Eine First-line-Thrombektomie durch den kombinierten Einsatz eines Aspirationskatheters und eines Stent-Retrievers konnte die Reperfusionsrate bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall nach dem Verschluss eines großen Gefäßes im Vergleich zum Einsatz des Stent-Retrievers allein nicht signifikant verbessern. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie [1].
Allerdings sei die Studie wohl zu schwach, sodass die Frage, ob der kombinierte Ansatz einen zusätzlichen Nutzen bringe, nicht endgültig beantwortet werden könne, sagte Dr. Bertrand Lapergue, Hauptautor der Studie und Direktor des Schlaganfallzentrums Hôpital Foch im französischen Suresnes (Paris) gegenüber Medscape.
Solange dies so ist, sollten die Neurochirurgen weiterhin der Strategie folgen, mit der sie am besten vertraut sind, sei es der Einsatz des Aspirationskatheters, des Stent-Retrievers oder eine Kombination dieser beiden Verfahren, so Lapergue.
Medscape berichtete bereits über die Studie, die erstmals auf dem European Stroke Organisation Congress (ESOC) 2019 vorgestellt worden war. Kürzlich wurde sie auch online im JAMA veröffentlicht.
Thrombektomie der Lysetherapie überlegen
Die endovaskuläre mechanische Thrombektomie hat sich bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall nach Verschluss eines großen Gefäßes einer Lysetherapie als überlegen erwiesen, schaut man auf die funktionellen Ergebnisse. Die mechanische Therapie erfolgt mit Instrumenten wie dem Aspirationskatheter oder dem Stent-Retriever.
Die Reperfusion ist ein starker Prädiktor für das klinischen Outcome. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der erweiterten TICI-Skala zur angiografischen Beurteilung der Perfusion bei zerebralem Infarkt wider. Die Werte reichen von Grad 0 (0% Reperfusion) bis Grad 3 (100% Reperfusion). Grad 2b50 bedeutet eine Reperfusion von 50% bis 66% des Gebiets und Grad 2c von 90% bis 99%.
Die ursprüngliche ASTER-Studie (Contact Aspiration vs. Stent Retriever for Successful Revascularization) hatte gezeigt, dass die Entfernung eines Blutgerinnsels durch Aspiration mit Unterdruck ebenso wirksam ist wie der Einsatz eines Stent-Retrievers. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass beide Techniken zusammen einen synergistischen Effekt haben, der zu einer noch besseren Reperfusionsrate führen könnte.
Was bringen Aspiration und Stent-Retriever in Kombination?
In der Open-label-Studie ASTER2 wurde dieser Kombinationsansatz untersucht. An der Studie nahmen 405 Patienten mit einem Schlaganfall nach Verschluss einer großen Arterie im vorderen Hirnkreislauf teil, die sich innerhalb von 8 Stunden nach dem ersten Auftreten von Symptomen in einer von 11 Kliniken in Frankreich mit Stroke Unit vorstellten.
Die Patienten wurden zufällig entweder einer kombinierten Aspirationskatheter- und Stent-Retriever-Behandlung (experimentelle Interventionsgruppe) oder einer alleinigen Standard-Stent-Retriever-Behandlung (Kontrollgruppe) zugewiesen.
Die Patienten der beiden Gruppen waren gut miteinander vergleichbar. Das Durchschnittsalter betrug 73,4 Jahre und 54,3% waren Frauen. Der mittlere NIHSS-Wert (National Institutes of Health Stroke Scale) betrug zu Beginn 16,2. In der Bildgebung zeigten die meisten Patienten (85,2%) einen isolierten Verschluss der A. cerebri media.
Das Hauptergebnis war die Rate der eTICI-Scores, die auf eine nahezu vollständige (Grad 2c) oder vollständige (Grad 3) Reperfusion am Ende des endovaskulären Verfahrens hinwiesen. Dieses Ergebnis wurde mit einem relativ guten klinischen Outcome und geringeren bleibenden Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht.
Die Untersucher adjustierten die Stratifikationsvariablen, zu denen das Alter (< 70 vs. ≥ 70 Jahre), die i.v.-Thrombolyse, der Verschlussort (isolierte A. cerebri media vs. terminale A. carotis interna) und das Behandlungszentrum gehörten.
Kombi ohne Zusatznutzen?
Die Analyse ergab, dass sich die Zahlen der eTICI-Scores Grad 2c/3 zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant unterschieden (64,5% für den kombinierten Ansatz gegenüber 57,9% bei Stent-Retriever allein; adjustierte Odds Ratio: 1,33; 95%-Konfidenzintervall: 0,88–1,99; p = 0,17).
Lapergue sagte, er und seine Kollegen seien von diesem Ergebnis überrascht und „ein wenig enttäuscht“. Nach seiner Meinung war die Studie wahrscheinlich nicht groß genug, um kleinere Vorteile des kombinierten Ansatzes erkennen zu lassen.
Er wies auf eine andere französische Studie hin (Adaptative Endovascular Strategy to the CloT MRI in Large Intracranial Vessel Occlusion, VECTOR), die eine definitivere Antwort auf die Frage geben könnte, ob ein Aspirationskatheter zusätzlich zu einer Stent-Retriever-Behandlung bei Patienten, die für eine Thrombektomie infrage kommen, sinnvoll ist.
Nur 2 der 14 sekundären Wirksamkeitsendpunkte zeigten einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen und sprachen für die experimentelle Intervention. Bei beiden handelte es sich um Reperfusionsergebnisse nach der zugewiesenen Erstbehandlung: eTICI 2b50/2c/3 (86,2% vs. 72,3%; adjustierte OR: 2,54; 95% KI: 1,51–4,28; p < 0,001) und eTICI 2c/3 (59,6% vs. 49,5%; adjustierte OR: 1,52; 95% KI: 1,02–2,27; p = 0,04).
„Schaut man sich die Daten an, stellt man fest, dass die direkten angiografischen Kriterien für die Wirksamkeit der kombinierten Intervention (eTICI 2C/3 und 2b/2c/3 nach der First-line-Behandlung) signifikant waren“, sagte Lapergue. „Dies deutet darauf hin, dass ein kombinierter Ansatz zu Beginn der Interventionen günstiger ist. Auch in Fällen mit großen Gerinnseln könnte er nach einer Subgruppenanalyse vorteilhafter sein, was derzeit weiter untersucht wird.“
Von den Patienten, die nur mit dem Stent-Retriever behandelt wurden, waren bei einem größeren Teil zusätzliche Notfalltherapien erforderlich (26,7% vs. 19,2 %). Die Behandlungszeiten unterschieden sich jedoch nicht signifikant.
Auch fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen in Bezug auf die mittlere Veränderung des NIHSS-Scores innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Aufnahme oder den Grad der Behinderung auf der Modified Rankin Scale bei Nachuntersuchungen nach 3 und 12 Monaten. Bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität fand sich ebenfalls nach 12 Monaten kein signifikanter Unterschied.
Beim Sicherheitsprofil gab es auch keine signifikanten Unterschiede, außer, dass die Rate der parenchymatösen Hämatome vom Typ 2 in der Kombinationsgruppe (3,1%) niedriger war als in der Kontrollgruppe (8,6%). Lapergue hält dies nicht für relevant, da es bei den anderen Endpunkten zur Sicherheit keine Unterschiede gab.
Verfahrensbedingte unerwünschte Ereignisse traten in der Kombinationsgruppe bei 25,1% und in der Kontrollgruppe bei 24,3% auf. Das häufigste Ereignis war ein Vasospasmus, gefolgt von einer Embolisation in ein neues Gebiet, einer Arteriendissektion und einer Arterienperforation. Bei der Sterblichkeit gab es keinen signifikanten Unterschied.
Aufregende Zeit
Dr. Mitchell S. V. Elkind, ehemaliger Präsident der American Heart Association und Professor für Neurologie und Epidemiologie am Vagelos College of Physicians and Surgeons der Columbia University in New York City, lobte die Studie als „gut konzipiert“ und „methodisch robust“. Sie sei zudem Ausdruck einer „aufregenden Zeit“ in der Schlaganfalltherapie. „Sie ist ein großartiges Beispiel dafür, wie sich die interventionelle Therapie des akuten Schlaganfalls in den letzten Jahren wirklich durchgesetzt hat“, sagte Elkind.
„Jetzt, da es qualitativ hochwertige Studien gibt, die den Nutzen der mechanischen Thrombektomie insgesamt belegen, verlagert sich das Ziel auf die Bewertung spezifischer Geräte und Methoden zur Öffnung okkludierter Gefäße“, sagte er.
Er wies darauf hin, dass die intervenierenden Ärzte in der Studie zwar nicht verblindet werden konnten, die Ergebnisse jedoch verblindet ausgewertet wurden, was die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht“.
Und obwohl die Studie den Nachweis eines Nutzens der Kombinationstherapie schuldig blieb, „deutet sie an, dass es einen Benefit geben könnte“, schloss Elkind.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Kombi von Aspirationskatheter und Stent-Retriever nach Schlaganfall (noch) ohne Zusatznutzen - Medscape - 25. Okt 2021.
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