Screening nach Polypen in der Verwandtschaft zur Senkung des Darmkrebs-Risikos; Speiseröhrenkrebs immer häufiger bei Jüngeren

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

12. Oktober 2021

Im Onko-Blog dieser Woche geht es um den bevorzugten Kombinationspartner für Palbociclib bei Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom. Für Patienten mit Cholangiokarzinom und Isocitrat-Dehydrogenase-1-Mutation könnte mit Ivosidenib eine neue Therapieoption zur Verfügung stehen, die allerdings auch noch keinen durchschlagenden Therapieerfolg ermöglicht. Das Risiko für ein Kolorektalkarzinom erhöht sich, wenn Geschwister oder Eltern Darmpolypen haben. Speiseröhrenkrebs tritt – wie auch das Kolorektalkarzinom – bei immer jüngeren Menschen auf. Erklärt wird dies u.a. mit einem ungesunden Lebensstil.

  • Mammakarzinom: Fulvestrant/Palbociclib vs. Letrozol/Palbociclib im direkten Vergleich

  • Cholangiokarzinom: Ivosidenib verlängert Gesamtüberleben

  • Kolorektalkarzinom: Erhöhtes Risiko bei Darm-Polypen in der Verwandtschaft

  • Speiseröhrenkrebs: Immer häufiger bei jüngeren Menschen

  • Multiples Myelom: Marker für Infektionsrisiko bei neu diagnostizierten Patienten

Mammakarzinom: Fulvestrant/Palbociclib vs. Letrozol/Palbociclib im direkten Vergleich

Fulvestrant/Palbociclib erwies sich in der Wirkung auf das progressionsfreie Überleben (PFS) bei Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem fortgeschrittenen Mammakarzinom als nicht besser wirksam als Letrozol/Palbociclib. „Diese Befunde bestätigen, dass nichtsteroidale Aromataseinhibitoren der bevorzugte Kombinationspartner von Palbociclib bei dieser Patientenpopulation bleiben“, so die Schlussfolgerung der internationalen Arbeitsgruppe im JAMA Oncology .

Bei Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem fortgeschrittenen Mammakarzinom ist eine Kombinationstherapie aus einem CDK-4/6-Inhibitor und einem nichtsteroidalen Aromataseinhibitor derzeit Standard. Auch für den selektiven Östrogenrezeptor-Downregulator Fulvestrant wurden in Phase-3-Studien in Kombination mit einem CDK-4/6-Inhibitor günstige Effekte gesehen.

Daher verglich die Arbeitsgruppe nun in der Head-to-Head-Studie PARSIFAL die Wirksamkeit von Fulvestrant plus Palbociclib und Letrozol plus Palbociclib auf das progressionsfreie Überleben. In die internationale offene randomisierte Studie wurden 486 Frauen aufgenommen. Je 243 erhielten eine der beiden Kombinationstherapien.

Nach einem medianen Follow-up von 32 Monaten waren in der Fulvestrant-Gruppe 131 (53,9%) und in der Letrozol-Gruppe 125 (51,4%) PFS-Ereignisse aufgetreten. Das mediane PFS betrug 27,9 Monate unter Fulvestrant-Einnahme und 32,8 Monate mit Letrozol. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant. Auch die Ansprechraten und das 3-Jahres-Überleben sowie die Grad-3/4-Nebenwirkungen waren in den beiden Gruppen vergleichbar.

Cholangiokarzinom: Ivosidenib verlängert Gesamtüberleben

Ivosidenib, ein Hemmer der Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1), kann den sekundären Endpunkt Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit ID1-mutiertem Chemotherapie-refraktärem Cholangiokarzinom verbessern. Dies belegen die finalen Daten der Phase-3-Studie ClarIDHy, die eine internationale Arbeitsgruppe in JAMA Oncology publiziert hat.

Die Ergebnisse zum primären Endpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS), waren auf dem ESMO-Kongress 2019 vorgestellt und in Lancet Oncology veröffentlicht worden. Ivosidenib hatte bei den insgesamt 185 Patienten das PFS im Vergleich zu Placebo signifikant von 1,4 auf 2,7 Monate im Median verlängert.

Nach den nun vorgelegten finalen Daten der Studie verlängerte Ivosidenib das mediane Überleben von 7,5 Monaten unter Placebo auf 10,3 Monate. In der Ivosidenib-Gruppe lebten nach 12 Monaten 43%, in der Placebo-Gruppe 36% der Patienten. Ivosidenib verbesserte damit das Überleben numerisch, und zwar trotz einer hohen Crossover-Rate (70%) aus der Placebo-Gruppe.

Zusammen mit den Daten zur Verträglichkeit und zur Lebensqualität zeigt sich nach Ansicht der Autoren ein klinischer Nutzen von Ivosidenib im Vergleich zu Placebo bei dieser sehr aggressiven Erkrankung, bei der nach wie vor ein hoher Bedarf für neue Therapiemöglichkeiten besteht.

Kolorektalkarzinom: Erhöhtes Risiko bei Darm-Polypen in der Verwandtschaft

Geschwister und Kinder von Personen mit kolorektalen Polypen haben ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, und zwar vor allem an frühem Darmkrebs. „Ein frühes Screening auf ein Kolorektalkarzinom sollte daher bei den Verwandten ersten Grades von Patienten mit Darmpolypen überlegt werden“, so das Fazit, das eine schwedischen Arbeitsgruppe aus den Ergebnissen einer im British Medical Journal publizierten Fallkontrollstudie zog.

Bislang vorliegende Daten zur Assoziation von familiär vorkommenden Polypen und Darmkrebsrisiko waren uneinheitlich. In der neuen schwedischen Studie analysierte die Arbeitsgruppe nun die Daten von 68.060 Personen mit einem Kolorektalkarzinom sowie von 333.753 Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung.

Polypen bei einem Verwandten ersten Grades waren mit einem höheren Kolorektalkarzinom-Risiko assoziiert (Odds-Ratio 1,62). Die Odds-Ratio lag bei hyperplastischen Polypen bei 1,23, bei tubulovillösen Adenomen bei 1,44.

Das Risiko nahm mit der Zahl der betroffenen Verwandten (≥2 Verwandte: Odds-Ratio 1,70) und mit abnehmendem Alter bei der Polypendiagnose zu (unter 55 Jahren: Odds-Ratio 1,77).

Eine besonders starke Assoziation für ein frühes Kolorektalkarzinom, das vor einem Alter von 50 Jahren diagnostiziert wurde, ergab sich mit einer Odds-Ratio von 3,34 bei ≥2 Verwandten ersten Grades mit Polypen.

Speiseröhrenkrebs: Immer häufiger bei jüngeren Menschen

Krebserkrankungen der Speiseröhre haben sich bei Personen unter 50 Jahren in den letzten 30 Jahren verdreifacht. Dies ergab eine niederländische Studie mit fast 60.000 Patienten, die auf der UEG-Week 2021 vorgestellt worden ist.

Die Studie in den Niederlanden erfasste fast 60.000 Patienten. Es zeigte sich, dass die Häufigkeit neuer Adenokarzinome der Speiseröhre bei Personen unter 50 Jahren zwischen 1989 und 2018 von 0,34 auf 0,92 pro 100.000 Einwohner angestiegen waren. Die Häufigkeit der Erkrankung hatte bei Männern im Mittel um 1,5%, bei Frauen um 3% zugenommen.

Patienten im Alter unter 50 Jahre präsentierten sich häufiger mit fortgeschrittenen Krankheitsstadien im Vergleich zu älteren Patienten. Jüngere unterzogen sich jedoch öfter einer multimodalen Therapie. Damit waren die Überlebenschancen der jüngeren Patienten besser als die der älteren Patienten.

Dr. Ali Al-Kaabi, Radboud University Medical Center, Nijmegen, Niederlande, erklärte in einer Pressemitteilung der UEG: „Wir wissen, dass die Krankheit mit einem Barrett-Ösophagus in Verbindung steht, einer prämalignen Erkrankung am unteren Ende der Speiseröhre. Gastroösophagealer Reflux, Fettleibigkeit und Rauchen sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren für ein Adenokarzinom der Speiseröhre. Wir wissen auch, dass diese Risikofaktoren bei jungen Erwachsenen in den letzten 30 Jahren zugenommen haben.“

Al-Kaabi weiter: „Aufgrund dieser Studienergebnisse ist es wichtig, dass Erwachsene unter 50 Jahren diese Speiseröhrenkrebs-Symptome kennen, um eine frühere Diagnose und eine höhere Überlebenschance zu ermöglichen.“

Symptome für Speiseröhrenkrebs sind oft schwer zu erkennen und werden häufig mit Symptomen andere Erkrankungen verwechselt. Dazu gehören z.B. Schluckbeschwerden, Übelkeit oder Erbrechen, Sodbrennen und Verdauungsstörungen.

Multiples Myelom: Marker für Infektionsrisiko bei neu diagnostizierten Patienten

2 herkömmliche Routineparameter der klinischen Chemie – erhöhte Harnstoff- und Phosphatwerte – eignen sich möglicherweise bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom als Marker für ein erhöhtes Infektionsrisiko. Außerdem werden bei erhöhtem Infektionsrisiko vermehrt Hinweise auf eine verzerrte, weniger diverse Immunabwehr gefunden.

Dr. Eva Käbisch, Charité Berlin, berichtete bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie 2021über erste Ergebnisse einer prospektiven Beobachtungsstudie.

Infektionen sind eine der häufigsten Todesursachen beim multiplen Myelom. Neben einer immunsupressiven Therapie trägt der sekundäre Immundefekt erheblich zur Infektionsanfälligkeit bei. Derzeit bekannte Risikofaktoren für Infektionen sind z.B. spätes Erkrankungsstadium, Anämie und erhöhte CRP-Werte.

Die Berliner Arbeitsgruppe untersucht derzeit in einer prospektiven Beobachtungsstudie, ob das individuelle Risiko für infektiöse Komplikationen bei Neudiagnose vorausgesehen werden kann. Dazu werden bei Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom Impftiter und der Immunstatus untersucht. In der Nachbeobachtungszeit von 12 bis 14 Monaten werden alle Daten zu infektiösen Komplikationen erhoben.

Käbisch stellte eine erste Analyse nach einer Nachbeobachtungszeit von 1,4 Jahren vor. Das mittlere Alter der bislang 25 Patienten liegt bei 60 Jahren. 60% der Patienten hatten im Beobachtungszeitraum keine Infektion.

Patienten mit einer Infektion wiesen bereits bei der Erstdiagnose erhöhte Marker einer fortgeschrittenen Erkrankung wie niedrigere Hb-Werte oder erhöhte Calciumwerte auf. Außerdem litten sie häufiger unter Nierenfunktionsstörungen mit erhöhten Harnstoff- und Phosphatwerten auf. Diese beiden Marker waren im Vergleich zu den nicht an einer Infektion erkrankten Patienten signifikant unterschiedlich.

Infizierte hatten bei Erstdiagnose zudem erhöhte Marker einer aggressiven Erkrankung und Entzündung wie Beta-2-Mikroglobulin, LDH, CRP und Harnsäure. Außerdem zeigten sie niedrigere Impftiter für Tetanus und Pneumokokken, wobei der Impfstatus der Patienten nicht bekannt war. Auffallend waren ferner Hinweise auf eine vorbestehende T-Zell-Erschöpfung und eine chronische Immunstimulation.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....