Bei TAVI-Patienten mit Vorhofflimmern schützt Edoxaban so gut wie VKA – hat aber einen „überraschenden“ negativen Effekt

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

14. Dezember 2021

Der Wirkstoff Edoxaban, der zu den direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) gehört und thromboembolische Ereignisse verhindern soll, ist bei Patienten mit Vorhofflimmern nach einer erfolgreichen Transkatheter-Aortenklappenimplantation (Transcatheter Aortic Valve Implantation, kurz TAVI) ähnlich wirksam wie ein herkömmlicher Vitamin-K-Antagonist (VKA). Unerwünschte Folgen wie schwere Blutungen treten unter dem Faktor-Xa-Hemmer bei dieser Patientengruppe allerdings – überraschend – häufiger auf.

Das sind die beiden zentralen Ergebnisse einer multizentrischen, prospektiven und randomisierten Vergleichsstudie, die ein Team um den niederländischen Kardiologen Prof. Dr. Nicolas Van Mieghem vom Erasmus University Medical Center in Rotterdam jetzt im New England Journal of Medicine vorgestellt hat [1]. Finanziert wurde die Studie von dem Hersteller von Edoxaban, Daiichi Sankyo. Konzipiert haben die Untersuchung 8 akademische Wissenschaftler und ein bei dem Pharmaunternehmen angestellter Forscher.

Die Ergebnisse sind durchaus überraschend

„Die Studie beschäftigt sich mit einer wichtigen Frage, ist gut gemacht und wurde allem Anschein nach auch gewissenhaft durchgeführt“, kommentiert Prof. Dr. Andreas Zeiher, außerordentlicher Professor für Kardiologie am Institute of Cardiovascular Regeneration der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), im Gespräch mit Medscape.

 
Die Studienergebnisse, vor allem das erhöhte Risiko für schwere Blutungen, sind durchaus überraschend, Prof. Dr. Andreas Zeiher
 

„Ihre Ergebnisse, vor allem das erhöhte Risiko für schwere Blutungen, sind durchaus überraschend, und auch der Hersteller wird sie so sicherlich nicht erwartet haben.“ In einer anderen Studie bei Patienten mit Vorhofflimmern, die keine TAVI benötigt hätten, seien Blutungen unter Edoxaban nämlich seltener aufgetreten als bei Verwendung eines VKA, erläutert Zeiher.

Möglicherweise sei die Ursache für das gesteigerte Blutungsrisiko in dem besonders hohen Alter der Studienteilnehmer zu finden, und vermutlich seien die Ergebnisse weder auf alle Patientengruppen noch auf alle DOAK übertragbar, sagt Zeiher. Dennoch rege die Studie zum Nachdenken an. „Und sie zeigt uns einmal mehr, wie gut wir auf unsere Patienten aufpassen müssen“, betont der Kardiologe.

Fast alle Probanden litten bereits an Vorhofflimmern

Die Wissenschaftler um Van Mieghem rekrutierten für ihre Studie an 173 Zentren in 14 Ländern in Europa, Amerika und Asien insgesamt 1.426 Probanden mit einem durchschnittlichen Alter von 82,1 Jahren. 47,5% der Teilnehmer waren Frauen. Fast alle Patienten (99%) litten schon vor der TAVI an Vorhofflimmern.

713 Patienten erhielten, angepasst an ihre Nierenfunktion und ihr Gewicht, einmal täglich entweder 60 oder 30 Milligramm Edoxaban. Den anderen 713 Probanden wurden VKA verabreicht, wobei das Dosierschema den jeweils ortsüblichen Gewohnheiten entsprach. Eine zusätzliche Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern war in beiden Studiengruppen nach Ermessen des behandelnden Arztes erlaubt.

Die Patienten wurden 3 Monate nach der Randomisierung und anschließend bis zu einem Zeitraum von 3 Jahren alle 6 Monate nachbeobachtet.

Als primärer Wirksamkeitsnachweis galt eine Zusammenstellung von unerwünschten Ereignissen, bestehend aus Tod durch beliebige Ursache, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall, systemischer Thromboembolie, Klappenthrombose und schweren Blutungen. Das primäre Sicherheitsmerkmal waren schwere Blutungen.

Unter Edoxaban traten weniger Schlaganfälle auf

Wie Van Mieghem und seine Kollegen berichten, betrugen die Raten des zusammengesetzten primären Wirksamkeitsergebnisses 17,3 pro 100 Personenjahre in der Edoxaban-Gruppe und 16,5 pro 100 Personenjahre in der VKA-Gruppe. Damit sei der Faktor-Xa-Hemmer den Vitamin-K-Antagonisten bei Patienten mit überwiegend prävalentem Vorhofflimmern nach einer erfolgreichen TAVI in seiner Wirksamkeit nicht unterlegen, schreiben die Forscher.

Noch besser schnitt Edoxaban ab, wenn das Team nur die Raten an Todesfällen beliebiger Ursache und Schlaganfällen betrachtete: Diese lagen bei 10,0 pro 100 Personenjahre in der Edoxaban-Gruppe und bei 11,7 pro 100 Personenjahre in der VKA-Gruppe.

Weniger gut waren die Ergebnisse des DOAK in der Sicherheitsprüfung. Die Raten schwerer Blutungen betrugen 9,7 pro 100 Personenjahre in der Edoxaban-Gruppe und 7,0 pro 100 Personenjahre in der VKA-Gruppe. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen beruhte hauptsächlich auf vermehrten gastrointestinalen Blutungen unter Edoxaban.

Die Ergebnisse ihrer Studie würden nur für ältere Patienten mit Vorhofflimmern, mittlerem Operationsrisiko und symptomatischer Aortenstenose nach einer erfolgreichen TAVI gelten, schreiben die Forscher um Van Mieghem. Sie seien möglicherweise nicht auf jüngere Patienten mit geringerem Operationsrisiko übertragbar und auch nicht auf solche mit asymptomatischer Aortenstenose oder auf Patienten, bei denen gleichzeitig eine perkutane Koronarintervention durchgeführt werde.

In beiden Gruppen gab es keine Thrombosen

„Für mich lautet das Fazit dieser Studie, dass man die untersuchte Patientengruppe durchaus mit Edoxaban behandeln kann, aber insbesondere bei einer Vorgeschichte mit gastrointestinalen Blutungen sehr vorsichtig sein sollte“, sagt der deutsche Kardiologe Zeiher. Zudem müsse man die Dosis des DOAK, so wie es auch in der Studie gemacht worden sei, an die Nierenfunktion der Patienten anpassen.

 
Für mich lautet das Fazit dieser Studie, dass man die untersuchte Patientengruppe durchaus mit Edoxaban behandeln kann, aber insbesondere bei einer Vorgeschichte mit gastrointestinalen Blutungen sehr vorsichtig sein sollte. Prof. Dr. Andreas Zeiher
 

Offen bleibe die Frage, warum es unter dem Faktor-Xa-Hemmer vermehrt zu Blutungen komme, selbst wenn man die Patienten nicht zusätzlich mit Plättchenaggregationshemmern behandele.

Erfreulich sei darüber hinaus zu sehen, dass in beiden Probandengruppen keine Thrombosen aufgetreten seien. „Das war in einer früheren Studie mit dem Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban anders“, sagt Zeiher. „Die Untersuchung wurde aus diesem Grund sogar vorzeitig abgebrochen.“

Ein wichtiger Vorteil der DOAK gegenüber den VKA besteht laut Zeiher nicht nur darin, dass sie als Tablette eingenommen werden können und ihre Wirkung im Körper zudem weniger engmaschig kontrolliert werden muss. „Da sie die Gerinnungsfaktoren im Blut direkt hemmen und nicht nur, wie es die VKA tun, deren Synthese in der Leber unterbinden, ist ihre Wirkung rund 36 Stunden nach dem Absetzen verschwunden“, erläutert der Kardiologe. „Und dann können bei den Patienten wieder alle, auch ungeplante Operationen oder kleinere Eingriffe vorgenommen werden.“
 

Kommentar

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