Hirnchirurgen und Raketenwissenschaftler sind offenbar nicht schlauer als ihre Mitmenschen – das jedenfalls legen die Ergebnisse einer Studie nahe, die jetzt in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal erschienen ist [1]. „Sowohl Neurochirurgen als auch Luft- und Raumfahrtingenieure weisen ein ähnliches Intelligenzniveau wie die Allgemeinbevölkerung auf“, konstatieren Dr. Aswin Chari, University College London & Brainbook, und Kollegen.
„Das ist doch keine Raketenwissenschaft!“ – der Satz fällt im Deutschen häufiger, um auszudrücken, dass etwas doch gar nicht so schwer zu verstehen ist. „Das ist doch keine Hirnchirurgie!“ ist unter Briten dazu verbreitet. Beiden Sprüchen liegt die Prämisse zugrunde, dass es sich bei den Vertretern dieser Berufe um besonders clevere Exemplare handelt.
Doch was ist dran am Bild des besonders schlauen Neurochirurgen und Luft- und Raumfahrtingenieurs? Das wollten Chari und Kollegen ganz genau wissen. In der finalen Analyse verglichen sie die kognitiven Fähigkeiten von 329 Luft- und Raumfahrtingenieuren und 72 Neurochirurgen miteinander und glichen diese dann mit den Ergebnissen der Allgemeinbevölkerung (n=18. 257) ab.
Alle Teilnehmer füllten eine validierten Online-Test (Cognitron's Great British Intelligence Test) aus, der verschiedene Aspekte der Kognition misst. Darunter Planung und logisches Denken, Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit und emotionale Verarbeitungsfähigkeit. Potenziell einflussreiche Faktoren wie Geschlecht, Geschicklichkeit und Berufserfahrung (in Jahren) in ihrem Fachgebiet wurden bei der Analyse berücksichtigt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Luft- und Raumfahrtingenieure und Neurochirurgen in den meisten Bereichen gleich gut abschnitten, sich aber in zweierlei Hinsicht unterschieden:
Die Neurochirurgen zeigten signifikant höhere Werte als die Luft- und Raumfahrtingenieure beim Lösen semantischer Fragen (p=0,001).
Die Luft- und Raumfahrtingenieure wiesen hingegen ausgeprägtere Fähigkeiten auf, andere Menschen mental zu beeinflussen, und bei der Aufmerksamkeit (p=0,004).
Beim Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung zeigten die Luft- und Raumfahrtingenieure in keinem Bereich signifikante Unterschiede. Neurochirurgen waren in der Lage, Probleme schneller zu lösen als die Allgemeinbevölkerung, wiesen aber eine geringere Geschwindigkeit bei der Erinnerung auf.
Die Verwendung der stereotypen Sätze stelle „sowohl Neurochirurgen als auch Luft- und Raumfahrtingenieure unnötigerweise auf ein Podest“, monieren die Studienautoren und schlagen vor, dass ein wertungsfreier Satz wie „Das ist doch ein Spaziergang“ angemessener sein könnte.
Hulk, Iron Man & Co: Wie gesund altern eigentlich Superhelden?
Auch Superhelden sind nur Menschen: Regelmäßige körperliche Betätigung und starke soziale Bindungen sind auch für Iron Man, Hulk, Spiderman, Black Widow und Black Panther wichtig für ein gesundes Altern.
Das konstatieren Prof. Dr. Ruth E. Hubbard, Geriaterin an der University of Queensland in Brisbane, Australien, und Kollegen in der Weihnachtsausgabe des BMJ [2]. Hubbard und Kollegen wollten wissen, wie gesund Superhelden leben und welche Faktoren bei ihnen gesundes Altern begünstigen.
Iron Man und Black Panther attestieren sie ein nur geringes Demenzrisiko und viele Faktoren, die ein gesundes Altern begünstigen. Bei Black Panther beispielweise schlägt positiv zu Buche, dass er Vegetarier ist.
Hulk hingegen muss aufpassen: Aufgrund seines hohen Body-Mass-Index (BMI), seiner hohen Herzfrequenzrate (verwandelt sich Bruce Banner in Hulk, steigt sie auf 200) und seines ständig schwelenden Zorns ist er ein Kandidat für gleich mehrere chronische Erkrankungen.
Spiderman könnte aufgrund seines Dauer-Schlafdefizits im späteren Alter zu Fettleibigkeit neigen. Und Black Widows traumatische Kindheitserlebnisse erhöhen ihr Erkrankungsrisiko im späteren Leben.
„Da Superhelden wahrscheinlich wesentlich länger leben als die meisten Menschen, war es an der Zeit, mal über ihren Gesundheitszustand und über gesundes Altern nachzudenken“, schildern Hubbard und Kollegen ihre Beweggründe. Sie nahmen dazu 24 Marvel-Filme unter die Lupe, die zwischen 2008 (Iron Man) und 2021 (Black Widow) veröffentlicht wurden. Mit ihren Untersuchungen konzentrierten sie sich auf die Jahre 2020 und 2021.
Die Autoren untersuchten zunächst positive Verhaltensweisen der Superhelden und stellten fest, dass diese regelmäßig körperlich aktiv sind und Sport treiben (beides wird mit gesundem Altern in Verbindung gebracht), und dass sie ein hohes Maß an sozialem Zusammenhalt und sozialer Bindung aufweisen – was mit einem geringeren Demenzrisiko assoziiert wird.
Die Superhelden zeigen auch eine optimistische Lebenseinstellung, eine hohe Belastbarkeit und Zielstrebigkeit – alles Eigenschaften, die mit gesundem Altern in Verbindung gebracht werden. Und mit Ausnahme von Thor und Iron Man trinken und rauchen die Superhelden auch nicht viel – Ver haltensweisen, die mit einem längeren Leben und gesundem Altern assoziiert sind.
Die Forscher berücksichtigten auch negative Verhaltensweisen der Helden und Risikofaktoren. Dabei fanden sie heraus, dass die wiederholte Exposition gegenüber Lärm, Luftverschmutzung und mehrfache Kopfverletzungen die Superhelden einem erhöhten Risiko für Demenz, lebensverändernde körperliche Schäden und Behinderungen aussetzen.
Ob etwa Iron Mans vorteilhafte Lebensumstände seine zahlreichen körperlichen Verletzungen und seine posttraumatische Belastungsstörung ausgleichen könnten, sei „schwer zu sagen“. Unklar ist auch, ob ihn seine Rüstung bei seinen Ausflügen in den Weltraum ausreichend vor Schwerkraftveränderungen und Strahlenbelastung schützt. Sollte das nicht der Fall sein, wird Iron Man wahrscheinlich mit fortschreitender Osteoporose und einem deutlich erhöhten Risiko für maligne Erkrankungen rechnen müssen.
Ambivalent fällt auch die Analyse bei Spiderman aus: Seine Stärke, Flexibilität und Beweglichkeit verringern zwar sein Sturzrisiko im Alter, sein ständiges Schlafdefizit hingegen ist mit späterer Fettleibigkeit, schlechterer geistiger Gesundheit und einem höheren Verletzungsrisiko assoziiert.
„Bis heute konzentrieren sich die Marvel-Superhelden darauf, die Sicherheit des Multiversums aufrecht zu erhalten, künstliche Intelligenz zu verbessern und Technologien weiterzuentwickeln, die die Raumfahrt erleichtern“, schreiben die Autoren.
Sie schlagen vor, künftig eine hochwertige Gesundheits- und Sozialfürsorge inklusive Demenzprävention anzubieten: „Das würde es den Menschen im gesamten Multiversum und auch den Superhelden ermöglichen, auch im Alter eine hohe Lebensqualität zu genießen“, schließen sie.
Rap-Song mit Rückgang der Selbstmorde in den USA assoziiert
„1-800-273-8255“ – der 2017 von US-Rapper Logic veröffentlichte Song hat offenbar zu einem Anstieg der Anrufe bei der Nationalen Hotline Suizid-Prävention und zu einem Rückgang von Selbstmorden in den USA geführt. Das ist das Ergebnis einer Studie in der Weihnachtsausgabe des BMJ [3].
Es ist eindeutig belegt, dass Medienberichte über Suizide weitere Selbstmorde auslösen können. Über die schützende Wirkung von Berichten, die Hilfsangebote und Heilung thematisieren, ist hingegen weniger bekannt, vor allem, weil solche Berichte weniger Beachtung finden.
Prof. Dr. Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Sozialmedizin und Prävention an der Medizinischen Universität Wien und Kollegen wollten wissen, ob das Hören des Rap-Song von Logic mit der Zahl der täglichen Anrufe bei der National Suicide Prevention Lifeline und der Zahl täglicher Suizide in den USA in Verbindung steht.
Logics Musikvideo ist 7 Minuten lang und erzählt die Geschichte eines homosexuellen Teenagers, der sowohl in der Schule als auch zuhause Homophobie und Mobbing ausgesetzt ist. Er denkt über Suizid nach, ändert aber nach einem Anruf bei der Nationalen Hotline Suizid-Prävention seine Einstellung und sucht sich Unterstützung.
In dem Song kommt die Nummer der Hotline immer wieder prominent vor. Der Song erreichte Platz 3 der US-Billboard-Charts und wurde bei den MTV Music Awards 2017 und den Grammy Awards 2018 aufgeführt, was für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgte.
Anhand von Twitter-Posts beurteilten die Forscher, welche Aufmerksamkeit der Song in einem bestimmten Zeitraum erhalten hatte. Sie fanden heraus, dass in dem 34-Tage-Zeitraum unmittelbar nach den 3 Ereignissen mit der größten öffentlichen Aufmerksamkeit (der Veröffentlichung des Songs, den MTV Video Music Awards 2017 und den Grammy Awards 2018) 9.915 zusätzliche Anrufe bei der Nationalen Hotline Suizid-Prävention eingingen. Das entspricht einem Anstieg von 6,9% gegenüber der erwarteten Zahl. Im gleichen Zeitraum lag die Zahl der Selbstmorde um 245 (oder 5,5%) unter der erwarteten Zahl.
Nach Einschätzung von Niederkrotenthaler und Kollegen belegen die Ergebnisse die schützende Wirkung positiver Medienberichte über Suizidgedanken und hilfesuchendes Verhalten – besonders für Gruppen, die mit herkömmlichen Botschaften schwer zu erreichen sind.
Die Forscher schränken allerdings ein, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, aus der keine Kausalität abgeleitet werden könne. Auch sei unklar, ob das Lied über die Zeiträume der größten Aufmerksamkeit hinaus Auswirkungen hatte. Auch erfassten die Daten aus Twitter möglicherweise nicht vollständig, wie viele Menschen das Lied gehört haben.
„Diese Studie unterstützt den Papageno-Effekt – die Theorie, dass Medienberichte, die die Überwindung einer suizidalen Krise thematisieren, vor Selbstmord schützen können“, schreibt die Psychiaterin Prof. Dr. Alexandra Pitman vom University College London im begleitenden Editorial [4]. Sie schreibt, dass weitere Arbeiten erforderlich sind, um den wahrscheinlichen Wirkmechanismus der Intervention zu verstehen.
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Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Weihnachten beim BMJ: Hirnchirurgen und Raketenwissenschaftler – schlauer als alle anderen? Und: So (un)gesund altern Superhelden - Medscape - 23. Dez 2021.
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