Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir von den Scientific Sessions der American Heart Association. Rund 100 Präsentationen befassten sich auf diesem großen virtuellen Kongress mit kardioonkologischen Fragestellungen. Hier eine kleine Auswahl, die auch aufzeigt, dass die Ergebnisse teilweise noch sehr widersprüchlich erscheinen, z.B. zu den kardiovaskulären Effekten der Immuncheckpoint-Inhibitoren.
Hämatologische Tumoren: Herzinfarkt mit höherer Sterblichkeit assoziiert
MGUS: Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
Metastasiertes Sarkom: Dexrazoxan upfront schützt vor schwerer Herzinsuffizienz
Immuncheckpoint-Inhibitoren und CAR-T-Zell-Therapie: Kardiovaskuläre Nebenwirkungen in der WHO-Datenbank
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Metaanalyse zeigt keine vermehrten kardiovaskulären Nebenwirkungen
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Bei Blutdruckanstieg besseres Gesamtüberleben
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Besseres Gesamtüberleben bei gleichzeitiger Behandlung mit RAAS-Inhibitoren
Hämatologische Tumoren: Herzinfarkt mit höherer Sterblichkeit assoziiert
Tritt bei Patienten mit einer hämatologischen Erkrankung ein Herzinfarkt auf, geht dieser mit einer höheren Sterblichkeit, höheren Hospitalisierungskosten und längerem Krankenhausaufenthalt einher als bei Patienten ohne hämatologische Erkrankung. Patienten mit myeloischer Leukämie wiesen die höchste Sterblichkeit auf. Dies fand eine amerikanische Arbeitsgruppe anhand einer Analyse von Daten aus der Nationwide Inpatient Sample Datenbank (P17-2021).
Bei den Patienten mit hämatologischen Tumoren betrug die Prävalenz eines NSTEMI 1,2%, eines STEMI 0,2%. NSTEMI und STEMI waren bei Patienten mit lymphatischer Leukämie (2,4% bzw. 0,25%) am häufigsten.
Sterblichkeit (16,8% vs. 8,8%), Kosten für den Krankenhausaufenthalt (25.469 US-$ vs. 20.534 US-$) sowie Dauer der Hospitalisierung (8,3 Tage vs. 6,3 Tage) waren bei Herzinfarkt-Patienten mit hämatologischen Krebserkrankungen im Vergleich zu Patienten ohne Krebserkrankungen höher bzw. länger.
Die höchste Sterblichkeit durch einen Herzinfarkt wurde bei Patienten mit myeloischer Leukämie (23%) festgestellt, gefolgt von Patienten mit multiplem Myelom (17,9%), lymphatischer Leukämie (15,9%) und Lymphom (14,4 %).
MGUS: Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
Eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) ist mit einem erhöhten Risiko für verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert (P414-2021). Das Risiko für Erkrankungen mit infiltrativem Charakter wie Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie, Aortenklappenerkrankung, Vorhofflimmern und Erregungsleitungsstörungen war höher als für atherosklerotische und thrombotische Erkrankungen.
Eine internationale Arbeitsgruppe analysierte im nationalen Dänischen Patientenregister zwischen 1995 und 2018 alle Patienten mit MGUS (n = 8.291) und verglich sie mit bis zu je 10 gematchten Kontrollen (n = 80.653). Sie waren mit Mittel 69,9 Jahre alt, 51,3% waren Männer. 13,2% litten an einem Typ-2-Diabetes, 48,9% an Hypertonie.
Nach multivariabler Analyse ergab sich für die MGUS-Patienten ein höheres Risiko für die Entwicklung vieler kardiovaskulärer Erkrankungen, z.B. Herzinsuffizienz (Hazard Rate: 1,65), Vorhofflimmern (HR: 1,47), akuter Myokardinfarkt (HR: 1,24), Schlaganfall (HR: 1,25), Aortenaneurysma (HR: 1,49), Aortenstenose (HR: 1,72), Aorteninsuffizienz (HR: 1,70), Perikarditis (HR: 1,62), periphere arterielle Verschlusskrankheit (HR: 1,86), Cor pulmonale (HR: 2,32), venöse Thromboembolie (HR: 1,29) und Implantation eines Herzschrittmachers oder Defibrillators (HR: 1,34). Weitere Studien sind erforderlich, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen.
Metastasiertes Sarkom: Dexrazoxan upfront schützt vor schwerer Herzinsuffizienz
Die Gabe von Dexrazoxan upfront schützte Patienten mit metastasiertem oder nicht resektablem Weichgewebesarkom vor der Entwicklung einer schweren Herzinsuffizienz durch die Behandlung mit Doxorubicin (P396-2021). Das progressionsfreie Überleben wurde durch das Zytoprotektivum nicht verschlechtert.
Eine amerikanische Arbeitsgruppe behandelte 62 Sarkom-Patienten vor der hoch dosierten Doxorubicin-Therapie mit Dexrazoxan und beobachtete sie über mindestens 1 Jahr. Die mediane Dosis von Doxorubicin betrug 413 mg/m² mit einem Maximum von 3.675 mg/m².
Das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde durch die kardioprotektiv wirkende Substanz nicht verschlechtert, es lag bei 5,5 Monaten im Median. Bei historischen Kontrollen betrug das PFS 4,6 Monate. Bei keinem Patienten sank die linksventrikuläre Auswurffraktion auf unter 40%. Kein Patient musste wegen kardialen Problemen hospitalisiert werden.
Immuncheckpoint-Inhibitoren und CAR-T-Zell-Therapie: Kardiovaskuläre Nebenwirkungen in der WHO-Datenbank
Nach aktuellen Vigibase-Daten, der globalen Datenbank der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, sind bislang rund 6.000 kardiovaskuläre Nebenwirkungen durch Immuncheckpoint-Inhibitoren und 500 durch CAR-T-Zell-Therapien gemeldet worden (VMP74-2021).
Für Immuncheckpoint-Inhibitoren sind vor allem Myokarditis (1.291), Vorhofflimmern (931), Herzinsuffizienz (845), Myokardinfarkt (506) und Perikarditis/Perikarderguss (254/617) berichtet worden.
Bei CAR-T-Zell-Therapien waren es Tachykardien (194), Vorhofflimmern (65), Herzstillstand (37) und kardiorenale Ereignisse (29).
Immuncheckpoint-Inhibitoren waren vor allem mit inflammatorischen kardialen Nebenwirkungen assoziiert, die vermutlich mit Autoimmunmechanismen zusammenhängen. Bei CAR-T-Zell-Therapien kam es vorwiegend zu Nebenwirkungen, die auf die akute Zytokinfreisetzung zurückzuführen waren.
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Metaanalyse zeigt keine vermehrten kardiovaskulären Nebenwirkungen
Die Metaanalyse einer Arbeitsgruppe aus Chicago ergab anhand der Daten aus 20 Studien mit 13.525 Patienten, dass eine Mono- oder Kombinationstherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren keine signifikanten kardiovaskulären Effekte im Vergleich zu Placebo oder Standardtherapie hat (VMP72-2021).
Die Autoren durchsuchten übliche Datenbanken nach randomisierten klinischen Phase-2- und -3-Studien, die über unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse mit Immuncheckpoint-Inhibitoren in Kombinations- oder Monotherapie (experimenteller Arm) und Placebo oder Standard-Chemotherapie (Kontrollarm) berichteten.
Primärer Endpunkt der Analyse war die kumulative Inzidenz kardiovaskulärer Nebenwirkungen, sekundäre Endpunkte waren die Inzidenz von Hypertonie, Myokardinfarkt, Myokarditis und Perikarderguss.
In 20 Studien wurden 13.525 Patienten mit kleinzelligem und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, Nierenzellkarzinom, Kopf-Hals-Tumoren, Kolorektal- und Prostatakarzinom, Melanom, multiplem Myelom und Mesotheliom behandelt.
7.434 Patienten (54,96 %) erhielten einen Immuncheckpoint-Inhibitor, 6.091 (45,04 %) waren im Kontrollarm.
Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der kardiovaskulären Toxizität zwischen der Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren, Placebo oder Standardtherapie (Odds Ratio: 0,953).
Auch die Häufigkeit von Hypertonie, Perikarderguss, Herzinfarkt und Myokarditis unterschied sich nicht zwischen den Gruppen.
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Bei Blutdruckanstieg besseres Gesamtüberleben
Nach Beginn einer Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren kommt es zu einem Abfall des systolischen Blutdrucks um 2,9 mmHg und des diastolischen Blutdrucks um 1,6 mmHg. Ein Anstieg des systolischen Blutdrucks ≥ 20 mmHg war mit einem besseren Gesamtüberleben (HR: 0,74) assoziiert, im Vergleich zu keiner oder einer geringen Blutdruckerhöhung. Dies ergab eine retrospektive Studie an der Harvard Medical School in Boston (USA) (VMP71-2021).
Die Arbeitsgruppe aus Boston und Stralsund analysierte die Daten von 8.724 Patienten, die mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor behandelt worden waren. Häufigste behandelte Tumoren waren mit 29,5% ein Lungenkarzinom und mit 16,7% ein Melanom. Zu Beginn der Behandlung wiesen 4.812 Patienten (55,2%) einen erhöhten Blutdruck auf. Im Mittel lag der Blutdruck bei Therapiebeginn bei 128,3 ± 18,1/72,5 ± 10,1 mmHg.
Nach Therapiebeginn fiel der systolische Blutdruck um 2,9 mmHg, der diastolische Blutdruck um 1,6 mmHg (p < 0,001 für beide Werte). Die blutdrucksenkende Wirkung der Immuncheckpoint-Inhibitoren war unabhängig von ihren Nebenwirkungen.
Nach Meinung der Autoren weisen die Daten darauf hin, dass die in anderen Untersuchungen beobachtete Zunahme atherosklerotischer kardiovaskulärer Ereignisse unter Immuncheckpoint-Inhibitoren vermutlich unabhängig von ihrem Effekt auf den Blutdruck ist. Die Befunde müssten jedoch in prospektiven Studien bestätigt werden.
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Besseres Gesamtüberleben bei gleichzeitiger Behandlung mit RAAS-Inhibitoren
Eine gleichzeitige Behandlung mit einem RAAS-Inhibitor ist bei Patienten unter Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie mit einem längeren Überleben assoziiert (P398-2021).
Von 10.903 Patienten, die mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor behandelt wurden, nahmen 5.910 blutdrucksenkende Medikamente ein, und zwar 3.426 einen RAAS-Inhibitor und 2.484 andere Blutdrucksenker.
Rund 3 Viertel der Patienten wurden mit einem PD1-Inhibitor behandelt. Brustkrebs (34%) und Melanom (16%) waren die häufigsten behandelten Tumoren. RAAS-Hemmer nahmen eher ältere und männliche Patienten und Patienten mit mehr kardiovaskulären Risikofaktoren. Primärer Endpunkt der retrospektiven Analyse war das Gesamtüberleben in der gesamten Kohorte und in Untergruppen nach Krebserkrankung.
In einem Cox-Proportional-Hazard-Modell war die gleichzeitige Anwendung von RAAS-Inhibitoren mit einem besseren Gesamtüberleben assoziiert (HR: 0,92; p = 0,032). Bei Patienten mit gastrointestinalen Karzinomen (HR: 0,82; p = 0,057) und mit Urogenitalkrebs (HR: 0,81; p = 0,067) zeigte sich ein Trend zu besserem Überleben. Zwischen ACE- und RAS-Inhibitoren zeigte sich kein Unterschied in der Wirkung auf das Gesamtüberleben.
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Diesen Artikel so zitieren: Kardiologische Probleme bei Krebspatienten: Höhere Sterblichkeit bei Infarkt und Co, kardiotoxische Therapie-Wirkungen - Medscape - 23. Nov 2021.
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