfür gibt Ihnen Nadine Ettling, Fachanwältin für Medizinrecht.
Vorüberlegungen: Planung ist alles
An erster Stelle steht die strategische Planung, für die zunächst ganz allgemein der Markt für Arztpraxen beobachtet werden sollte. Von zentraler Bedeutung ist dabei zu erkennen, wie der potenzielle Käuferkreis tickt. Das unterscheidet sich oft enorm. Denn Einzelkäufer haben andere Anforderungen als beispielsweise Medizinische Versorgungszentren (MVZ) oder Investoren.

Nadine Ettling
Auch die Praxis selbst sollten Abgabewillige unter die Lupe nehmen:
Welche vertraglichen Verpflichtungen bestehen?
Welche Kündigungsfristen laufen?
Welche Verträge sind übertragbar?
Enthält der Mietvertrag Rückbaupflichten?
Wie soll ein Nachfolger in die Praxis einsteigen?
Wie schnell soll der Ausstieg erfolgen?
Viele dieser und weiterer Fragen lassen sich nur mit Hilfe erfahrener Berater sicher beantworten und abwägen. Denn ohne fundierte rechtliche Expertise ist gerade mit Blick auf zahlreiche vertragliche Fallstricke kaum Sicherheit zu erlangen. Die Erfahrung zeigt: Die Strategie der Praxisabgabe sollte deshalb unbedingt an den rechtlichen Gegebenheiten der Praxis ausgerichtet werden.
Diese Faktoren steigern den Wert Ihrer Praxis
Von grundlegendem Interesse für jeden Praxisabgebenden ist der Wert der eigenen Praxis. Dieser wird mit variierenden Berechnungsmethoden anhand des materiellen und ideellen Werts der Praxis bestimmt. Für eine möglichst exakte Einschätzung bieten hierbei Rechtsanwälte und Steuerberater Unterstützung an.
Es gibt viele Faktoren, welche den Wert erhöhen. Wenn Verkaufswillige hier rechtzeitig aktiv werden, profitieren Sie bei den späteren Verhandlungen von folgenden Argumenten:
neuwertige Praxisausstattung,
aktuelles Qualitätsmanagement,
zeitgemäß überarbeitete Arbeitsverträge der Mitarbeiter,
ein positives äußeres Erscheinungsbild der Praxis vor Ort und digital,
gut eingespielte Betriebsabläufe,
Anpassungen oder Neufassungen bestehender Praxisverträge,
eine aktuelle Inventarliste,
mietvertragliche Optionen.
Modernisierung und Optimierung sind nicht nur in den hier genannten Beispielen die ausschlaggebenden Stichworte. Zur optimalen Ausrichtung der Praxis für den Praxiswert bedarf es neben dem grundlegenden Verständnis auch einer fundierten Marktkenntnis.
Arbeitsverträge rechtzeitig sichten
Wird eine Praxis verkauft, gehen bestehende Arbeitsverträge kraft Gesetzes auf Praxiskaufende über. Diese treffen alle Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen. Gut beratene Kaufwillige werden die Arbeitsverträge daher vor dem Kauf einer rechtlichen Risikoprüfung unterziehen.
Spätestens jetzt wird klar, wie wichtig die Beratung durch spezialisierte Experten für Medizinrecht sein kann. Denn diese wissen um die besonderen Gegebenheiten einer Praxis und haben bestenfalls die Verträge bereits überprüft und gegebenenfalls rechtzeitig optimiert. So steigern Praxisabgebende nicht nur den Wert der Praxis, sondern machen die Übergabe im Einzelfall sogar überhaupt erst möglich.
Lohnt sich: Prüfen, was im Praxismietvertrag steht
Nicht unterschätzt werden darf auch der bestehende Mietvertrag. Von der Antwort auf die Frage der Übertragbarkeit des Vertrages auf Nachfolgende, kann der für den Praxiswert bedeutsame Standort der Praxis abhängen. Sind darin kostenintensive Rückbauverpflichtungen vereinbart, schlagen diese sich ebenfalls im erzielbaren Kaufpreis nieder. Umso wichtiger ist es, bereits im Vorfeld den Mietvertrag rechtlich zu prüfen.
Der Weg zum individuellen, rechtsicheren Kaufvertrag
Anders als beim Gebrauchtwagenkauf geht es bei der Praxisabgabe um die Übertragung eines Lebenswerkes und oft auch um die Lebensgrundlage der Praxisbetreibenden. Dies spiegelt sich auch im zugehörigen Vertragswerk wider. Mit einem aus dem Internet heruntergeladenen Mustervertrag ist es dann nur selten getan. Wenn Sie bis hierhin noch gezögert hatten, spätestens jetzt sollten im Verkaufsprozess mitwirken.
Ein Rechtsanwalt und Steuerberater gehen auf die angesprochenen Vorüberlegungen ein, um ein Vertragswerk vorzubereiten, das Ihre Wünsche als Praxisinhaberin oder Praxisinhaber einbezieht. Dazu gehört auch, die Anlagen zum Kaufvertrag – wie beispielsweise Leasingverträge, Arbeitsverträge, Verträge mit Dienstleistern – adäquat vorzubereiten.
So profitieren Verkaufende von Verträgen, die ihren individuellen Wunschvorstellungen entsprechen. Diese für nachfolgende Inhaberinnen und Inhaber wichtigen Eckdaten können so auch der finanzierenden Bank für einen zügigen Verkaufsprozess einfach und gebündelt übergeben werden.
Seriöse Verhandlungsgespräche durch juristische Unterstützung
Verhandlungen sind eine Kernkompetenz im anwaltlichen Tagesgeschäft. Der Vorteil für Medizinerinnen und Mediziner: Änderungen und Forderungen können so gleich auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit geprüft werden und bedürfen keiner weiteren Umwege. Dies stärkt nicht zuletzt das Vertrauen der möglichen Käuferseite in die Seriosität der Transaktion.
Unterstützung durch Experten spart Zeit, Nerven und Kosten
Die Verhandlungsgespräche sind der letzte Schritt einer ausgiebigen Vorbereitung der Praxisabgabe. Bei frühzeitiger Einbindung von medizinrechtlich erfahrenen Anwälten können dabei unliebsame Überraschungen kurz vor oder nach Vertragsschluss vermieden werden. Langfristig spart dies nicht nur Zeit und Nerven, sondern vor allem Kosten.
Dieser Artikel ist im Original am 8. Dezember 2021 erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Wollen Sie Ihr Lebenswerk übergeben? So bereiten Sie sich optimal auf die Praxisabgabe vor – wertvolle Tipps einer Anwältin - Medscape - 28. Dez 2021.
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