Paradigmenwechsel in der Kardiologie? Was für eine Optimierung des LDL-Cholesterinspiegels in jüngeren Jahren spricht

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

25. Oktober 2021

Hohe LDL-Cholesterinwerte in jungem und mittlerem Alter sind mit einem signifikant höheren kardiovaskulären Risiko assoziiert – unabhängig vom LDL-Cholesterinspiegel im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Dies ergab eine Kohortenstudie, in der eine Arbeitsgruppe um Dr. Yiyi Zhang, Columbia University Medical Center, New York, gepoolte Daten von 4 großen US-amerikanischen Kohortenstudien analysiert hatte.

Ihre Schlussfolgerung in der online in JAMA Cardiology publizierten Arbeit [1] lautete: „Diese Befunde legen nahe, dass bei jüngeren Personen gemessene LDL-Cholesterinspiegel Strategien zur Primärprävention beeinflussen können und dass die Optimierung des LDL-Cholesterinspiegels in jüngeren Jahren das Lebenszeitrisiko für eine atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankung verringern kann.“

In einem begleitenden Editorial wiesen die JAMA-Cardiology-Herausgeber Dr. Ann-Marie Navar, Southwestern Medical Center, University of Texas, Dallas, und Dr. Gregg C. Fonarow, Ahmanson- University of California, Los Angeles, Cardiomyopathy Center, David Geffen School of Medicine, darauf hin, dass in aktuellen Hypertonie-Leitlinien die Behandlung aller Erwachsenen mit erhöhtem Blutdruck empfohlen werde, obwohl Studien zum Effekt der Blutdrucksenkung bei jungen Erwachsenen fehlten [2] . Damit legten die Ergebnisse der Studie von Zhang nahe, dass dies auch bei einem erhöhten LDL-Cholesterinspiegel sinnvoll sein könnte.

Mit dem derzeit von Leitlinien unterstützten Paradigma, die Behandlung von jungen Erwachsenen mit leicht bis mäßig erhöhtem LDL-Cholesterinspiegel aufzuschieben, werde nicht nur eine entscheidende Möglichkeit zur Prävention verpasst, sondern man setze betroffene Personen auch unnötigerweise dem Risiko aus, über viele Jahre lipidbezogene Risiken anzusammeln.

LDL-Cholesterin meist nur einmal gemessen

Zum Hintergrund: LDL-Cholesterin (LDL-C) ist ein wichtiger modifizierbarer Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Mendelsche Randomisierungsstudien und randomisierte klinische Studien weisen darauf hin, dass die Rolle des LDL-Cholesterinspiegels beim kardiovaskulären Risiko sowohl mit dem aktuellen Wert als auch mit der kumulativen Belastung eines erhöhten LDL-C-Werts über die Zeit assoziiert ist.

Die meisten Studien zur Assoziation zwischen hohen LDL-C-Spiegeln und kardiovaskulären Risiken konzentrierten sich auf meist nur einmal im mittleren oder höheren Alter gemessene Werte.

Der beim Arzt einmal gemessene hohe LDL-C-Spiegel im mittleren Lebensalter kann einerseits einen schnell ansteigenden LDL-C-Spiegel bedeuten, andererseits auf einen anhaltend hohen LDL-C-Spiegel hinweisen.

Bekannt ist, dass der zeitgewichtete durchschnittliche (TWA) LDL-C mit dem kardiovaskulären Risiko assoziiert ist. Er wird als kumulative Exposition gegenüber LDL-C geteilt durch die Dauer der Exposition berechnet. Derzeit noch unklar ist, ob kumulatives LDL-C und TWA-LDL-C ähnlich oder unterschiedlich mit kardiovaskulären Ereignissen assoziiert sind.

Höheres KHK-Risiko durch hohe LDL-C-Spiegel im jüngeren Alter

Daher haben die Forscher nun Daten aus 4 prospektiven Kohortenstudien gepoolt analysiert, und zwar aus der

  • Atherosclerosis Risk in Communities Study (ARIC),

  • Coronary Artery Risk Development in Young Adults Study (CARDIA),

  • Framingham Heart Study Offspring Cohort und der

  • Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA).

Sie analysierten Daten der Teilnehmer, von denen mindestens 2 LDL-C-Messungen im Abstand von mindestens 2 Jahren im Alter zwischen 18 und 60 Jahren vorlagen. Einer der LDL-C-Werte musste im Alter zwischen 40 und 60 Jahren gemessen worden sein.

Von 18.288 Teilnehmern im Durchschnittsalter von 56 Jahren waren 56,4% Frauen. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 16 Jahren kam es zu 1.165 Fällen von koronarer Herzkrankheit, 599 ischämischen Schlaganfällen und 1.145 Fällen von Herzinsuffizienz.

Die Studie ergab, dass eine höhere Exposition gegenüber kumulativem LDL-C und TWA-LDL-C im jungen Erwachsenenalter und im mittleren Lebensalter mit einem erhöhten Risiko für eine koronare Herzkrankheit verbunden war. Auf das Schlaganfall- und Herzinsuffizienzrisiko hatten die LDL-C-Werte keinen Einfluss.

Weitere Ergebnisse lassen vermuten, dass der aktuelle LDL-C-Spiegel und die kumulative LDL-C-Belastung unabhängig voneinander mit dem kardiovaskulären Risiko verbunden sind.

Die Autoren schreiben, dass ihre Resultate „erhebliche klinische Implikationen“ hätten. „Klinische Entscheidungen werden derzeit auf der Basis aktuell gemessener LDL-C-Werte getroffen, während unsere Ergebnisse darauf hindeuten, dass die Berücksichtigung serieller LDL-C-Messungen und der kumulativen LDL-C-Belastung die Risikobewertung für Herz-Kreislauf-Ereignisse in der klinischen Praxis weiter verbessern und zu verbesserten Strategien zur Primärprävention beitragen können“, so ihr Fazit.

Es sei plausibel, dass kardiovaskuläre Ereignisse besser verhindert werden könnten, wenn der LDL-C-Spiegel bereits in jüngeren Jahren optimiert werde. Dies sie besser als die derzeitige Praxis, die LDL-C-Senkung auf spätere Zeitpunkte zu verschieben, wenn die Atherosklerose bereits weit fortgeschritten sei.
 

Kommentar

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