Unsere Expertin für Onkologie, PD Dr. Georgia Schilling, stellt ihre beiden Lieblingsstudien aus 2021 vor: 2 Studien zum Mammakarzinom, welche die Therapie entscheidend verändern werden.
Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Georgia Schilling, ich bin leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg und ich bin auch Chefärztin der internistisch-onkologischen Rehabilitation in der Asklepios-Nordsee-Klinik in Westerland auf Sylt.
Ich freue mich, Ihnen am Ende des Jahres wieder meine Highlights aus der Onkologie vorstellen zu dürfen. Dieses Jahr ist mir die Auswahl extrem leicht gefallen. Es sind 2 Studien zum Mammakarzinom, die mich beeindruckt haben und die die Therapiepraxis verändern werden.
Die OlympiA-Studie wurde als Late-Breaking-Abstract beim ASCO-Kongress 2021 von Prof. Dr. Andrew Tutt, Institute of Cancer Research, London, vorgestellt [1].
Die zweite Studie DESTINY-Breast-03 wurde ebenfalls als Late-Breaking-Abstract präsentiert, und zwar beim ESMO-Kongress 2021 von Dr. Javier Cortés, Internationales Brustkrebszentrum, Barcelona.
OlympiA-Studie
Die randomisierte, placebokontrollierte Phase-3-Studie OlympiA untersuchte adjuvantes Olaparib nach einer neoadjuvanten oder adjuvanten Chemotherapie bei Patientinnen mit einer BRCA-Keimbahnmutation und einem HER2-negativen frühen Hochrisiko-Mammakarzinom.
Der PARP-Inhibitor Olaparib ist schon zugelassen für die Therapie der metastasierten HER2-negativen Mammakarzinoms mit BRCA-Keimbahnmutation. Wir wissen auch, dass trotz einer neoadjuvanten/adjuvanten Chemotherapie Patientinnen mit BRCA-Mutationen eine signifikant hohe Rezidivrate haben. Neue Behandlungsoptionen sind daher dringend erforderlich.
Damit hat sich die OlympiA-Studie auseinandergesetzt. Es gab eine neoadjuvant und eine adjuvant behandelte Gruppe. Alle Patientinnen waren keimbahnmutiert und HER2-negativ. Hormonrezeptor-positive Tumoren waren möglich, aber auch dreifach negative Karzinome im Stadium II oder III.
Nach Operation, Strahlentherapie, neoadjuvanter oder adjuvanter Chemotherapie wurden die Frauen randomisiert mit Olaparib (zweimal täglich) über ein Jahr oder Placebo behandelt. Primärer Endpunkt war das invasive krankheitsfreie Überleben (IDFS). Zu den sekundären Endpunkten gehörten Gesamtüberleben (OS) und Metastasen-freies Überleben (DDFS).
Der Anteil der Mutationen war in beiden Armen ausgeglichen. Auch der Hormonrezeptor-Status bzw. die Verteilung der dreifach-negativen Karzinome waren vergleichbar.
Das IDFS war in der ITT-Analyse signifikant besser im Olaparib-Arm, ebenso das DDFS. Im OS wurde noch kein Vorteil gesehen, was sicher an der kurzen Nachbeobachtungszeit von 2,5 Jahren liegt. Wir erwarten, dass sich die Vorteile im IDFS und DDFS auch im OS wiederfinden.
An Nebenwirkungen kam es unter Olaparib zu signifikant mehr Übelkeit und Fatigue. Insgesamt traten wenig Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher auf, aber alle waren im Olaparib-Arm zu sehen und nicht im Placebo-Arm. Aber sie waren gut zu managen. Natürlich gab es auch mehr Therapieabbrüche im Olaparib-Arm im Vergleich zum Placebo-Arm.
Insgesamt erwies sich die Therapie als extrem gut verträglich. Neue, bislang nicht bekannte Toxizitäten traten nicht auf. Olaparib hatte keine negativen Effekte auf die Lebensqualität der Patientinnen, trotz der vermehrten Nebenwirkungen.
Wir wissen nun, dass IDFS und DDFS im Olaparib-Arm signifikant verbessert waren, es traten in der kurzen Nachbeobachtungszeit im Olaparib-Arm weniger Todesfälle auf, auch wenn das noch nicht signifikant ist. Wir hoffen aber, dass sich verbessertes IDFS und DDFS in ein verbessertes OS übersetzen lässt.
Diese Ergebnisse sind für mich Practice-changing. Es sollte auf jeden Fall beim frühen HER2-negativen Hochrisiko-Mammakarzinom eine BRCA-Keimbahnanalytik als Routine angeboten werden. In geeigneten Fällen sollte wie in der Studie eine Olaparib-Therapie eingeleitet werden. Dies ist derzeit noch ein Off-Label-Einsatz. Die AGO hat aber sofort auf diese phantastischen Daten reagiert und im Internet finden Sie Hilfen für den Off-Label-Use-Antrag.
DESTINY-Breast03-Studie
Die 2. hier besprochene Studie, die beim ESMO-Kongress 2021 als Late-Breaking-Abstract Nr. 1 vorgestellt worden ist, beschäftigt sich mit einem ADC, einem Antikörper-Drug-Konjugat. Wir alle kennen seit Jahren T-DM1 (Trastuzumab emtansin), das als Standardtherapie eine Rolle spielt.
In der DESTINY-Breast03-Studie wurde Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) Head-to-Head mit T-DM1 bei Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom in der Second-Line gemäß der EMILIA-Studie verglichen.
Zwischen den ADCs gibt es Unterschiede in der „Payload“. Die Chemotherapie-Moleküle sind unterschiedlich, bei T-DXd ist ein Topoisomerase-1-Inhibitor angekoppelt, bei T-DM1 ein Mikrotubulus-Hemmer. Die Linker unterscheiden sich. Auch das Verhältnis Antikörper zu Chemotherapie ist unterschiedlich, es ist bei T-DXd fast doppelt so hoch wie bei T-DM1.
T-DXd verfügt zudem über einen Bystander-Effekt, den T-DM1 nicht hat. Das bedeutet, dass auch HER2-negative Zellen in der Umgebung der HER2-positiven Zelle, die nach Endozytose des Deruxtecans zugrunde geht, durch frei werdendes Deruxtecan abgetötet werden. Dieser Bystander-Effekt trägt sicher entscheidend zur Wirksamkeit bei.
Als die Daten gezeigt wurden, hat mein Chef, der in Paris vor Ort war, gleich kommentiert: „This ist he end of EMILIA“.
Das Studiendesign ist einfach. Es ist eine 1:1 randomisierte Studie, in der T-DXd gegen T-DM1 in der Second-Line-Therapie im fortgeschrittenen Stadium untersucht worden ist.
Die Charakteristika der beiden Gruppen waren extrem gut ausgeglichen, auch in der früheren Gabe von Trastuzumab und Pertuzumab.
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), was durch T-DXd signifikant verbessert wurde, und zwar in allen Subgruppen, vor allem auch in der Subgruppe der Patientinnen, die Hirnmetastasen hatten und in einem stabilen Zustand waren. Sie waren ausdrücklich in dieser Studie erlaubt.
Zum Gesamtüberleben (OS) fehlt noch die ausreichende Nachbeobachtungszeit. Bislang liegen nur sehr frühe Daten mit wenigen Events in beiden Armen vor. Es ist also noch etwas Geduld erforderlich.
Was wir sagen können ist, dass T-DXd ein Klinische-Benefit-Rate von fast 97% in dieser Studie gezeigt gegenüber 76,8% für T-DM-1. Also es geht um komplette und partielle Remissionen sowie stabile Erkrankung.
97% in der Zweitlinientherapie ist wirklich ein Pfund. Diese Ergebnisse werden ebenfalls unsere Praxis verändern.
Zur Sicherheit: Es traten erstaunlicherweise weniger pulmonale Toxizitäten auf als in der ersten Studie mit T-DXd. Es gab gastrointestinale Nebenwirkungen, die aber alle sehr gut zu managen waren. Insgesamt war die Therapie also gut verträglich.
Also ein signifikanter PFS-Vorteil, das mediane PFS ist in der Studie noch nicht erreicht. Die Hazard-Ratio war 0,28. Das sind insgesamt sehr beeindruckende Daten, auch bei den Patientinnen mit stabilen Hirnmetastasen, bei denen das PFS von 5,7 Monaten auf 15 Monate im T-DXd-Arm verbessert werden konnte.
Man kann also sagen, dass dies der neue Standard in der Second-Line des metastasierten, lokal fortgeschrittenen HER2-positiven Mammakarzinoms wird.
Natürlich hinterlässt die Studie viele offene Fragen. Kann man T-DM-1 nach T-DXd noch geben? Was kommt überhaupt nach T-DXd? Sollte man es vielleicht schon First-Line einsetzen oder auch post neoadjuvant? Das werden Studien in den nächsten Jahren beantworten.
Sie sehen, es tut sich was, es bleibt wahnsinnig spannend beim Mammakarzinom.
Und mit diesen beiden wirklich hoffnungsvollen Studien möchte ich mich von Ihnen für dieses Jahr verabschieden.
Ich freue mich, wenn Sie mir auch im Neuen Jahr wieder zuhören.
Alles Gute und einen guten Start in dieser schwierigen Zeit.
Dankeschön und Tschüss.
Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: „Zwei wirklich hoffnungsvolle Studien“ zu Brustkrebs: Dr. Georgia Schilling stellt Ihre Highlights aus dem Jahr 2021 vor - Medscape - 10. Jan 2022.
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