EMA: Grünes Licht für Antikörper als Schutz vor schwerem Verlauf von COVID-19, für Migräne-Therapie und eine Abnehm-Spritze

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

12. November 2021

Bei seiner Sitzung im November hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) 11 Arzneimittel zur Zulassung empfohlen, darunter 4 Orphan Drugs und ein Generikum [1].

Neue Biologicals: Weniger Hospitalisierung, weniger Todesfälle durch COVID-19

Der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel hat die Zulassung von Ronapreve® (Casirivimab/Imdevimab) und Regkirona® (Regdanvimab) bei COVID-19 empfohlen.

Ronapreve® ist zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren und einem Gewicht von mindestens 40 Kilogramm, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass ihre Krankheit schwerwiegend wird, vorgesehen. Das Biologikum kann auch zur Vorbeugung von COVID-19 bei Personen ab 12 Jahren und einem Gewicht von mindestens 40 Kilogramm eingesetzt werden.

Für Regkirona® empfahl der Ausschuss die Zulassung zur Behandlung von Erwachsenen mit COVID-19, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und bei denen außerdem ein erhöhtes Risiko besteht, dass ihre Krankheit einen schweren Verlauf nimmt.

Das jetzt veröffentlichte Resultat basiere auf Studien, „die zeigen, dass die Behandlung mit Ronapreve oder Regkirona die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle bei COVID-19-Patienten mit dem Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung deutlich verringert“, so die EMA.  Eine weitere Studie habe ergeben, dass Ronapreve die Wahrscheinlichkeit verringere, an COVID-19 zu erkranken, wenn ein Haushaltsmitglied mit SARS-CoV-2, dem Virus, das COVID-19 verursacht, infiziert sei.

Das Sicherheitsprofil beider Arzneimittel war mit einer geringen Zahl von infusionsbedingten Reaktionen günstig und der CHMP kam zu dem Schluss, dass der Nutzen der Arzneimittel für die zugelassenen Anwendungen größer ist als ihre Risiken.

Eine Hauptstudie zu Ronapreve®, an der Patienten mit COVID-19 teilnahmen, die keinen Sauerstoff benötigten und bei denen ein erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung bestand, zeigte, dass die Behandlung mit dem Biologikum im Vergleich zu Placebo zu weniger Krankenhaus-Aufenthalten oder Todesfällen führte.

Insgesamt wurden 0,9% der mit Ronapreve® behandelten Patienten (11 von 1.192 Patienten) innerhalb von 29 Tagen nach der Behandlung in ein Krankenhaus eingewiesen oder starben, verglichen mit 3,4% im Placebo-Arm (40 von 1.193 Patienten).

In einer weiteren Hauptstudie wurde der Nutzen von Ronapreve® zur Prävention von COVID-19 bei Personen untersucht, die engen Kontakt zu einem infizierten Haushaltsmitglied hatten, aber keine COVID-19-Symptome aufwiesen. Unter Verum entwickelten 29% (29 von 100) der positiv getesteten Personen innerhalb von 14 Tagen nach ihrem Testergebnis Symptome, verglichen mit 42,3% (44 von 104 Personen) der Personen, die ein Placebo erhielten.

Eine Hauptstudie bei Patienten mit COVID-19 zeigte, dass die Behandlung mit Regkirona® im Vergleich zu Placebo dazu führte, dass weniger Patienten einen Krankenhaus-Aufenthalt oder eine Sauerstofftherapie benötigten oder starben. Von den Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf wurden 3,1% der mit Regkirona behandelten Patienten (14 von 446) innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung ins Krankenhaus eingewiesen, benötigten zusätzlichen Sauerstoff oder starben, verglichen mit 11,1% der Patienten, die ein Placebo erhielten (48 von 434).

Wegovy® (Semaglutid) zur Regulierung des Körpergewichts

Wegovy® (Semaglutid) erhielt ein positives Gutachten zur Gewichtsregulierung bei Menschen mit Adipositas oder Übergewicht und anderen damit verbundenen Erkrankungen.

Semaglutid, ein Glucagon-like Peptide-1(GLP-1)-Analogon, ist die aktive Komponente. Der Mechanismus, durch den die Behandlung mit Semaglutid zu einer Gewichtsabnahme führt, ist noch nicht vollständig geklärt, aber neben anderen Funktionen scheint GLP-1 den Appetit zu regulieren, indem es das Sättigungs- und Völlegefühl steigert, während es das Hungergefühl verringert und die Energieaufnahme reduziert.

Als Vorteil nennt die EMA eine klinisch relevante Wirkung auf die Gewichtsabnahme, wenn es in Kombination mit einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zur Gewichtskontrolle bei Menschen mit Fettleibigkeit oder Übergewicht bei Vorliegen anderer damit verbundener Erkrankungen eingesetzt wird. Die häufigsten Nebenwirkungen sind gastrointestinale Nebenwirkungen, einschließlich Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen.

Tavneos® (Avacopan) bei Granulomatose

Tavneos® (Avacopan) erhielt ein positives Gutachten für die Behandlung erwachsener Patienten mit schwerer, aktiver Granulomatose mit Polyangiitis oder mikroskopischer Polyangiitis, einer seltenen Form der Entzündung der Blutgefäße.

Tavneos® ist das erste Medikament seiner Klasse zur Behandlung von erwachsenen Patienten, die an 2 Formen einer seltenen Multisystem-Autoimmunerkrankung leiden. Bei der Granulomatose mit Polyangiitis und der mikroskopischen Polyangiitis handelt es sich um Formen einer Autoimmunerkrankung, die als anti-neutrophile zytoplasmatische Autoantikörper (ANCA) assoziierte Vaskulitis bezeichnet wird und bei der das Immunsystem kleine bis mittlere Blutgefäße im Körper angreift.

Tavneos soll in Kombination mit Rituximab oder Cyclophosphamid eingesetzt werden - zwei Medikamenten, die zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen und Krebsarten verwendet werden.

ANCA-assoziierte Vaskulitis kann im ganzen Körper auftreten, am häufigsten haben Patienten jedoch Symptome im Bereich der Atemwege und der Nieren. Die Empfehlung für die Zulassung von Tavneos® wird Patienten eine zusätzliche Behandlung für schwere, aktive Formen einer Krankheit bieten, für die es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Der Ausschuss stützte seine Empfehlung für die Zulassung auf Daten einer klinischen Phase-3-Studie. Untersucht wurden die Sicherheit und Wirksamkeit bei insgesamt 331 Patienten, die ein Jahr lang behandelt wurden. Avacopan wurde als Kombinationsbehandlung mit Cyclophosphamid, gefolgt von einer Kombination von Avacopan mit Azathioprin oder Mycophenolat, oder in Kombination mit Rituximab, gefolgt von einer Avacopan-Monotherapie und mit Glukokortikoiden nach Bedarf eingesetzt. Die Studie ergab einen höheren Prozentsatz an anhaltenden Remissionen nach 52 Wochen im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen, die in den klinischen Studien mit Tavneos registriert wurden, gehörten Infektionen der oberen Atemwege, Halsschmerzen und entzündete Nasenschleimhäute, Kopfschmerzen, Übelkeit und Diarrhöe.

Lonapegsomatropin Ascendis Pharma® (Lonapegsomatropin) bei Wachstumshormonmangel

Eine positive Stellungnahme wurde für Lonapegsomatropin Ascendis Pharma® (Lonapegsomatropin) zur Behandlung von Wachstumshormonmangel bei Jugendlichen und Kindern über 3 Jahren abgegeben.

Lonapegsomatropin, ein lang wirksames, einmal wöchentlich transient gegebenes pegyliertes Somatropin, wird im Körper in Somatropin und den Trägerstoff Methoxypolyethylenglykol (mPEG) dissoziiert.

Vorteile von Lonapegsomatropin Ascendis Pharma® sind konsistente, klinisch relevante Verbesserungen wachstumsbezogener Parameter, wie z.B. die annualisierte Geschwindigkeit der Körpergröße, die Standardabweichung der Körpergröße (Height SDS) und der Insulin-ähnliche Wachstumsfaktor-1 SDS (IGF-I SDS), bei pädiatrischen Patienten.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Arthralgie, sekundäre Hypothyreose und Reaktionen an der Injektionsstelle.

Lumykras® (Sotorasib) beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom

Der Ausschuss empfahl die Erteilung einer bedingten Zulassung für Lumykras® (Sotorasib) zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom bei Patienten mit einer spezifischen Mutation, G12C, im KRAS-Protein.

Sotorasib, ein KRAS G12C-Inhibitor (Kirsten rat sarcoma viral oncogene homolog), bindet kovalent und irreversibel an das einzigartige Cystein von KRAS G12C. Die Inaktivierung von KRAS G12C durch Sotorasib blockiert die Signalübertragung und das Überleben von Tumorzellen, hemmt das Zellwachstum und fördert die Apoptose selektiv in Tumoren mit KRAS G12C.

Die Vorteile von Lumykras® sind die objektive Ansprechrate und die Dauer des Ansprechens bei Patienten mit KRAS G12C-mutiertem NSCLC, bei denen die Krankheit nach einer früheren Therapie fortgeschritten war. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit, erhöhte Aspartat-Aminotransferase und Gelenkschmerzen.

Tecovirimat SIGA® (Tecovirimat) zur Behandlung bei Orthopoxvirus-Infektionen

Für Tecovirimat SIGA® (Tecovirimat) zur Behandlung von Orthopoxvirus-Infektionen wurde eine Empfehlung für eine Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen angenommen.

Tecovirimat, ein synthetisches antivirales Molekül, hemmt die Aktivität des peripheren Membranproteins (VP37) des Orthopoxvirus, das für die Produktion der extrazellulären Formen des Virus erforderlich ist.

Der Nutzen beim Menschen wurde aus Studien abgeleitet, die zeigten, dass es das Überleben von Tieren mit tödlichem Ausgang verbessert. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Übelkeit.

Uplizna® (Inebilizumab) bei Neuromyelitis optica

Der CHMP gab ein positives Gutachten zur Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Uplizna® (Inebilizumab) für die Behandlung erwachsener Patienten mit Neuromyelitis-optica-Spektrum-Störungen ab.

Inebilizumab, ein Immunsuppressivum, bindet an das B-Zell-spezifische Oberflächenantigen CD19, was zu einer tiefgreifenden Veränderung der B-Zellen führt, von denen angenommen wird, dass sie eine zentrale Rolle in der Pathogenese der NMOSD spielen.

Der Nutzen von Uplizna® besteht in einem verringerten Risiko von Anfällen bei seropositiven NMOSD mit AQP4-IgG. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Harnwegsinfektionen, Gelenkschmerzen und eine Verringerung des Immunglobulinspiegels.

Voraxaze® (Glucarpidase) zur Methotrexat-Eliminierung

Voraxaze® (Glucarpidase) zur Senkung der toxischen Plasmakonzentration von Methotrexat bei Erwachsenen und Kindern mit verzögerter Methotrexat-Eliminierung oder mit dem Risiko einer Methotrexat-Toxizität erhielt vom Ausschuss eine Empfehlung für eine Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen.

Bei der Glucarpidase handelt es sich um ein Entgiftungsmittel zur antineoplastischen Behandlung, das Methotrexat in seine inaktiven Metaboliten DAMPA und Glutamat umwandelt.

Patienten profitieren von einer klinisch bedeutsamen Verringerung der Methotrexat-Konzentration bei mindestens 62% der behandelten Patienten, wobei die Methotrexat-Konzentration im Median innerhalb von 15 Minuten nach der Verabreichung von Glucarpidase um mehr als 98% gesenkt wird, wie in vier offenen Multicenterstudien zur Mitwirkung beobachtet wurde. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Brennen, Kopfschmerzen, Parästhesien, Rötungen und Hitzegefühl.

Vyepti® (Eptinezumab) zur Migräneprophylaxe

Der Ausschuss gab eine positive Stellungnahme zu Vyepti® (Eptinezumab) zur Migräneprophylaxe bei erwachsenen Patienten ab, die mindestens vier Migränetage pro Monat haben. Eptinezumab, ein Analgetikum, verhindert die Aktivierung der CGRP-Rezeptoren.

Seine Wirkung besteht in einer Verringerung der monatlichen Migränetage. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Nasopharyngitis und Überempfindlichkeit.

Erhaltungstherapie bei COPD

Der CHMP gab eine positive Stellungnahme zu einem Antrag auf Einwilligung nach Aufklärung für die Erhaltungstherapie der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung bei Erwachsenen ab, deren Erkrankung mit anderen Arzneimitteln nicht ausreichend kontrolliert wird: Riltrava Aerosphere® (Formoterolfumarat-Dihydrat / Glycopyrronium / Budesonid).

Bei einem Antrag auf Erteilung der Zustimmung nach Inkenntnissetzung werden Daten aus dem Dossier eines bereits zugelassenen Arzneimittels verwendet, wobei der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels seine Zustimmung zur Verwendung seiner Daten in dem Antrag erteilt.

Negatives Votum für Ipique® (Bevacizumab) bei AMD

Negativ bewertet wurde der Zulassungsantrag von Ipique® (Bevacizumab). Das Arzneimittel war für die Behandlung der neovaskulären (feuchten) altersbedingten Makuladegeneration bestimmt.

Die EMA hatte Bedenken, dass sich die Literaturübersicht nur auf Daten stützte, die mit anderen Bevacizumab-haltigen Arzneimitteln gewonnen wurden und dass keine Belege für einen Vergleich von Ipique® mit einem anderen Bevacizumab-Arzneimittel bei intravitrealer Anwendung vorgelegt worden waren. Daher war die Agentur nicht in der Lage, Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, ob bekannte oder unbekannte Unterschiede zwischen Ipique® und diesen Arzneimitteln die Wirksamkeit und Sicherheit von Ipique bei der Behandlung von AMD beeinflussen könnten.

Da die Sicherheit und Wirksamkeit nicht ordnungsgemäß nachgewiesen worden war, vertrat die Agentur die Auffassung, dass die Risiken von Ipique® seinen Nutzen überwiegen, und empfahl die Zulassung zu verweigern.

 

Kommentar

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