Viele Ärztinnen und Ärzte mit ausländischer Ausbildung wollen beruflich in Deutschland Fuß fassen. Aber vor dem ersten Arbeitstag als approbierte Ärztin oder als approbierter Arzt in Deutschland müssen sie hohe Hürden überwinden, vor allem für Ärzte, die in einem Nicht-EU-Land studiert haben. Übersetzung und Begutachtung der Curricula, Kenntnisprüfung oder Gleichwertigkeitsprüfung – die Liste ist lang. Seit Jahren kritisiert der Marburger Bund (MB) die teilweise überlangen Bearbeitungsfristen der Unterlagen aus dem Ausland.
So läufts innerhalb der EU
Von April 2012 bis Dezember 2019 wollten mehr als 47.500 Ärztinnen und Ärzte, davon fast 19.300 aus dem EU-Ausland, in Deutschland ihren Beruf ausüben. Bei Ärzten, die ihre Ausbildung im EU-Ausland absolviert haben, greift in der Regel das automatische System der Anerkennung der Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG). Da alle EU-Länder auf diese Standards verpflichtet sind, findet bei Ärzten aus dem EU-Ausland keine inhaltliche Gleichwertigkeitsprüfung statt, sondern eine rein formale Überprüfung der Unterlagen, und zwar innerhalb der gesetzlichen Frist von 3 Monaten. Die Prüfung ist Voraussetzung für die Approbationserteilung.
Komplizierter ist das Verfahren bei Ärztinnen und Ärzten, die in Drittländern ausgebildet wurden, also etwa in Syrien oder Japan. Oft gehen hier viele Monate und manchmal Jahre ins Land, bis alle Formalitäten und Prüfungen erledigt sind, erklärte Ruth Wichmann, Leiterin des Auslandsreferates vom Bundesverband MB in Berlin, auf einer Onlineveranstaltung des MB Niedersachsen.
Der gesamte Prozess dauert manchmal Jahre
Denn Ärzte mit Drittstaatenausbildung müssen individuell nachweisen, dass ihre Ausbildung der deutschen gleichwertig ist. Dazu müssen sie die Gleichwertigkeitsprüfung mittels ihrer Ausbildungsunterlagen, Zeugnisse und Curricula vornehmen lassen. Dazu reichen sie die Unterlagen bei der zuständigen Approbationsbehörde ein. Sie arbeitet zusammen mit der Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) in Bonn oder auch mit externen Gutachtern.
Fällt die Begutachtung positiv aus, erhalten die Bewerber von ihrer Approbationsbehörde die Anerkennung ihrer ärztlichen Ausbildung. Werden aber wesentliche Unterschiede festgestellt, die nicht durch Berufserfahrung oder sonstige Fähigkeiten ausgeglichen wurden, so steht die Kenntnisprüfung an. Sie umfasst vor allem die Innere Medizin und Chirurgie und wird je nach Bundesland von den Ärztekammern oder von an Universitäten tätigen Ärzten abgenommen. Um die Prüfung zu meistern, bedarf es in vielen Fällen einer mehrmonatigen Vorbereitungszeit.
Prüfung statt Gutachten
Der ganze Prozess, die Gleichwertigkeit der Ausbildung nachzuweisen, dauert manchmal Jahre. „Bestenfalls führen die Approbationsbehörden die Gleichwertigkeitsprüfung innerhalb von 4 Monaten durch, nachdem sie alle notwendigen Unterlagen erhalten haben“, sagt Wichmann zu Medscape. Es kann aber auch 1 Jahr dauern.
Die gesetzlich vorgesehene Frist, innerhalb der ein Termin für die Kenntnisprüfung angeboten werden muss, beträgt 6 Monate. „Nicht selten müssen jedoch Ärzte ein Jahr oder länger auf einen Prüfungstermin warten“, erklärt Wichmann. Für Ärzte, die die Prüfung nicht im ersten Anlauf schaffen (2 Wiederholungsversuche sind möglich), ergeben sich natürlich weitere erhebliche Verzögerungen.
Viele ausländische Ärzte verzichten mittlerweile auf die Gleichwertigkeitsprüfung und absolvieren direkt die Kenntnisprüfung. Von den 2019 beschiedenen Verfahren wiesen nur noch rund 20% der Bewerber die Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung durch ein Gutachten nach.
Der Marburger Bund fordert mehr Kapazitäten
Während das Verfahren läuft, können Ärzte mit Drittstaatenausbildung bei ihrer Approbationsbehörde eine Berufserlaubnis beantragen. Sie wird für maximal 2 Jahre erteilt und wird nur ausnahmsweise verlängert. Zudem ist sie auf das jeweilige Bundesland beschränkt oder auf einen bestimmten Arbeitgeber.
Allerdings kann man mit einer Berufserlaubnis weder eine Weiterbildung beginnen noch erhält man den vom MB geforderten Tariflohn. Deshalb „sollten Ärzte mit Drittstaatenausbildung nur so lange mit der Berufserlaubnis arbeiten, wie es zur Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung notwendig ist“, rät Wichmann.
Zudem fordert die Referentin, „dass die gesetzlichen Fristen bei der Gleichwertigkeits- und Kenntnisprüfung eingehalten werden.“ Schließlich herrsche in Deutschland Ärztemangel. Und wenn die Kapazitäten für die Kenntnisprüfung nicht reichen, „dann müssen sie eben geschaffen werden!“, so Wichmann.
Außerdem sollte die Gleichwertigkeitsprüfung komplett an die Gutachtungsstelle für Gesundheitsberufe übergeben werden, um ein transparentes und einheitliches Verfahren bei der Begutachtung zu schaffen.
Im Übrigen mahnt Wichmann eine bessere Service-Qualität an. Oft seien auch die Telefonzeiten zu knapp. Tatsächlich ist zum Beispiel der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung (NiZzA) gerade mal an 3 Tagen in der Woche nur 1,5 bis 3 Stunden telefonisch erreichbar.
Credits:
© Felipe Caparros Cruz
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Ärzte aus dem Ausland holen? So schwierig ist der Hürdenlauf zur Approbation – vor allem für Ärzte aus Nicht-EU-Ländern - Medscape - 13. Okt 2021.
Kommentar