MEINUNG

5 Kilo mehr – Diabetes-Pandemie durch Homeoffice? Der Jahresrückblick 2021 aus der Sicht unseres Diabetologen

Prof. Dr. Stephan Martin

Interessenkonflikte

20. Dezember 2021

Transkript des Videos von Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu und wie immer um diese Zeit möchte ich aus meiner Sicht das Jahr zusammenfassen.

Corona-Krise im Vordergrund

Im Vordergrund steht natürlich die Corona-Krise. Vor einem Jahr bin ich fest davon ausgegangen, dass wir es mit dem Impfstoff er schaffen werden, die Krise im 2. Halbjahr 2021 hinter uns zu lassen. Doch wie wir wissen, ist es anders gekommen. Tiefer denn je stecken wir in dieser Krise fest.

Doch diese Krise ist symptomatisch für das, was wir von gesundheitspolitischer Seite in den letzten Jahren in vielen Bereichen der Medizin ertragen mussten. Wir sind einem „toxischen Trio“ aus insuffizienter Gesundheitspolitik, Pseudoexperten und hysterisierenden öffentlichen Medien ausgesetzt. Ist ein Medikament neu, wird es nach oben gelobt. Tritt nur die kleinste Nebenwirkung auf, ist es die große Katastrophe.

Weniger Bewegung und Frustessen

Von dieser Katastrophe in der Gesundheitspolitik können wir in der Diabetologie ein besonderes Lied singen, denn seit Jahren steigen die Diabeteszahlen und der Grund dafür ist hausgemacht: Unser Lebensstil – eine ungesunde Ernährung in Kombination mit zu geringer Bewegung.

Die Corona-Krise hat das noch verschlimmert. Homeoffice hat sogar die wenigen Schritte zum Arbeitsplatz auf dem Weg vom Küchentisch zum Schreibtisch reduziert.

Die fehlenden sozialen Interaktionen werden durch Frustessen ausgeglichen. Angeblich haben wir allein Deutschland im Mittel 5 kg Gewicht zugenommen. Ich habe Gott sei Dank mein Gewicht gehalten, so muss jemand von Ihnen wohl 10 kg zugenommen haben.

Die Folgen sind schon bemerkbar, die Deutsche Diabetesgesellschaft hat im Rahmen der Herbsttagung in Wiesbaden darauf hingewiesen, dass die Arztpraxen eine Zunahme an Diabetesfällen verzeichnen. Genaue Daten haben wir nicht - wenn wir keine Daten haben, dann haben wir auch kein Problem.

Auch die alte Bundesregierung hat zwar eine Nationale Diabetes-Strategie verabschiedet, aber ohne irgendwelche Folgen. Das waren nur leere Worte. Doch der Blick in die Zukunft ist sicher nicht besser, denn der Begriff „Nationale Diabetesstrategie“ kommt im Koalitionspapier überhaupt nicht vor. Es werden zwar Teilaspekte daraus berücksichtigt, jedoch gibt es keinerlei Fokus auf die Prävention, Früherkennung, Versorgung und Erforschung der Volkskrankheit Diabetes.

Positives aus dem Jahr 2021

Es gibt aber auch Positives aus dem Jahr 2021 zu berichten, denn die Nationale Versorgungsleitlinie zum Thema der medikamentösen Therapie des Typ-2-Diabetes ist in diesem Jahr erschienen. Das war wirklich ein Kraftakt, an dem alle wesentlichen Fachgesellschaften beteiligt waren.

Wie zu erwarten war weicht die Nationale Versorgungsleitlinie kaum von den internationalen Leitlinien ab. Bei den Therapieentscheidungen beim Diabetes stehen zunehmend  die Endorganschäden im Vordergrund.

Bei kardiovaskulären oder Nieren-Erkrankungen sollten zur Organprotektion vermehrt SGLT-2-Inhibitoren oder GLP1-Agonisten eingesetzt werden. Das haben diese neuen Leitlinien nochmals untermauert.

Bedauerlicherweise ist dies nur eine Teilpublikation, das Kapitel nicht-medikamentöse Therapie mit so wichtigen Themen wie Ernährungstherapie oder körperliche Aktivität ist noch nicht fertiggestellt. Das ist bedauerlich, vielleicht sollten wir nicht zu sehr mit dem Finger auf die Politik zeigen, sondern bei uns in der Ärzteschaft anfangen ….

Ich wünsche uns allen ein besseres Jahr 2022, dass wir uns wieder treffen können, den Rechner gegen das Vortragspult austauschen und so auch in Fortbildungsveranstaltungen wieder miteinander interagieren und die wichtigen Gespräche nach den Veranstaltungen auf dem Gang bei einer Tasse Kaffee wieder aufleben lassen können.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit, ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch in das Jahr 2022 und

verbleibe bis dahin ...

Ihr Stephan Martin

 

Kommentar

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