Die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) hat auf ihrem 80. Ärztetag vom 15. bis 17. Oktober 2021 in Hof mit großer Mehrheit beschlossen, die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung (WBO) zu streichen [1]. Nur 18 Delegierte sprachen sich für die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus, 89 stimmten dagegen, und 9 weitere enthielten sich.
„Die Delegiertenversammlung der BLÄK hat in Hof die vorgelegte WBO beschlossen – ohne die Zusatzbezeichnung Homöopathie“, teilt die Bayerische Kammer mit. „Demnach kann, nach Ablauf einer Übergangsfrist, die Zusatzbezeichnung Homöopathie bei der BLÄK nicht mehr erworben werden; bereits erworbene Zusatzbezeichnungen sind aber weiterführbar.“ Die neue WBO für Bayern tritt am 1. August 2022 in Kraft.
Der Beschluss war nötig geworden, weil der Vorstand der Bundesärztekammer bereits 2018 die Novelle der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) beschlossen hatte. Sie musste nun in Landesrecht umgesetzt werden.
In ihrer Ablehnung der Homöopathie wichen die Delegierten in Bayern von der MWBO ab. Dem Beschluss war eine offenbar kontroverse Diskussion auf dem Ärztetag in Hof voran gegangen. Immerhin zählt man unter den rund 28.000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Bayern 1.100 mit einer Zusatzbezeichnung Homöopathie. „Jährlich kommen 10 bis 12 hinzu“, sagte ein Sprecher der BLÄK zu Medscape.
„Erdrutschsieg für die Patientensicherheit“
Die Entscheidung der 116 Delegierten sei ein „Erdrutschsieg für die Patientensicherheit“, twitterte der Weilheimer HNO-Arzt Dr. Christian Lübbers, einer der Kritiker der Homöopathie. Denn die Homöopathie sei wirkungslos. „Die Gesamtevidenz zur Homöopathie ist negativ, wie 11 systematische Reviews seit 1991 ausnahmslos belegen“, schreibt Lübbers in einem Pro-und-Contra-Artikel im Bayerischen Ärzteblatt . Es käme einer aktiven Täuschung gleich, wenn Ärzte ihren Patienten erklärten, die Homöopathie sei wissenschaftlich valide.
Auch dem Einwand, die Homöopathie müsse in ärztlicher Hand bleiben, um die Patienten zu schützen, „ist schon damit zu begegnet, dass dann auch etliche andere Pseudotherapien in den ärztlichen Kanon inkorporiert werden müssten“, schreibt Lübbers, Sprecher des Informationsnetzwerks Homöopathie.
Außerdem beruft Lübbers sich auf den Weltärztebund. Dieser schreibt in seiner „WMA Declaration on Pseudoscience and Pseudotherapies in the Field of Health“ von 2020: „Ärzte sollten darin geschult werden, Pseudowissenschaft und Pseudotherapien, logische Irrtümer und kognitive Verzerrungen zu erkennen und ihre Patienten entsprechend zu beraten.“
Anders der Münchner Internist Dr. Ulf Riker, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZhÄ), im Bayerischen Ärzteblatt . Aus seiner Sicht spricht die Datenlage für die Homöopathie. Die Datenlage sei „umfangreicher und eindeutiger geworden“. Inzwischen zeigten mehr als 1.000 fachwissenschaftliche Publikationen „eine empirische Evidenz für die spezifische Wirksamkeit auch hochverdünnter potenzierter Arzneien in experimentellen Tier- und Pflanzenmodellen.“
Auch Riker argumentiert darüber hinaus mit der Patientensicherheit. Sie müsse im Zentrum stehen. „Sie wird unter der Obhut der Ärztekammer und durch die Regularien einer strukturierten Weiterbildung bestmöglich gewährleistet.“
Homöopathie gehöre in Hand des Arztes
Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2020 nutzen 55% der Befragten Homöopathie – das sind in Deutschland an die 30 Millionen Menschen, so Riker. Deshalb müsse der Kompetenzerwerb zur Homöopathie auf dem Boden ärztlicher Fort- und Weiterbildung stehen. „Andernfalls tritt genau das ein, was immer wieder als Argument gegen Homöopathie vorgebracht wird: Erforderliche andere Therapien könnten vernachlässigt oder verhindert werden“, argumentiert Riker.
Dass im Übrigen die Homöopathie in die S3-Leitlinie der komplementärmedizinischen Behandlung von Krebspatienten aufgenommen wurde, zeige, „dass Homöopathie im Evidenzlevel IIb Anerkennung findet“, so Riker.
Und schließlich: Die Homöopathie gehöre in die Hand des Arztes, weil Ärzte schon in eigenem Interesse um größtmögliche Sicherheit in der Anwendung der Homöopathie bemüht sein werden, schließlich drohten im Zweifel berufsrechtliche und standesrechtliche Konsequenzen, schreibt Riker. „In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für ärztliche Homöopathie entsprechend dokumentierte Hinweise für methodenbedingte Fehlbehandlungen oder Versäumnisse nie vorgelegt wurden.“
Bremen Vorreiter
Bremen war 2019 die erste Ärztekammer, die die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus ihrer Weiterbildungsordnung gestrichen hat. Inzwischen haben insgesamt 12 von 17 Landesärztekammern, die Zusatzbezeichnung als Weiterbildung abgeschafft.
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Diesen Artikel so zitieren: Jetzt auch in Bayern: Ende der Homöopathie als Zusatzbezeichnung ab August 2022 - Medscape - 20. Okt 2021.
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