Weibliche Pflegekräfte, die 15 Jahre oder länger im Operationssaal gearbeitet haben, scheinen nach neuen Erkenntnissen ein erhöhtes Risiko für die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zu haben. Das berichten Dr. Wubin Xie von der Boston University School of Public Health und Kollegen jetzt in JAMA Network Open [1].
Daten der Nurses' Health Study ausgewertet
Ärzte und Pflegekräfte im OP seien verschiedenen potenziell schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt, darunter Rauch bei Verwendung eines Elektrokauters, aber auch Desinfektionsmittel-haltigen Dämpfen, schreiben die Forscher.
Um Assoziationen zwischen der Tätigkeit im OP und dem COPD-Risiko zu ermitteln, werteten Forscher Ergebnisse der Nurses' Health Study aus. Sie untersuchten die Häufigkeit von COPD bei mehr als 75.000 Krankenschwestern in den USA (Durchschnittsalter 51 Jahre). Teilnehmerinnen hatten im Jahr 1984 Fragebögen zur Beschäftigung im OP und zur Art der Tätigkeit im Jahr 1982 beantwortet. Keine der Krankenschwestern hatte zum damaligen Zeitpunkt eine COPD in der Vorgeschichte. 29% von ihnen gaben an, irgendwann einmal im OP gearbeitet zu haben, und 3% waren dort 15 oder mehr Jahre lang tätig.
Forscher untersuchten Assoziationen der Tätigkeit mit COPD anhand von mehreren statistischen Szenarien. Modell 1 berücksichtigte das Alter, Modell 2 die Zahl gerauchter Zigaretten pro Jahr und Modell 3 die Ethnie, den Wohnort sowie den Body-Mass-Index.
Signifikant höheres COPD-Risiko bei längerer Tätigkeit im OP
Im 3. Modell war eine mindestens 15-jährige Tätigkeit im OP mit einem um 46% erhöhten COPD-Risiko verbunden, verglichen mit anderen Tätigkeiten in der Vorgeschichte (Hazard Ratio 1,46; 95%-Konfidenzintervall 1,10-1,93).
Darüber hinaus war das COPD-Risiko bei Krankenschwestern in der ambulanten Pflege (HR 1,24; 95%-KI 1,04-1,47) oder in stationären Einheiten zur Notfallversorgung (HR 1,31; 95%-KI 1,07-1,59) signifikant höher als bei Krankenschwestern, die 1982 eine administrative oder nicht-pflegerische Tätigkeit ausübten und nicht im OP beschäftigt waren.
Die Forscher fanden außerdem heraus, dass das Risiko, an COPD zu erkranken, bei Krankenschwestern mit einer OP-Erfahrung von 15 Jahren oder mehr um 69% höher war (HR 1,69; 95%-KI 1,25-2,28) als bei Krankenschwestern, die nie in einem OP gearbeitet hatten und 1982 in der Verwaltung bzw. der Ausbildung oder in anderen Tätigkeitsfeldern gearbeitet haben.
Sind weitere Maßnahmen zum Arbeitsschutz erforderlich?
Bekanntlich zeigen Kohortenstudien nur Assoziationen, aber keine Kausalitäten. „Angenommen, es handelt sich tatsächlich um einen ursächlichen Befund, könnte dies dazu führen, dass der Schutz des OP-Personals und/oder die Standards zur Belüftung von Operationssälen weiter angepasst werden müssen“, erklärte Prof. Dr. Kevin Tzan, Anästhesiologe am Baylor College of Medicine in Houston, Texas, gegenüber Reuters Health per E-Mail.
Tzan, der nicht an der Studie beteiligt war, fügte hinzu, dass es in letzter Zeit keine relevanten Veränderungen zum Schutz gegen inhalative Schadstoffe gegeben habe, was darauf hindeute, dass das COPD-Risiko über den Zeitrahmen dieser Studie hinausgehen könne. „Allerdings könnte die schiere Zunahme an Zahl der Operationen, die heute im Vergleich zu vor 20 Jahren durchgeführt werden, möglicherweise eine erhöhte Expositionsmenge bedeuten“, fügte er hinzu.
Prof. Dr. Ilias Kavouras von der Abteilung für Umwelt-, Arbeits- und Raumgesundheitswissenschaften an der CUNY Graduate School of Public Health, New York City, sagte, dass die COVID-19-Pandemie die Bedeutung der Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung sowohl im OP als auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens unterstrichen habe.
Den Studienautoren zufolge hätten modernen OP-Masken zwar eine bessere Filterwirkung, beispielsweise N95-Masken. Aber sie entfernten möglicherweise keine ultrafeinen Partikel, die häufig im chirurgischen Rauch vorkämen. Und wenn man solche Masken falsch trage, brächten sie nur wenig, erklärt Kavouras, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber Reuters Health per E-Mail.
Kavouras wies auch darauf hin, dass mehr Längsschnittstudien über Chemikalien im OP und über die Auswirkungen der beruflichen Exposition erforderlich seien. „Wenn eine neue Chemikalie oder ein neues Produkt eingeführt wird, untersuchen wir nie wirklich die langfristigen Auswirkungen“, sagte er. „Ebenso haben wir keine Ahnung, was mit jemandem passiert, wenn er über 15, 20 oder 25 Jahre hinweg einer geringen Menge ausgesetzt ist, weil diese Chemikalien für den kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind und die Beachtung des kumulativen Expositionsrisikos nicht immer eine Priorität ist.“
Der Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Nurses' Health Study: Lange Jahre im OP – ein möglicher Risikofaktor für die chronisch-obstruktive Lungenkrankheit - Medscape - 13. Okt 2021.
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