Verzerrungen in onkologischen Studien: Wird der Mehrwert neuer, vermeintlich innovativer Therapien überschätzt? 

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

15. Dezember 2021

Viele onkologische Studien zum Nachweis der Nicht-Unterlegenheit einer Therapie mit statistisch signifikantem Ergebnis werden einer systematischen Analyse zufolge verzerrt oder irreführend dargestellt. Das kann zu Fehlinterpretation von Aussagen führen, etwa in dem Sinne, dass die Wirksamkeit neuer Therapien überschätzt wird. Besonders häufig wurde dies in Studien von nicht-gewinnorientierten Unternehmen oder Institutionen beobachtet [1,2]

Welcher Bias steckt in onkologischen RCTs? 

Zum Hintergrund: Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) gelten bekanntlich als Goldstandard für den Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien. Solche Studien werden oft zum Nachweis der Überlegenheit einer Behandlung, oft im Vergleich zu Placebo, konzipiert. 

In der Onkologie werden Studien allerdings oft zum Nachweis der Nicht-Unterlegenheit durchgeführt. Bei der Präsentation oder Publikation solcher Studien ist besonders genau auf eine korrekte Darstellung zu achten. Die Autoren der aktuellen Publikation sind daher der Frage nachgegangen, ob dies immer den Fall ist oder ob irreführende Darstellungen häufig sind.

Design der Studie

2 Wissenschaftler wählten unabhängig voneinander anhand der Einschlusskriterien (randomisiert, auf Nicht-Unterlegenheit angelegt), Studien aus, die zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2019 veröffentlicht wurden und deren Ergebnisse für die primären Endpunkte statistisch nicht signifikant waren.  

Der Hauptendpunkt war die Prävalenz von „Spin“ in den Publikationen. Spin wurde definiert als der Einsatz spezifischer Berichterstattungsstrategien mit dem Ziel, entweder hervorzuheben, dass die experimentelle Behandlung trotz fehlender Signifikanz vorteilhaft sei, oder um den Leser von nicht signifikanten Ergebnissen abzulenken.

Hohe „Spin-Prävalenz“ in onkologischen Studien

Ausgewertet wurden 52 von 2.752 Artikeln, die bei der PubMed-Suche ermittelt wurden. Die Autoren fanden in 39 Papers (75,0%; 95%-KI 61,6%-84,9 %) Spin – sowohl in der Zusammenfassung (34 Veröffentlichungen [65,4%; 95 %-KI 51,1%-76,9%]) als auch im eigentlichen Text (38 Veröffentlichungen [73,1%; 95%-KI 59,7%-83,3%]).

Ihre univariate Analyse ergab, dass die Spin-Prävalenz in Publikationen mit Datenmanagern, in Studien ohne Finanzierung durch gewinnorientierte Institutionen und in Publikationen über neuartige experimentelle Behandlungen am größten war. 

Die multivariable Analyse zeigte, dass neuartige experimentelle Behandlungen (OR 4,64; 95%-KI 0,98-22,02) und die Finanzierung nur aus Non-Profit-Organisationen oder Quellen mit Spin assoziiert waren (OR 5,20; 95%-KI 1,21-22,29).

Fehlinterpretationen bei Ärzten und bei Behörden möglich

Die klinische Bedeutung der Analyse besteht darin, dass solche Studien zu Fehlinterpretationen und Fehlentscheidungen von Arzneimittelbehörden, Kostenträgern und Wissenschaftlern sowie Ärzten führen können inklusive des Risikos, Krebspatienten schlechte zu versorgen.  

Die aktuelle Studie bestätigt frühere Studien mit ähnlichen Resultaten. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, als Autor, Redakteur oder wissenschaftlicher Gutachter potenzielle Falschdarstellungen in einem Manuskript vor der Veröffentlichung zu überprüfen. Dies gelte nicht nur für hochrangige Fachzeitschriften, heißt es in einem begleitenden Kommentar. 

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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