Da lief was schief! Wann liegt ein Behandlungsfehler vor, wer muss Beweise erbringen, was darf man sagen? Juristin gibt Tipps 

Interessenkonflikte

13. Oktober 2021

Was gilt als ärztlicher Behandlungsfehler? Und wer ist bei einem vermuteten Behandlungsfehler in der Beweispflicht? Die Juristin Andrea Schannath des Verbandes der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte klärt auf.

Ärztekammern untersuchen 11.000 Verdachtsfälle pro Jahr

Auch in der bestorganisierten Praxis passiert es, dass Ärzten oder dem Praxispersonal ein Fehler unterläuft.

Manchmal glauben auch Patienten, sie seien fehlerhaft behandelt worden. Sie haben die Möglichkeit bei vermuteten Behandlungsfehlern die Gutachter- oder Schlichtungsstelle der jeweils zuständigen Ärztekammer anzurufen. Sie untersucht dann, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorlag.

Rund 11.000 Behandlungen werden so jedes Jahr überprüft. Die meisten Vorwürfe betreffen Krankenhäuser. Im niedergelassenen Bereich sind vor allem die Fachrichtungen Unfallchirurgie/Orthopädie, Allgemeinmedizin (Hausarzt), Augenheilkunde, Innere Medizin, Gynäkologie, Allgemeinchirurgie oder Radiologie mit dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers konfrontiert.

Seit 2006 werden Daten zusätzlich über das Medical Error Reporting Systems (MERS) in einer bundesweiten Statistik erfasst. 2019 fanden Experten in weniger als 3 von 10 Fällen Behandlungsfehler durch niedergelassene Ärzte.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Der Bundesgerichtshof definiert einen Behandlungsfehler als eine Handlung oder Unterlassung des Behandelnden, die dem zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief.

Behandlungsfehler können darin bestehen, dass ärztliche Maßnahmen in Diagnostik und/oder Therapie entweder unnötigerweise, unter Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorgenommen. Oder dass notwendige ärztliche Maßnahmen unterlassen wurden.

Ärzte können den Erfolg der Behandlung nicht garantieren. Sorgfalt ist das oberste Gebot, um Behandlungsfehler zu vermeiden.

Als medizinischen Standard bezeichnet man ein Verhalten, das von gewissenhaften oder aufmerksamen Ärzten in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht des Fachbereichs zum Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der erforderlich ist, um das Behandlungsziel zu erreichen und sich in der Erprobung bewährt hat.

Gesundheitsschäden können auch vorübergehend sein

Ein Behandlungsfehler kann zu einem Gesundheitsschaden führen. Damit ist ein gesundheitlicher Nachteil gemeint, der zusätzlich zu den krankheitsbedingten Beeinträchtigungen ursächlich durch eine ärztliche Behandlung eintritt.

Die Virchowbund-Juristin Andrea Schannath sagt: „Gesundheitsschäden müssen nicht notwendigerweise bleibend sein. Es genügt schon eine nicht völlig unbedeutende gesundheitliche physische und/oder psychische Beeinträchtigung, wie zum Beispiel vorübergehende Schmerzen oder eine erneute Operation.“

Behandlungsfehler beweisen

Grundsätzlich tragen Patienten die Beweislast dafür, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und auch Ursache für einen Gesundheitsschaden war.

In bestimmten, gesetzlich geregelten Fallkonstellationen gibt es Beweiserleichterungen für Patienten. Dann tragen Behandler die Beweislast in Teilen oder möglicherweise auch vollständig. Eine sogenannte Beweislast-Umkehr tritt beispielsweise beim groben Behandlungsfehler ein, wenn der Arzt besonders schwerwiegend gegen den medizinischen Standard verstoßen hat.

Wenn eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht dokumentiert wurden, hat das ebenfalls eine Beweiserleichterung für Patienten zur Folge. Dann wird nämlich vermutet, dass Behandler diese Maßnahme nicht durchgeführt haben.

Haftung bei Behandlungsfehlern

Da Ärzte für Behandlungsfehler haften, müssen sie sich über eine Berufshaftpflichtversicherung finanziell absichern. Eine Berufshaftpflichtversicherung ist u. a. Voraussetzung für die Niederlassung.

Für Behandlungsfehler von angestellten Ärzten und Partnern in der Praxis haften Inhaber zum Teil ebenfalls. Auch Erbende können noch rückwirkend für Behandlungsfehler verstorbener Ärzte verklagt werden.

Wenn die ärztliche Kooperation als Partnerschaftsgesellschaft geführt wird, ist die Haftung allerdings beschränkt. Mehr dazu erfahren Sie in der Virchowbund-Praxisinfo „Partnerschaftsgesellschaft“. Der Verband bietet auch eine kostenlose Rechtsberatung für Mitglieder.

Dialoge mit Patienten führen

Früher durften Ärzte Fehler gegenüber Behandelten nicht eingestehen. Sie liefen Gefahr, ihren Versicherungsschutz zu verlieren. Das ist zum Glück heute nicht mehr der Fall.

Behandler dürfen und sollten geschädigte Patienten bzw. deren Angehörige wahrheitsgemäß über alle Tatsachen der Behandlung aufklären. Erfahrungsgemäß wünschen sich die meisten Betroffenen vor allem eine Entschuldigung. Vermeiden sollten Ärzte im Gespräch und in der übrigen Kommunikation mit Patienten deren Rechtsvertretern, die Schuld anzuerkennen.

5 Tipps für das Gespräch nach dem Fehler

  • Nehmen Sie sich für das Gespräch Zeit.

  • Erläutern Sie sachlich den Vorfall und seine möglichen Folgen.

  • Drücken Sie sich klar und unmissverständlich aus.

  • Zeigen Sie aber auch Ihr Mitgefühl.

  • Außerdem müssen Sie Ihre Haftpflichtversicherung unverzüglich über alle Umstände informieren, die zu einer Haftung führen könnten – spätestens innerhalb einer Woche.

Eine komplette Checkliste für den Umgang mit tatsächlichen oder vermuteten Fehlern bietet die Praxisinfo „Behandlungsfehler“ des Virchowbundes. Darin finden Ärzte auch Tipps, wie sie sich gegen unbegründete Vorwürfe wappnen können.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
 

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