Im Onko-Blog dieser Woche stellen wir einige beim Jahreskongress der American Society of Hematology vom 11. bis 14. Dezember 2021 in Atlanta und online präsentierte interessante Studien vor. Ein Schwerpunkt lag auf den erstmals vorgestellten Phase-3-Daten mit CAR-T-Zelltherapie bei Patienten mit großzelligen B-Zell-Lymphomen.
In der ZUMA-7-Studie verbesserte Axicabtagen Ciloleucel und in der TRANSFORM-Studie Lisocabtagen Maraleucel jeweils im Vergleich zur Standardtherapie das ereignisfreie Überleben in der Zweitlinientherapie. Tisagenlecleucel enttäuschte dagegen bei Patienten mit aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen in der Phase-3-Studie BELINDA.
In der Erstlinientherapie des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms könnte sich eventuell aufgrund der Ergebnisse der Phase-3-Studie POLARIX ein abgewandelte R-CHOP-Schema als neuer Standard etablieren, in dem Vincristin durch das ADC Polatuzumab Vedotin ersetzt ist.
Überraschender Befund war, dass die Krebsvorstufe CHIP mit einem verminderten Risiko für eine Alzheimer-Demenz assoziiert ist. Und zur Krebsvorstufe MGUS wurden erstmals die Daten der großen isländischen Studie iStopMM vorgestellt.
Großzellige B-Zell-Lymphome: CAR-T-Zell-Behandlung in der Zweitlinie effektiv – ZUMA-7-Studie
Großzellige B-Zell-Lymphome: CAR-T-Zell-Behandlung in der Zweitlinie effektiv – TRANSFORM-Studie
Großzellige B-Zell-Lymphome: Kombi mit Polatuzumab Vedotin reduziert PFS-Risiko im Vergleich zu R-CHOP
Aggressive NHL: Tisagenlecleucel enttäuscht in Phase-3-Studie
Multiples Myelom: 4er-Kombi mit Isatuximab erreicht MRD-Negativität in 50% der Fälle
MGUS: Erste Ergebnisse der iStopMM-Studie aus Island vorgestellt
Klonale Hämatopoese: Mit vermindertem Alzheimer-Risiko assoziiert
Großzellige B-Zell-Lymphome: CAR-T-Zell-Behandlung in der Zweitlinie effektiv – ZUMA-7-Studie
Zweijahresdaten zeigen, dass Axicabtagen Ciloleucel (Axi-cel) in der Zweitlinientherapie im Vergleich zur Standardtherapie bei Patienten mit großzelligen B-Zell-Lymphomen (LBCL) das ereignisfreie Überleben (EFS) signifikant von 2,0 auf 8,3 Monate im Median verbesserte. Die EFS-Rate nach 24 Monaten lag unter Axi-cel bei 40,5%, im Vergleichsarm bei 16,3%. Dr. Frederick Locke, Moffitt Cancer Center, Tampa, präsentierte diese Ergebnisse der Phase-3-Studie ZUMA-7 (Abstract 2), die parallel im New England Journal of Medicine erschienen sind.
„Die Ergebnisse von ZUMA-7 bedeuten einen Paradigmenwechsel in der Therapie des großzelligen B-Zell-Lymphoms“, so Locke. Patienten, die auf eine Erstlinientherapie nicht ansprechen oder innerhalb von 12 Monaten ein Rezidiv erleiden, sollten seiner Meinung nach diese Therapie erhalten.
In der offenen ZUMA-7 wurden in 77 Zentren randomisiert Patienten, für die eine Transplantation vorgesehen war mit Axi-cel (n = 180) oder mit Standardtherapie (n = 179) behandelt.
Nach einer Nachbeobachtungszeit von 24,9 Monaten war der primäre Endpunkt erreicht. Die Behandlung mit Axi-cel verlängerte das EFS im Median von 2,0 auf 8,3 Monate im Vergleich zur Standardbehandlung (Hazard Ratio: 0,398; p < 0,0001).
Die objektiven Ansprechraten waren mit Axi-cel signifikant höher als mit der Standard-Zweitlinientherapie, nämlich 83% vs. 50% (Odds Ratio: 5,31; p < 0,0001), auch das vollständige Ansprechen war mit 65% vs. 32 % deutlich besser.
In der Axi-cel-Gruppe ist das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht, in der Kontrollgruppe betrug es jedoch 35,1 Monate (HR: 0,730; p = 0,027). Unerwünschte Wirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich häufig.
Großzellige B-Zell-Lymphome: CAR-T-Zell-Behandlung in der Zweitlinie effektiv – TRANSFORM-Studie
Lisocabtagen Maraleucel (Liso-cel) verbesserte in der Zweitlinientherapie im Vergleich zur Standardtherapie bei Patienten mit großzelligen B-Zell-Lymphomen (LBCL) und hohem Risiko das ereignisfreie Überleben signifikant von 2,3 auf 10,1 Monate. Dies ergab eine Interimsanalyse der Phase-3-Studie TRANSFORM, die Dr. Manali Kamdar vom University of Colorado Cancer Center vorgestellt hat (Abstract 91).
„Der derzeitige Behandlungsstandard aus Chemotherapie und Transplantation ist bei den meisten Patienten mit rezidiviertem großzelligem B-Zell-Lymphom mit hohem Risiko nicht wirksam, was einen hohen Bedarf an neuen Therapien bedeutet“, so Kamdar. Die Ergebnisse weisen ihrer Meinung nach darauf hin, dass Liso-cel bei diesen Patienten ein neuer Therapiestandard werden könnte.
In der internationalen randomisierten Phase-3-Studie TRANSFORM wurden je 92 Patienten mit rezidiviertem LBCL mit Standardtherapie oder mit Liso-cel behandelt.
Liso-cel zeigte im Vergleich zur Standardtherapie eine signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung des primären Endpunkts ereignisfreien Überlebens (EFS) mit einer Risikoreduktion von 65% (p = 0,0001), ein um 27%punkte höheres komplettes Ansprechen (66% vs. 39%, p = 0,0001) und eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von im Median 5,7 auf 14,8 Monate (HR: 0,40; p = 0,0001). Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht reif, in der Standardtherapie-Gruppe lag es bei 16,4 Monaten.
Es traten keine neuen, bislang nicht bekannten Nebenwirkungen auf. Ein Zytokin-Freisetzungssyndrom bzw. neurologische Störungen vom Schweregrad 3 traten bei 1% bzw. 4% der Patienten auf.
Großzellige B-Zell-Lymphome: Kombi mit Polatuzumab Vedotin reduziert PFS-Risiko im Vergleich zu R-CHOP
Das Antikörper-Arzneistoff-Konjugat Polatuzumab Vedotin senkte in Kombination mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison (pola-R-CHP) das Progressionsrisiko bei Patienten mit diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL) signifikant stärker als der Therapiestandard R-CHOP (Rituximab in Kombination mit einer Chemotherapie aus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison). Prof. Dr. Hervé Tilly, Universität von Rouen, hat die Ergebnisse der Phase-3-Studie POLARIX beim ASH-Kongress vorgestellt (Abstract LBA-1) und parallel im New England Journal of Medicine publiziert.
„Dies könnte ein praxisveränderndes Ergebnis sein“, kommentierte Dr. Gilles Salles, Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSK), New York, bei einer Pressekonferenz der ASH. „Dies ist die erste randomisierte Phase-3-Studie, die einen Nutzen bei Patienten mit DLBCL in der Erstlinie gefunden hat. Sie zeigt, dass es möglich ist, die Krankheitsprogression auch bei Patienten mit schwer zu behandelnden Subtypen deutlich zu reduzieren.“
In der doppelblinden Studie wurden 879 Hochrisiko-Patienten mit zuvor unbehandeltem DLBCL randomisiert mit 6 Zyklen R-CHOP mit einem zusätzlichen Placebo oder 6 Zyklen Polatuzumab Vedotin in Kombination mit R-CHP behandelt. Im Verumarm wurde auf Vincristin verzichtet, denn Monomethyl-Auristatin-E in Polatuzumab Vedotin wirkt als Spindelgift ebenfalls neurotoxisch.
Nach median 28,2 Monaten Follow-up war der Polatuzumab-Vedotin-Arm mit einer progressionsfreien 2-Jahres-Überlebensrate von 76,7% dem Vergleichsarm mit 70,2% signifikant überlegen. Das Risiko für Progression oder Tod war um 27% reduziert (HR: 0,73; p < 0,02).
Die Komplettremissionen nach Ende der Therapie unterschieden sich mit 78% versus 74% nicht signifikant (p = 0,16). Die Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif.
Nebenwirkungen vom Schweregrad 3/4 traten in den beiden Armen bei 57,7% bzw. 57,5% der Patienten auf.
Aggressive NHL: Tisagenlecleucel enttäuscht in Phase-3-Studie
Die CAR-T-Zelltherapie mit Tisagenlecleucel hat bei Patienten mit refraktären oder rezidivierten Non-Hodgkin-Lymphomen im Vergleich zur Standardtherapie enttäuscht. Der primäre Endpunkt ereignisfreies Überleben unterschied sich in der Phase-3-Studie Belinda nicht signifikant (Abstract LBA-6). Prof. Dr. Michael R. Bishop, The David and Etta Jonas Center for Cellular Therapy, University of Chicago, sagte: „Wir waren überrascht, dass das ereignisfreie Überleben in beiden Studienarmen identisch war. Dies deutet darauf hin, dass es zur richtigen Behandlung mit CAR-T-Zelltherapien noch viel zu lernen gibt.“
An der Studie nahmen 322 Patienten mit aggressivem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom teil, die auf die initiale Chemotherapie nicht angesprochen oder innerhalb von 12 Monaten einen Rückfall erlitten hatten. Randomisiert erhielten sie Tisa-cel oder einer Standardbehandlung aus einer Chemotherapie gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation.
Nach einem Follow-Up von 10 Monaten zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen beim primären Endpunkt ereignisfreies Überleben mit 3,0 Monaten im Median in beiden Gruppen. 28% der Patienten in beiden Studienarmen zeigten ein vollständiges Ansprechen auf die Behandlung, die Gesamtansprechrate war ebenfalls ähnlich mit 46% unter Tisa-cel und 43% unter Standardtherapie.
An Nebenwirkungen starben 10 Patienten der Tisa-cel und 13 Patienten der Vergleichsgruppe. In weiteren Studien soll geklärt werden, welche Patienten von welchem Therapieansatz besonders gut profitieren.
Multiples Myelom: 4er-Kombi mit Isatuximab erreicht MRD-Negativität in 50% der Fälle
Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom haben bei Behandlung mit dem monoklonalen Anti-CD38-Antikörper Isatuximab zusätzlich zur Standard-Induktionstherapie aus Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (RVd) eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, eine negative minimale Resterkrankung (MRD) zur erreichen, als bei alleiniger RVd-Behandlung. Dies ergab die Phase-3-Studie GMMG-HD7 der deutschsprachigen Myelom-Multicenter-Gruppe (Abstract 463).
Nach Aussage von Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt, Universitätsklinikum Heidelberg, sollte diese Viererkombination deshalb als neuer Standard für transplantierbare neu diagnostizierte Patienten überlegt werden. „Isatuximab wirkt zum einen direkt auf die Myelomzellen und hat zusätzlich eine immunstimulierende Wirkung", erläuterte Goldschmidt.
In die Studie wurden 662 neu diagnostizierte Patienten in 67 Zentren in Deutschland eingeschlossen. 331 Patienten erhielten als Induktionstherapie Isatuximab plus RVd und 329 Patienten erhielten RVd allein über 18 Wochen. Der primäre Endpunkt dieses ersten Studienteils, die MRD-Negativität, wurde bei 35,6% der Patienten unter RVd alleine und bei 50,1% bei Zusatz von Isatuximab erreicht (OR: 1,83; p < 0,001). Damit konnte erstmals für ein Regime eine MRD-Negativität am Ende der Induktionsphase gezeigt werden. Die unerwünschten Wirkungen unterschieden sich in den beiden Gruppen nicht signifikant.
Im zweiten Teil der noch laufenden Studie wird der Effekt von Isatuximab plus Lenalidomid versus Lenalidomid in der Erhaltungstherapie untersucht.
MGUS: Erste Ergebnisse der iStopMM-Studie aus Island vorgestellt
Erstmals wurden mit Spannung erwartete Ergebnisse der Iceland Screens, Treats, or Prevents Multiple Myeloma (iStopMM) Study vorgestellt, einer großen prospektiven Populations-basierten Studie (Abstract 156).
Die isländische Arbeitsgruppe hatte 2016 alle vor 1976 geborenen Einwohner Islands (148.708) zur Teilnahme an einem Screening auf eine monoklonale Gammopathie eingeladen. Davon stimmten 80.759 Personen (54,3%) einer Teilnahme zu. Mittlerweile liegen Proben von 75.422 Teilnehmern vor.
Bei 3.735 Teilnehmern (4,9%) wurde eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) gefunden. Die Prävalenz war altersabhängig mit 2,3%, 6,2% und 12,9% in den Altersgruppen 40-59, 60-79 bzw. 80-103 Jahre. Männer waren mit 5,9% signifikant häufiger betroffen als Frauen mit 4,1% (p < 0,0001).
3.487 Personen mit neu diagnostizierter MGUS wurden in 3 Gruppen randomisiert, und zwar 1.164 Teilnehmer in Arm 1 ohne weitere Diagnostik oder Therapie, 1.159 Teilnehmer in Arm 2, die nach den Kriterien der Internationalen Myeloma Working Group weiter betreut werden, sowie 1.164 Teilnehmer in Arm 3 mit intensiver Weiterbetreuung.
In Arm 3 wurden nach 3 Jahren signifikant mehr Personen mit einer lymphoproliferativen Erkrankung (n = 133) diagnostiziert als in den Armen 1 (n = 9) und 2 (n = 92).
Die Befunde belegen, dass eine frühe Erkennung der Krebsvorstufe MGUS und damit gegebenenfalls eine Intervention möglich sind.
Allerdings lautete die Schlussfolgerung der Arbeitsgruppe: „Obwohl unsere Ergebnisse ermutigend sind, raten wir bis zum Vorliegen der endgültigen Ergebnisse der iStopMM-Studie, einschließlich Daten zu Überleben und Lebensqualität, von einem systematischen MGUS-Screening bei gesunden Personen ab.“
Eine weitere Auswertung der Studie ergab (Abstract 151), dass die Prävalenz eines Smoldering Multiplen Myeloms (SMM) in der gesamten Bevölkerung bei 0,53% bei Personen über 40 Jahren liegt. Bei Männern ist die Prävalenz mit 0,70% höher als bei Frauen mit 0,37%. Die Prävalenz nimmt auch hier mit dem Alter zu.
Klonale Hämatopoese: Mit vermindertem Alzheimer-Risiko assoziiert
„Eine klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial (CHIP) ist überraschend mit einem verminderten Risiko für Alzheimer-Erkrankung (AD) und Alzheimer-bedingten neuropathologischen Veränderungen assoziiert“, so die Schlussfolgerung von Dr. Hind Bouzid, Stanford University, Stanford (Abstract 05). Er und seine Kollegen hatten anonymisierte Blutproben und Genomdaten von 5.730 Personen aus der Framingham Heart Study und der Cardiovascular Health Study ausgewertet. Die Ergebnisse sind parallel in medRxiv publiziert.
Die CHIP ist erst seit einigen Jahren bekannt. Sie tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf und kann das Risiko für Leukämien, aber auch für Herzinfarkt und Schlaganfälle erhöhen. Die Forscher vermuteten, dass eine CHIP möglicherweise auch das Risiko für eine Alzheimer-Demenz erhöht. Ihre Analyse ergab aber das Gegenteil. Verschieden Analysetechniken kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine CHIP mit einem um etwa 38% geringeren Risiko für Alzheimer-Demenz assoziiert ist.
In Hirngewebebiopsien von 8 Verstorbenen mit CHIP identifizierten die Forscher die CHIP-Mutation in der Mikroglia. Eine Hypothese ist nun, dass Mikroglia mit CHIP-Mutation möglicherweise besser dazu in der Lage ist, schädliche Ablagerungen von Beta-Amyloid zu beseitigen.
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Diesen Artikel so zitieren: CAR-T-Zelltherapie bei großzelligen B-Zell-Lymphomen und weitere spannende Themen vom US-Hämatologenkongress - Medscape - 21. Dez 2021.
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