Essen für die Seele: Studie analysiert, welche Nahrungsmittel die Psyche von Schulkindern und Jugendlichen stärken

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

11. November 2021

Gesundes Frühstück und Mittagessen stärken nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche von Heranwachsenden. Das zeigt eine große englische Beobachtungsstudie unter Schulkindern.

In der Studie fühlten sich Kinder, die ein gesundes Frühstück und ein nahrhaftes Mittagessen hatten, psychisch deutlich stabiler als Kinder, die morgens und mittags nichts, lediglich ein Getränk oder nur einen Snack zu sich nahmen. Unter Kindern an weiterführenden Schulen wirkte sich zudem der Verzehr von Obst und Gemüse positiv auf das geistige Wohlbefinden aus.

Gesunde Ernährung steigert Wohlbefinden

„Diese Querschnittsstudie aus Ostengland bestätigt erneut, dass es einen Zusammenhang zwischen der Ernährung von Schulkindern und ihrem Wohlbefinden gibt“, kommentiert Prof. Dr. Hans Hauner, Leiter des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München, gegenüber Medscape.

 
Diese Querschnittsstudie aus Ostengland bestätigt erneut, dass es einen Zusammenhang zwischen der Ernährung von Schulkindern und ihrem Wohlbefinden gibt. Prof. Dr. Hans Hauner
 

In ähnlichen Studien, so Hauner, wurde bereits der Zusammenhang zwischen Ernährung, insbesondere Frühstück, und Parametern wie Sozialverhalten oder schulischen Leistungen untersucht. „Dabei fanden sich in unterschiedlichem Ausmaß Hinweise, dass eine schlechte Ernährung oder kein Frühstück ungünstige Auswirkungen haben.“

„Unsere Studie ergänzt, dass die Ernährung auch für das geistige Wohlbefinden von Kindern eine äußerst wichtige Rolle spielt“, bemerkte das britische Autorenteam um Dr. Richard Hayhoe, Norwich Medical School, University of East Anglia, Norwich, UK.

 
Unsere Studie ergänzt, dass die Ernährung auch für das geistige Wohlbefinden von Kindern eine äußerst wichtige Rolle spielt. Dr. Richard Hayhoe und Kollegen
 

Befragungen deuten an, dass psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger auftreten. Nicht selten tragen junge Menschen diese Belastungen bis in ihr Erwachsenenleben, so die Autoren. Da es sich bei Ernährung um einen beeinflussbaren Faktor handle, sollte in Maßnahmen, die auf die psychische Gesundheit von Kindern abzielen, auch gesunde Ernährung berücksichtigt werden, lautet ihre Forderung.

Ernährung und Psyche bislang wenig im Fokus

Um mehr über den Zusammenhang zwischen Ernährung und mentaler Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen zu erfahren, haben die Autoren eine Umfrage unter Kindern an mehr als 50 Grund- und weiterführenden Schulen in Norfolk im Osten von England durchgeführt. Insgesamt haben Hayhoe und seine Kollegen Daten von 7.570 Kindern und Jugendlichen von weiterführenden Schulen sowie 1.253 Grundschülern in ihre Berechnungen einbezogen.

In der Studie „The Norfolk Children and Young People Health and Wellbeing Survey“ haben die Schüler Fragen zum Obst- und Gemüsekonsum sowie zur Art ihres Frühstücks und Mittagessens beantwortet. Gleichzeitig wurden zahlreiche weitere Faktoren abgefragt, die das psychische Wohlbefinden beeinflussen können, wie das Sicherheitsgefühl in der Schule und zuhause. Ihr mentaler Gesundheitszustand wurde mittels standardisierter Fragebögen für die jeweilige Altersklasse ermittelt.

Ein Fünftel der Kinder geht ohne Frühstück zur Schule

Die Frühstücks- und Mittagessens-Gewohnheiten der englischen Schulkinder gestalteten sich unterschiedlich – rund ein Fünftel der Kinder auf weiterführenden Schulen nahm morgens vor dem Unterricht lediglich ein Getränk zu sich oder frühstückte gar nicht; unter Grundschülern war es ein Achtel. Diese Schüler hatten deutlich schlechtere Werte bei den Tests zur psychischen Gesundheit als Kinder, die normal frühstückten.

Gleiches galt für die 11% der Kinder und Jugendlichen an weiterführenden Schulen, die nichts zu Mittag aßen, im Vergleich zu denen, die ihr Mittagessen von zu Hause mitbrachten oder ein Schulessen bekamen.

Obstverzehr ist gut für die Psyche

Der in England genau wie in Deutschland geltenden „5 am Tag“-Regel für den Verzehr von Obst und Gemüse folgte nur einer von 4 befragten Schülern. Einer von 10 Befragten gab an, gar kein Obst oder Gemüse zu essen.

Kinder, die täglich mindestens 5 Portionen Obst und Gemüse verzehrten, hatten deutlich bessere Mental-Scores als Kinder, bei denen Obst und Gemüse nur sehr selten oder gar nie auf dem Speiseplan stand. Der Unterschied war in etwa vergleichbar mit dem zwischen Kindern, die zuhause fast täglich Gewalt oder Streit erlebten und denen ohne diese Erfahrungen, berichteten die Autoren.

Beim Obst- und Gemüsekonsum galt: Je Obst- und Gemüse-reicher die Ernährung, desto besser war es um die mentale Gesundheit der Kinder auf weiterführenden Schulen bestellt.

„Obwohl es sich lediglich um eine Querschnittsstudie handelt, die nur Assoziationen und keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen zeigen kann, liefert diese Studie einen erneuten Beleg für einen Zusammenhang zwischen Ernährungsweise bzw. -qualität und seelischem Befinden“, bilanziert Hauner.

 
Gerade für Kinder ist eine ausgewogene und regelmäßige Ernährung wichtig, weil sie im Wachstum sind und nicht nur Energie, sondern auch ein breites Nährstoffportfolio benötigen. Prof. Dr. Hans Hauner
 

„Gerade für Kinder ist eine ausgewogene und regelmäßige Ernährung wichtig, weil sie im Wachstum sind und nicht nur Energie, sondern auch ein breites Nährstoffportfolio benötigen“, so Hauner weiter. „Zudem haben sie geringe Glykogenreserven und sind auf regelmäßige Zufuhr von Kohlenhydraten angewiesen, um körperlich leistungsfähig zu sein und sich konzentrieren zu können.“

„Das ist die erste Studie, die zeigt, wie Obst und Gemüse die geistige Gesundheit beeinflussen, und die zu neuesten Belegen rund um ‚food and mood‘ beiträgt“, kommentierte Prof. Dr. Sumantra Ray, Leiter des NNEdPro Global Centre for Nutrition and Health, Cambridge, UK.

Die Erkenntnisse kämen genau zur rechten Zeit, auch angesichts der Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern sowie die Ernährungssicherheit und -qualität. „Die Studie könnte sowohl weitere Forschungsprojekte zu Ernährung und psychischem Wohlbefinden als auch Maßnahmen im öffentlichen Gesundheitswesen anstoßen.“

Schulkinder in Deutschland ernähren sich ähnlich schlecht

Die Situation in Deutschland gestalte sich ähnlich, sagt Hauner. Erhebungen zeigen, dass viele Kinder kein Frühstück erhalten, sich eher unausgewogen ernähren und häufig gezuckerte Getränke verzehren. „Dieses Verhalten hängt – in England wie hierzulande – eng mit der Bildung und dem Sozialstatus des Elternhauses zusammen“, so Hauners Erfahrung.

 
Das Ernährungsverhalten von Schulkindern entspricht bei weitem nicht den Empfehlungen, ist aber sehr stark sozialschichtabhängig, ohne dass die politischen Entscheidungsträger darauf reagiert hätten. Prof. Dr. Hans Hauner
 

Die KiGGS-Analysen haben immer wieder gezeigt (KiGGS: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland): „Das Ernährungsverhalten von Schulkindern entspricht bei weitem nicht den Empfehlungen, ist aber sehr stark sozialschichtabhängig, ohne dass die politischen Entscheidungsträger darauf reagiert hätten“, kritisiert der Ernährungsexperte.

Systematische Studien fehlen

Schon lange werde das Thema Ernährung bei Kindern und dessen Auswirkungen diskutiert, jedoch bislang nicht systematisch erörtert und verbessert, etwa durch staatliche Maßnahmen.

„Letzten Endes müssten Schulen insbesondere für hilfsbedürftige Familien kostenlose Essensangebote bereitstellen“, fordert Hauner. „Wir sind über einzelne, meist zeitlich begrenzte Modellprojekte nicht hinausgekommen, obwohl selbst die EU dafür immer wieder Hilfsmittel bereitgestellt hat, zuletzt, um Obst in Schulen kostenlos bereitzustellen.“

Solche Projekte, sagt Hauner, bieten eine Möglichkeit „die lebenslange Ernährung junger Menschen auf das richtige Gleis zusetzen. Somit bleiben wertvolle Chancen – aus Kostengründen – ungenutzt.“
 

Kommentar

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