Egal ob medizinischer Nachwuchs, Medizinisches Versorgungszentrum oder Investor, bei der Praxisabgabe sollten sich Niedergelassene frühzeitig um eine passende Lösung bemühen. Denn so sichern sie sich viele Vorteile, erklärt Hans-Joachim A. Schade, Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator von der Rechtsanwaltskanzlei „Broglie, Schade & Partner“.
Nachfolgeregelung mit Vorteilen für alle Seiten
In den nächsten 10 Jahren werden viele Haus- und Facharztpraxen auf den Markt kommen. Denn die Generation „Baby-Boomer“ verabschiedet sich in diesem Zeitraum in den Ruhestand.

Hans-Joachim A. Schade
Dem wachsenden Markt an abzugebenden Praxen steht eine sinkende Zahl von selbstständigen Ärzten und Ärztinnen als Käufer gegenüber. Denn fast 50% des medizinischen Nachwuchses suchen eine Anstellung ohne Führungsverantwortung.
Dabei liegen die Vorteile einer frühen Regelung bei der Praxisabgabe für beide Seiten klar auf der Hand. Arbeiten Praxisabgebende weiter mit, freuen sich die jeweiligen Übernehmer, weil sie so die Rentabilität sichern können. Gleichzeitig können Praxisabgebende nun ohne unternehmerisches Risiko weiterarbeiten und verdienen.
Mögliche Käufer und ihre Intentionen
Weil die Praxisübergabe an Kollegen nicht immer gelingt, lohnt der frühzeitige Blick auf mögliche weitere Kaufinteressierte. In die Nachfragelücke springen beispielsweise Kapitalinvestoren und kommunale/freigemeinnützige Träger von Krankenhäusern.
So gibt es private Klinikgruppen, wie z.B. Helios aus der Fresenius Medical Gruppe, Asklepios und die Sana-Gruppe, die den deutschen privaten Krankenversicherern gehört. Ferner gibt es Investoren mit Schwerpunkten im ambulanten Bereich, wie z.B. Laborarztketten, Dialyse-Gruppen, und eine Nachfrage im Bereich Röntgen und im operierenden Augenarztbereich. Bei diesen steht die Steigerung des Börsenwertes im Mittelpunkt. Voraussetzung ist eine stabile Rentabilität der Praxis.
Immer mehr Landkreise und Kommunen sind am Kauf interessiert
Kommunale Institutionen investieren ebenfalls in Praxen, häufig in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Dahinter steht der Wunsch, die regionale Gesundheits- und Daseinsvorsorge zu sichern.
Denn ohne wohnortnahe medizinische Versorgung kommt die regionale Wirtschaft mangels Fachkräftezuzug ins Stocken. Deshalb spielen die Verantwortlichen in Landratsamt und Rathaus eine immer größere Rolle als Zielgruppe für den Kauf.
Übernahme: Eine Frage des Managements und stabiler Umsätze
Etablierte Praxen wagen oft keine Expansion mehr. Sie sehen sich mit Digitalisierung, Delegation und Nachwuchsmangel konfrontiert. Hinzu kommt: Erfahrene Fachkräfte für die betriebswirtschaftlichen Aufgaben im ambulanten Bereich, die hier unterstützen könnten, sind Mangelware.
Deshalb ist es für alle Käufergruppen oft so wichtig, sich für längere Zeit die medizinische und Organisationskompetenz von Praxisabgebenden sichern zu können. Und damit rückt neben der Kaufpreisverhandlung auch Inhalt und Dauer einer Weiterbeschäftigung von Praxisabgebenden in den Mittelpunkt der Übernahmegespräche.
Und auch für Investoren und Investorinnen und kommunale Institutionen ist dieser Aspekt bei der Übernahme von Bedeutung. Binden sie so doch langfristig die umfassende Erfahrung und die medizinische Kompetenz.
Praxis früher abgeben? Wann es sich lohnt und wann nicht
Eines wird deutlich: Es kann sich lohnen, mit der Nachfolgeregelung nicht zu warten, bis man Mitte 60 ist, sondern stattdessen mit Mitte 55 bis 60 Jahren den Praxisverkauf zu organisieren. Dabei gilt es abzuwägen:
Solange potenzielle Abgebende weiter wie Selbstständige arbeiten, werden auch Käufer und Käuferinnen bereit sein, den bisherigen Gewinn zu gewährleisten. So sparen sie sich kurzfristig die Nachwuchssuche und die Kosten für eine betriebswirtschaftliche Geschäftsführung.
Anders ist die Situation, wenn Abgebende über eine kurze Zeit beschäftigt werden sollen, weil bereits neue Ärzte und Ärztinnen und eine erfahrende betriebswirtschaftliche Führungskraft gesucht werden. Denn das mindert in vielen Fällen automatisch den Kaufpreis.
Dieser Artikel ist im Original am 5. Juli 2021 erschienen auf Coliquio.de .
Dialoge mit Patienten führen
Früher durften Ärzte Fehler gegenüber Behandelten nicht eingestehen. Sie liefen Gefahr, ihren Versicherungsschutz zu verlieren. Das ist zum Glück heute nicht mehr der Fall.
Behandler dürfen und sollten geschädigte Patienten bzw. deren Angehörige wahrheitsgemäß über alle Tatsachen der Behandlung aufklären. Erfahrungsgemäß wünschen sich die meisten Betroffenen vor allem eine Entschuldigung. Vermeiden sollten Ärzte im Gespräch und in der übrigen Kommunikation mit Patienten deren Rechtsvertretern, die Schuld anzuerkennen.
5 Tipps für das Gespräch nach dem Fehler
Nehmen Sie sich für das Gespräch Zeit.
Erläutern Sie sachlich den Vorfall und seine möglichen Folgen.
Drücken Sie sich klar und unmissverständlich aus.
Zeigen Sie aber auch Ihr Mitgefühl.
Außerdem müssen Sie Ihre Haftpflichtversicherung unverzüglich über alle Umstände informieren, die zu einer Haftung führen könnten – spätestens innerhalb einer Woche.
Eine komplette Checkliste für den Umgang mit tatsächlichen oder vermuteten Fehlern bietet die Praxisinfo „Behandlungsfehler“ des Virchowbundes. Darin finden Ärzte auch Tipps, wie sie sich gegen unbegründete Vorwürfe wappnen können.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Es lohnt sich, seine Praxisabgabe frühzeitig zu organisieren – nicht nur selbstständige Ärzte kommen als Käufer infrage - Medscape - 27. Okt 2021.
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