Neue Daten: Teilzeitarbeit von Ärzten im Krankenhaus – eine Ursache für höhere Mortalitäten?

Dr. Nina Mörsch

Interessenkonflikte

21. Dezember 2021

Immer häufiger entscheiden sich Ärztinnen und Ärzte für eine Teilzeitstelle in der Klinik – ein Trend, der sich negativ auf die Gesundheit der Patienten auswirken könnte, wie eine kürzlich in JAMA Internal Medicineveröffentlichte Studie vermuten lässt [1]

Teilzeit bei Ärztinnen und Ärzten sehr beliebt

Ob Forschung, Verwaltungsarbeit, familiäre Verpflichtungen oder Burnout-Symptome – die Gründe, warum Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus ihre Arbeitszeit verringern, seien vielfältig, so Hirotaka Kato und Kollegen von der Universität von Kalifornien und der Keio Universität Yokohama in Japan.

Unklar sei jedoch, ob und wie sich die Teilzeitarbeit auf die Qualität der Patientenversorgung und damit auch auf die Sterberate auswirke. Um sich dieser Frage zu nähern, führten die Forschenden eine Querschnittsstudie durch.

Daten von knapp 4 Millionen Notfallpatienten ausgewertet

Hierfür nutzten sie Daten von 3.902.797 Medicare-Versicherten ab einem Alter von 65 Jahren, die von 2011 bis 2016 in den USA aufgrund eines medizinischen Notfalls ins Krankenhaus eingeliefert und von einem Klinikarzt oder einer Klinikärztin behandelt wurden.

Die insgesamt 19.170 behandelnden Ärztinnen und Ärzte (Männer n=11.688, 61 %; Frauen n=7.482, 39 %) waren im Mittel 41 Jahre alt und wurden je nach Anzahl ihrer klinischen Arbeitstage in 4 Gruppen unterteilt: 

  • Gruppe 1 arbeitete im Mittel rund 58 Tage,

  • Gruppe 2 arbeitete rund 99 Tage,

  • Gruppe 3 arbeitete rund 131 Tage,

  • Gruppe 4 arbeitete rund 163 Tage, was in etwa einer Vollzeitstelle entspricht.

Bei der Auswertung verglichen Forschende die jährliche Anzahl der klinischen Arbeitstage der Ärzte mit der 30-Tage-Mortalität ihrer Patienten (primärer Endpunkt) und der Rehospitalisierungsrate innerhalb von 30 Tagen (sekundärer Endpunkt).

Höchste Patientenmortalität bei reduzierter Arbeitszeit der Ärzte

Patienten, deren Behandler die wenigste Zeit in der Klinik verbrachten, wiesen die höchste durchschnittliche 30-Tage-Mortalität auf. Die Raten lagen bei 10,5% (Gruppe 1), 10,0% (Gruppe 2), 9,5% (Gruppe 3) und 9,6% (Gruppe 4). Assoziationen in Bezug auf die 30-Tage-Rehospitalisierungrate zeigten sich jedoch nicht. 

Auf der Suche nach möglichen Ursachen

Für das schlechtere Abschneiden der Teilzeit-Ärzte in dieser Studie sind laut den Autoren mehrere Gründe zumindest denkbar. 

Für Ärztinnen und Ärzte mit begrenzter klinischer Arbeitszeit könne es schwierig sein, mit den neuesten medizinischen Erkenntnissen und aktuellen Handlungsempfehlungen Schritt zu halten. Da sie aufgrund der Teilzeit weniger Kontakt zu Patienten haben, büßen sie womöglich an klinischen Fertigkeiten ein. Sie sind auch weniger geübt im Umgang mit Pflegekräften, verglichen mit Kollegen in Vollzeit. Dies könne sich negativ auf die Teamarbeit und die Gesundheit der Patienten auswirken.

Nicht auszuschließen sei auch, dass sich Mediziner mit geringeren klinischen Kenntnissen oder Fähigkeiten eher für eine Teilzeittätigkeit entscheiden würden, schreiben die Forscher. Zudem müssten viele in Teilzeit arbeitende Ärzte klinische und nicht-klinische Verpflichtungen unter einen Hut bringen.

Da der Trend hin zu Teilzeit-Stellen weiter anhalte, könne es notwendig sein, dass Kliniken diesen Angestellten mehr Unterstützung anbieten, damit deren klinische Leistungsfähigkeit erhalten bleibe oder verbessert werde. 

US-Experte ist nicht überrascht

Prof. Dr. James Goodwin, University of Texas, zieht in einem Kommentar [2] Parallelen zu Adam Smiths Prinzip der Spezialisierung: Je stärker sich ein Arbeiter auf eine Aufgabe konzentriere, desto mehr stiegen Effizienz und Qualität seiner Arbeit. Ein Arzt, der sich gleichzeitig auch noch mit Forschung und Lehre beschäftige, werde nie so spezialisiert sein wie jemand, der 90% seiner Zeit der Patientenversorgung widme, so Goodwins Hypothese.

Dass die Studie keine arbeitszeitspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Wiedereinweisungsrate innerhalb von 30 Tagen erkennen lasse, sei erstaunlich, schreibt der Kommentator. Denn diese Kennzahl sollte eher Auskunft über die Versorgungsqualität eines Krankenhauses geben als die Mortalität.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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