Im Onko-Blog dieser Woche geht es um 2 neue Leitlinien: Die ESMO hat die Leitlinie zum metastasierten Mammakarzinom aktualisiert, die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) u.a. Organisationen haben eine S2k-Leitlinie zur Bewegungstherapie in der pädiatrischen Onkologie erarbeitet. Eine chinesische Studie ergab, dass Patienten mit großen Lebertumoren nach einer über die Leberarterie applizierte Chemotherapie länger überleben als nach einer transarterielle Chemoembolisation. Mit Hilfe von Untersuchungen an Einzelzellen aus Biopsie-Material kann eine Therapie bei Leukämien und Lymphomen individuell sehr gezielt gestaltet werden.
Metastasiertes Mammakarzinom: Aktualisierte ESMO-Leitlinie publiziert
Mammakarzinom: Nüsse verlängern krankheitsfreies Überleben bei Langzeitüberlebenden
Leberkrebs: Leberkrebs: Chemo-Infusion schlägt Chemo-Embolisation
Leukämien und Lymphome: Individuelle Therapie nach detaillierter Analyse einzelner Zellen
Melanom: Östrogene bessern Ansprechen auf Immuntherapie im Tierversuch
Pädiatrische Onkologie: Neue Leitlinie zur Bewegungstherapie
Metastasiertes Mammakarzinom: Aktualisierte ESMO-Leitlinie publiziert
Die ESMO hat ihre neue Leitlinie zur Diagnose, zum Staging und zur Therapie von Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom in Annals of Oncology publiziert. Eine Gruppe von 28 Experten verfasste das Papier, das die im Jahr 2020 publizierten ESO-ESMO International Consensus Guidelines for Advanced Breast Cancer ersetzt.
Da die Evidenz klinischer Studien zu neuartigen Therapieansätzen nun ausreichend robust ist, um die routinemäßigen Entscheidungsprozesse von Onkologen zu unterstützen, umfasst die neu veröffentlichte Leitlinie alle wichtigen Entwicklungen der letzten Jahre und bietet den Stand des Wissens beim Management des fortgeschrittenen Mammakarzinoms an.
Prof. Dr. Giuseppe Curigliano, Universität von Mailand, Vorsitzender des ESMO-Leitlinienausschusses, erklärte in einer Pressemitteilung: „Der rasante Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse bedeutet, dass zwischen der Entwicklung von Dokumenten wie den ESMO-Leitlinien für die klinische Praxis und ihrer späteren Veröffentlichung möglicherweise neue Evidenzen auftauchen.
Die aktuelle Leitlinie zum metastasierten Brustkrebs ist daher so konzipiert, dass sie auch die neuesten, potenziell praxisverändernden Daten integriert, indem sie abgestufte Empfehlungen für verschiedene Behandlungsoptionen gibt, die auf dem Evidenzniveau entsprechend der Bewertung innerhalb der ESMO Magnitude of Clinical Benefit Scale (ESMO-MCBS) und der ESMO Scale for the Clinical Actionability of Molecular Targets (ESCAT) basieren.“
Künftig wird eine „living version“ der Leitlinien auf der ESMO-Webseite veröffentlicht werden. Als nutzerorientiertes, interaktives Tool soll sie es Ärzten ermöglichen, auf Behandlungsalgorithmen, wichtige Referenzmaterialien und regelmäßige Aktualisierungen in jeweils der aktuellsten Form zuzugreifen.
Mammakarzinom: Nüsse verlängern krankheitsfreie Zeit bei Langzeitüberlebenden
Ein hoher Konsum von Nüssen ist bei Langzeitüberlebenden nach Brustkrebs mit einem besseren Überleben, vor allem einem längeren krankheitsfreien Überleben assoziiert. Dies berichtet eine amerikanisch-chinesische Arbeitsgruppe im International Journal of Cancer .
Schon länger ist bekannt, dass ein hoher Konsum von Nüssen mit reduzierter Sterblichkeit einhergeht. Bislang war jedoch unklar, ob sich Nüsse auch auf das Überleben von Frauen mit Brustkrebs auswirken.
Die Arbeitsgruppe untersuchte 5 Jahre nach Diagnose eines Mammakarzinoms die Assoziation zwischen dem Genuss von Nüssen und dem Gesamtüberleben (OS) sowie dem krankheitsfreien Überleben (DFS) anhand der der Daten von 3.449 Langzeitüberlebenden aus der Shanghai Breast Cancer Survival Study.
Nach einem medianen Follow-Up von 8,27 Jahren nach Erhebung der Ernährungsgewohnheiten waren 252 Frauen an ihrem Mammakarzinom verstorben. Bei 209 Frauen waren erneut Rezidive aufgetreten.
5 Jahre nach der Erhebung der Ernährungsgewohnheiten und 10 Jahre nach der Diagnose waren bei regelmäßigen Nusskonsumentinnen das Gesamtüberleben mit 93,7% und das krankheitsfreie Überleben mit 94,1% jeweils besser als bei Nichtkonsumentinnen mit 89,0% bzw. 86,2%. Der Effekt auf OS und DFS war dosisabhängig. Ohne Bedeutung war die Art der verzehrten Nüsse.
Die Assoziation zwischen Nussverzehr und DFS war bei Frauen mit Mammakarzinom im Frühstadium deutlicher.
Die Aussagekraft der Untersuchung wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass die Zahl der Ereignisse in den Untergruppen relativ gering war und dass die Informationen zum Nusskonsum nur einmal erhoben worden sind. Änderungen wurden also nicht erfasst.
Nach Aussage der Autoren müssen die Ergebnisse in randomisierten Studien in verschiedenen Bevölkerungsgruppen bestätigt werden, um sichere Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Leberkrebs: Chemo-Infusion schlägt Chemo-Embolisation
Die Infusion von FOLFOX in die Leberarterie verlängerte bei Patienten mit nicht resezierbarem großen hepatozellulären Karzinom das mediane Gesamtüberleben auf 23,1 Monate und war damit signifikant besser wirksam als die transarterielle Chemoembolisation mit einem Gesamtüberleben von 16,1 Monaten (Hazard Ratio: 0,58; p < 0,001). Dieses Ergebnis einer randomisierten, multizentrischen offenen Phase-3-Studie berichtete eine chinesische Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology .
Die transarterielle Chemoembolisation (TACE) ist derzeit Therapiestandard beim hepatozellulären Karzinom (HCC) im intermediären Stadium, das allerdings eine sehr heterogene Patientenpopulation umfasst. Die Wirksamkeit der TACE hängt stark von der Tumorgröße ab, bei großen Tumoren nimmt sie ab.
In China wurde daher in einer randomisierten offenen multizentrischen Phase-3-Studie die Wirksamkeit der TACE und der hepatischen arteriellen Infusion von FOLFOX (Oxaliplatin, Fluorouracil und Leucovorin) (HAIC) bei 315 Patienten mit großem, inoperablem HCC ohne vaskuläre Invasion und ohne extrahepatische Manifestation verglichen.
Die Patienten der FOLFOX-HAIC-Gruppe überlebten im Median 23,1 Monate, die der TACE-Gruppe 16,1 Monate (Hazard Ratio: 0,58; p < 0,001). Die FOLFOX-HAIC-Gruppe zeigte mit 46% eine höhere Ansprechrate als die TACE-Gruppe mit 18% (p < 0,001) und ein längeres medianes progressionsfreies Überleben mit 9,6 vs 5,4 Monaten (p < 0,001). Die Inzidenz schwerwiegender unerwünschter Ereignisse war in der TACE-Gruppe höher als in der FOLFOX-HAIC-Gruppe (30% vs. 19%; p = 0,03).
Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass in diese Studie in China nur Patienten mit großem HCC und Leberfunktion der Klasse Child-Pugh A aufgenommen worden sind. In China ist das Hepatitis-B-Virus vorherrschende Ursache des HCC. Es sei unklar, ob die Ergebnisse in westlichen Ländern breit angewendet werden könnten, wo bei der Mehrheit der Patienten ein HCC im Intermediär-Stadium mit einer geringeren Tumorlast oder einer Hepatitis C in der Anamnese diagnostiziert wird.
Leukämien und Lymphome: Individuelle Therapie nach detaillierter Analyse einzelner Zellen
Erstmals belegt eine am Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH Wien) durchgeführte Studie, dass eine über einen funktionellen Test ausgewählte Therapie wirksam und umsetzbar ist. Mit Hilfe der funktionellen Einzelzell-Präzisionsmedizin (scFPM) aus Biopsie-Material wurde die Wirkung von Medikamenten quantifiziert. Anschließend wurden in der EXALT-Studie 56 Patienten mit fortgeschrittenen Leukämien und Lymphomen mit der individuell auf sie abgestimmten Therapie behandelt, und zwar mit deutlich positiven Ergebnissen. Die Studie wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe in Cancer Discovery publiziert.
„Aus Echtzeit-Biopsien haben wir Tumor-Einzelzellen der Patienten untersucht und die Wirkungen von über 130 Kandidaten-Substanzen direkt ausgetestet, um festzustellen, welche Therapie beim jeweiligen Individuum anspricht“, so Studienleiter Prof. Dr. Philipp Staber, Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der MedUni Wien und AKH Wien in einer Pressemitteilung.
Prospektiv analysierten die Forscher mit einem bildbasierten scFPM-Ansatz Biopsie Material von 143 Patienten mit fortgeschrittenen hämatologischen Tumoren. Davon wurden 56 orientiert an den Ergebnissen behandelt.
Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23,9 Monaten zeigten 30 Patienten (54%) einen klinischen Nutzen mit einem mehr als 1,3-fach verbessertem progressionsfreien Überleben (PFS) im Vergleich zu ihrer vorherigen Therapie. 12 Patienten (40% der Responder) zeigten ein außergewöhnliches Ansprechen, wobei das PFS 3-mal länger anhielt als für ihre jeweilige Erkrankung erwartet. Schlussfolgerung der Autoren: „Das Therapie-Matching durch scFPM ist klinisch machbar und bei fortgeschrittenen aggressiven hämatologischen Tumoren wirksam.“
Melanom: Östrogene bessern Ansprechen auf Immuntherapie im Tierversuch
Östrogene und Östrogenrezeptoren wirken als Regulatoren an intratumoralen Makrophagen. Makrophagen fördern bei Melanomen das Tumorwachstum, indem sie die Blutversorgung verbessern und die Aktivierung von T-Zellen blockieren. In Tiermodellen konnte eine Arbeitsgruppe vom Duke Cancer Center, Durham (NC, USA) mit dem Antiöstrogen Fulvestrant die Wirkung von Makrophagen auf die T-Zellen aufheben, wie sie im Journal of Clinical Investigation berichtet.
Schon lange ist bekannt, dass Brustkrebs durch Östrogene gefördert wird. Inzwischen ist aber bekannt, dass die Hormone auch das Wachstum anderer Tumoren, vor allem von Melanomen beeinflussen können. Unter anderem wurde beobachtet, dass Männer mit Melanomen tendenziell besser auf eine Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren ansprechen als Frauen.
Nach den aktuellen Untersuchungsergebnissen könnten Östrogene für das unterschiedliche Ansprechen eine Rolle spielen. Fulvestrant hob in den tierexperimentellen Untersuchungen nicht nur die blockierende Wirkung von Makrophagen auf die T-Zellen auf, sondern verbesserte auch die Wirkung von Immuncheckpoint-Inhibitoren.
Die Forscher wollen diese Strategie nun in einer klinischen Studie bei Melanompatienten testen.
Pädiatrische Onkologie: Neue Leitlinie zur Bewegungstherapie
Die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) sowie die Arbeitsgemeinschaft Netzwerk ActiveOncoKids haben in Zusammenarbeit mit weiteren Fachgesellschaften und Organisationen eine S2k-Leitlinie „Bewegungsförderung und Bewegungstherapie in der pädiatrischen Onkologie“ erarbeitet.
Die Empfehlungen dieser Leitlinie bilden eine auf der Basis von wissenschaftlichen Ergebnissen und Sachverständigenmeinungen beschriebene optimale Bewegungsförderung, die in den kommenden Jahren schrittweise und ressourcenorientiert in Klinik und Praxis implementiert werden sollen.
Zunächst beschreibt die Leitlinie die Rahmenbedingungen zur Durchführung von Bewegungsförderung und -therapie. Sie definiert dann insgesamt 11 Empfehlungen, die sowohl Kinder unter Akuttherapie als auch in der Nachsorge berücksichtigen. Die Empfehlungen 1 bis 4 beziehen sich auf die Relevanz der Implementierung von Bewegungsförderung und Bewegungstherapie in der Pädiatrischen Onkologie und bilden die Basis der Leitlinie. Die Empfehlungen 5 bis 11 beschäftigen sich mit der inhaltlichen Gestaltung von Bewegungsangeboten und mit Bewegungsbarrieren.
Credits:
© Sebastian Kaulitzki
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Diesen Artikel so zitieren: Leitlinie zum metastasierten Brustkrebs aktualisiert; Chemo-Infusion bei Leberkrebs; Nüsse als Überlebenshilfe? - Medscape - 26. Okt 2021.
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