Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir, dass möglicherweise eine nur systemische Therapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms vorteilhafter als eine Operation plus systemische Therapie ist. Eine Antibiotikatherapie ist mit einem erhöhten Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert. Für das Ovarialkarzinom gibt es aktualisierte Leitlinien. Beim seltenen Morbus Waldenström hat eine erstmals durchgeführte Phase-3-Studie die Überlegenheit der Kombi-Therapie aus Ibrutinib/Rituximab im Vergleich zu alleiniger Rituximab-Behandlung ergeben. Und eine Analyse holländischer Daten legt nahe, dass bei Patienten, die mit PARP-Inhibitoren behandelt werden, sorgfältig auf die Entstehung einer Panzytopenie geachtet werden sollte.
Kolorektalkarzinom: Systemische und chirurgische Therapie im Vergleich
Kolorektalkarzinom: Robuste Assoziation des Karzinomrisikos mit Antibiotikagebrauch
Ovarialkarzinom: Aktualisierte S3-Leitlinie mit neuen Therapieempfehlungen
Morbus Waldenström: Ibrutinib/Rituximab besser als Ibrutinib allein
Melanom: Adjuvante Therapie – Studien versus Real World
PARP-Hemmer: Auf Panzytopenie als Nebenwirkung achten
Kolorektalkarzinom: Systemische und chirurgische Therapie im Vergleich
Die 60-Tage-Sterblichkeit bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom war signifikant niedriger, wenn sie primär systemisch behandelt worden sind im Vergleich zu einer Operation gefolgt von systemischer Therapie. Besonders hoch war die Sterblichkeit bei operierten Patienten mit erhöhten LDH- und Leberenzymwerten sowie erhöhten Neutrophilen. Eine niederländische Arbeitsgruppe hat diese Ergebnisse der randomisierten Phase-3-Studie CAIRO4 in JAMA Surgery veröffentlicht.
In der CAIRO4-Studie waren 196 Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom randomisiert mit Operation des Primärtumors gefolgt von systemischer Fluoropyrimidin-basierter Therapie plus Bevacizumab oder nur mit systemischer Therapie behandelt worden.
In der Intention-to-Treat-Analyse betrug die 60-Tage-Sterblichkeit 3% bei systemischer Therapie und 11% bei Operation gefolgt von systemischer Therapie (p = 0,03). In der Operationsgruppe waren vor allem Patienten gestorben, bei denen zuvor ein erhöhter Spiegel von LDH, GOT, GPT und Neutrophilen festgestellt worden war.
Die Autoren raten, die endgültigen Ergebnisse dieser Studie zum Gesamtüberleben sowie von anderen Studien abzuwarten, bevor die Rolle der Operation bei diesen Patienten endgültig beurteilt wird.
Kolonkarzinom: Robuste Assoziation des Karzinomrisikos mit Antibiotikagebrauch
Antibiotikagebrauch und das Risiko für ein proximales Kolonkarzinom sind assoziiert. Außerdem besteht eine inverse Assoziation zwischen Antibiotikagebrauch und dem Risiko für ein Rektumkarzinom, vor allem bei Frauen. Dieses Ergebnis einer schwedischen Register-Studie wurde im Journal of the National Cancer Institute publiziert.
Verschiedene Studien hatten bereits eine positive Assoziation zwischen Antibiotikagebrauch und Kolorektalkarzinom ergeben. Meist waren sie jedoch nicht ausreichend für weitergehende Analysen gepowert.
Die Studienautoren verwendeten Daten aus dem nationalen schwedischen Populationsregister und analysierten sie von 40.454 Patienten mit Kolorektalkarzinom sowie von 202.720 gematchten Kontrollpersonen. Diese hohe Teilnehmerzahl ermöglichte eine Reihe von gut gepowerten Subanalysen.
Von den Kolorektalkarzinom-Patienten litten 36,4% an einem proximalen, 29,3% an einem distalen Kolonkarzinom und 33,0% an ein Rektumkarzinom. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 8 Jahre.
Der moderate Gebrauch von Antibiotika war mit einem Kolorektalkarzinom positiv assoziiert (Odds Ratio: 11,5), bei starkem Gebrauch lag die OR bei 1,17, jeweils im Vergleich zu keinem Antibiotikaeinsatz.
Die Assoziation war bei moderater und hoher Dosierung am stärksten für ein proximales Kolonkarzinom. Für das distale Kolon gab es kaum eine Assoziation und für das Rektumkarzinom war sie leicht invers. Die inverse Assoziation beim Rektumkarzinom wurde vorwiegend bei Frauen beobachtet.
Chinolone und Sulfonamide mit oder ohne Trimethoprim waren mit einem erhöhten Risiko für ein Kolorektalkarzinom assoziiert, während Nitrofurantoin, Makrolide, Lincosamide und Metronidazol-Abkömmlinge eher invers mit einem Rektumkarzinom assoziiert waren.
Die Assoziation zwischen Antibiotika-Gebrauch und Kolorektalkarzinom-Risiko war bei Teilnehmern ab 50 Jahren zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose deutlicher als bei jüngeren Personen.
Ovarialkarzinom: Aktualisierte S3-Leitlinie mit neuen Therapieempfehlungen
Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) die S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren“ aktualisiert. Überarbeitet wurden insbesondere die Kapitel zur systemischen Erstlinientherapie bei fortgeschrittener Erkrankung und zur Nachsorge. Die Leitlinie wird als „Living Guideline“ jährlich aktualisiert.
In der nun vorliegenden Version 5 wurde der Abschnitt zur Erstlinien-Therapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms vollständig überarbeitet und aktualisiert. Neben der Standardchemotherapie aus Carboplatin und Paclitaxel werden nun anschließend Erhaltungstherapien mit Angiogenese-Inhibitoren (hier Bevacizumab) und PARP-Inhibitoren und in bestimmten Fällen auch die Kombination beider Substanzen eingesetzt. Dies verbessert das progressionsfreie Überleben der Patientinnen weiter. Daten zum Gesamtüberleben stehen jedoch noch aus. Erhaltungstherapien mit Chemotherapie-haltigen Schemata sollen nicht eingesetzt werden.
Außerdem wurde das Kapitel „Nachsorge“ vollständig überarbeitet. Neben umfassenden Details zur Durchführung wird künftig die Nachsorge in verschiedenen Krankheitssituationen unterschiedlich sein. So soll die Nachsorge nach Abschluss der Primärtherapie, nach Abschluss der Rezidivtherapie und die Nachsorge nach dem 5. Jahr als sogenannte „Survivorship“-Gruppe jeweils anders sein. Zusätzlich wurde eine Gruppe „Therapiemonitoring bei Erhaltungstherapie“ eingefügt.
Morbus Waldenström: Ibrutinib/Rituximab besser als Ibrutinib allein
Die finale Analyse der iNNOVATE-Studie mit einem medianen Follow-Up von 50 Monaten bestätigt die bislang vorliegenden Ergebnisse: Die Kombination aus Ibrutinib/Rituximab wirkt bei Patienten mit Morbus Waldenström besser als Rituximab allein. Sie wurde von Prof. Dr. Christian Buske, Direktor des Instituts für Experimentelle Tumorforschung an der der Universitätsklinik Ulm, und Kollegen im Journal of Clinical Oncology publiziert.
Die Waldenström-Makroglobulinämie (Morbus Waldenström) ist eine seltene Erkrankung, die zu den indolenten Lymphomen gehört. Die Ursachen der Erkrankung sind weitgehend unbekannt. Es erkranken vor allem ältere Menschen, Männer etwas häufiger als Frauen.
Die klinische Symptomatik beruht vor allem auf den Folgen der Infiltration des Knochenmarks durch das lymphoplasmozytische Lymphom mit Verdrängung der normalen Hämatopoese und mit Hypersekretion von monoklonalem Immunglobulin M (IgM)
In dieser ersten Phase-3-Studie beim Morbus Waldenström waren randomisiert die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ibrutinib plus Rituximab (n = 75) mit Placebo plus Rituximab (n = 75) bei Patienten mit Morbus Waldenström in der Erstlinien-Therapie oder bei rezidivierter Erkrankung verglichen worden. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS).
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 50 Monaten war das mediane PFS in der Kombi-Gruppe noch nicht erreicht, in der Rituximab-Gruppe betrug es 20,3 Monate (13,0 bis 27,6) (Hazard Ratio: 0,25; p < 0,0001). Dieser Effekt war unabhängig vom vorherigen Behandlungsstatus, dem MYD88- und CXCR4- Mutationsstatus und weiteren Patientenmerkmalen.
Unter Ibrutinib/Rituximab lag die Ansprechrate mit 76% signifikant höher als mit 31% unter Placebo/Rituximab (p < 0,0001). Die mediane Zeit bis zur nächsten Behandlung ist in der Ibrutinib/Rituximab-Gruppe noch nicht erreicht, in der Placebo/Rituximab-Gruppe lag sie bei 18 Monaten.
Bei 77% der Patienten unter Ibrutinib/Rituximab und bei 43% unter Placebo/Rituximab besserte sich der Hämoglobin-Spiegel anhaltend (p < 0,0001). Das mediane Gesamtüberleben ist in beiden Arme nicht erreicht.
Ibrutinib/Rituximab hatte beherrschbare Nebenwirkungen. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen vom Schweregrad von mindestens 3 nahm im Verlauf der Zeit eher ab.
Melanom: Adjuvante Therapie – Studien versus Real World
Melanompatienten brechen eine adjuvante Immuntherapie unter Real-World-Bedingungen mit 61% häufiger ab als in klinischen Studien mit 39,2 bis 44,6%. Das rezidivfreie Überleben war jedoch in beiden Populationen ähnlich. Eine niederländische Arbeitsgruppe berichtet diese Ergebnisse im European Journal of Cancer .
Die Real-World-Daten für die Analyse stammten aus dem Holländischen Melanom-Behandlungsregister (DMTR). Erfasst wurden 641 Patienten mit reseziertem Melanom Stadium III oder IV, die eine adjuvante Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor erhielten.
Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 62 Jahre, 56,5% waren Männer. Mit Nivolumab wurden 83,3% und mit Pembrolizumab 16,7% behandelt. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 12,8 Monate.
Die Häufigkeit der Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher war mit 18,2% unter Real-World-Bedingungen etwas höher als mit 14,4% in der CheckMate-238-Studie und mit 14,7% in der KEYNOTE-054-Studie.
Laut Real-World-Analyse brachen 61% der Patienten die Behandlung vorzeitig ab. Diese Rate ist deutlich höher als die 1-Jahres-Abbruchraten, die in CheckMate-238 mit 39,2% und in KEYNOTE-054 mit 44,6% berichtet worden waren.
Die Rate des rezidivfreien Überlebens (RFS) war jedoch unter Real-World-Bedingungen ähnlich wie in den beiden klinischen Studien. Die 12-Monats-RFS-Rate betrug insgesamt 70,6% sowie 87,0% für Patienten im Stadium IIIA versus 93,4% in KEYNOTE-054, 76,5 % im Stadium IIIB versus 75,8% in KEYNOTE-054, 60,3% im Stadium IIIC versus 67,7% in KEYNOTE-054 und 69,1% im Stadium IV versus 63,0% in der CheckMate-238-Studie.
PARP-Hemmer: Auf Panzytopenie als Nebenwirkung achten
Der Einsatz von PARP-Inhibitoren ist signifikant mit dem Risiko einer Panzytopenie assoziiert. Dies berichtet eine französische Arbeitsgruppe in einem Research Letter in JAMA Oncology . Sie empfiehlt, Patienten unter PARP-Inhibitoren monatlich zu kontrollieren, um frühzeitig eine Panzytopenie zu erkennen.
Ihre Querschnittstudie basierte auf der Analyse der WHO-Datenbank VigiBase. Für Olaparib, Rucaparib, Niraparib, Talazoparib und Veliparib waren dort insgesamt 23.305 unerwünschte Ereignisse gemeldet worden. In 201 Fällen handelte es sich um eine Panzytopenie. Diese Nebenwirkung war signifikant mit dem Gebrauch von PARP-Inhibitoren assoziiert mit einer Reporting Odds Ratio (ROR) von 5,5.
Die Assoziation blieb für jeden untersuchten PARP-Inhibitor signifikant: mit 16 Berichten für Talazoparib (ROR 17,4), 102 für Niraparib (ROR 6,8), 57 für Olaparib (ROR 5,3) 5 für Veliparib (ROR 8,2) und 21 für Rucaparib (ROR 2,2).
197 Panzytopenien (97%) verliefen schwer. Im Median dauerte es 1,6 Monate bis zum Auftreten der Nebenwirkung nach der ersten Anwendung eines PARP-Inhibitors. Bei bis zu 12% der Patienten entwickelte sich ein myelodysplastisches Syndrom oder eine akute myeloische Leukämie.
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Diesen Artikel so zitieren: Keine OP bei metastasiertem Darmkrebs? Aktualisierte S3-Leitlinien zum Ovarialkrebs; Panzytopenie durch PARP-Inhibitor - Medscape - 19. Okt 2021.
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