Diät für Schlanke – führt zur Remission: Warum Typ-2-Diabetiker mit normalem BMI vom Abnehmen profitieren können

Becky McCall

Interessenkonflikte

11. Oktober 2021

Ergebnisse der ReTUNE-Studie (Reversal of Type 2 Diabetes Upon Normalisation of Energy intake in the non-obese) zeigen, dass auch bei Personen mit normalem BMI eine Remission des Typ-2-Diabetes erreicht werden kann, wenn sie 10% bis 15% ihres Körpergewichts verlieren. Dies steht im Gegensatz zu der verbreiteten Auffassung, dass solche Patienten nur medikamentös behandelt werden könnten. Die Ergebnisse ähneln Resultaten aus früheren Studien zur Gewichtsreduktion bei Typ-2-Diabetikern, die übergewichtig oder adipös sind.

Die Studie zeigte auch, dass der Fettgehalt in Leber und Pankreas deutlich zurückging und dass Insulin produzierende Zellen wieder aktiviert wurden.

 
Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass nicht fettleibige Typ-2-Diabetiker während der Gewichtsabnahme ähnliche physiologische Veränderungen durchlaufen wie übergewichtige und adipöse Personen. Dr. Ahmad Al-Mrabeh
 

„Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass nicht fettleibige Typ-2-Diabetiker während der Gewichtsabnahme ähnliche physiologische Veränderungen durchlaufen wie übergewichtige und adipöse Personen“, sagte Dr. Ahmad Al-Mrabeh von der Universität Edinburgh. Er stellte die Arbeit auf dem virtuellen Jahreskongress 2021 der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vor.

Diabetes-Remission auch bei normalem BMI möglich

Lange Zeit nahmen Endokrinologen an, dass ein normalgewichtiger Typ-2-Diabetiker eine andere Pathophysiologie aufweist als ein übergewichtiger Patient. Und so wurde Betroffenen „in der Regel auch nicht zur Gewichtsreduktion geraten, sondern eher frühzeitig mit einer medikamentösen Therapie und auch mit der Insulingabe begonnen“, erklärte Al-Mrabeh.

Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass auch bei Menschen mit normalem BMI eine Remission ohne Medikamente erreicht werden könne. Bei einigen reiche ein Gewichtsverlust von 5%, bei anderen müsse stärker abgenommen werden. „Wir empfehlen in der Gruppe mit normalem BMI eine vorsichtige Gewichtsreduktion“, so Al-Mrabeh.

Dr. Roy Taylor, Diabetologe an der Universität Newcastle, war leitender Prüfarzt bei ReTUNE. „Es handelt sich zwar erst um vorläufige Ergebnisse, doch sehen wir sehr deutlich, dass der Diabetes nicht durch Adipositas verursacht wird, sondern dadurch, dass man praktisch zu schwer für den eigenen Körper ist. Es liegt daran, dass man zu viel Fett in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse hat, und zwar unabhängig vom BMI.“

 
Wir sehr deutlich, dass der Diabetes nicht durch Adipositas verursacht wird, sondern dadurch, dass man praktisch zu schwer für den eigenen Körper ist. Dr. Roy Taylor
 

Überschüssiges Leberfett behindere die normale Funktion des Insulins, während überschüssiges Fett im Pankreas die Betazellen bei der Insulinproduktion störe, berichtet Taylor. In Großbritannien seien gut 10% der Typ-2-Diabetiker zum Diagnosezeitpunkt normalgewichtig. „Dies sollte ein Weckruf für die Ärzte sein.“

Dr. Lucy Chambers von Diabetes UK begrüßte die neuen Erkenntnisse. „Inneres Körperfett könnte einer der Gründe für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes bei normalgewichtigen Personen sein. Die Studie untersucht, ob ein kalorienarmes Programm zur Gewichtsabnahme dazu beitragen kann, inneres Körperfett abzubauen.“

Sie hoffe, so Chambers weiter,dass durch diese Ergebnisse mehr Personen am NHS-Programm gegen Typ-2-Diabetes teilnehmen könnten“.

Details zum Studiendesign

Zum Hintergrund: Die DiRECT-Studie (Diabetes Remission Clinical Trial) hat gezeigt, dass eine deutliche Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Menschen zu einer Remission eines Typ-2-Diabetes führen kann und zahlreiche weitere Vorteile mit sich bringt, darunter Verbesserungen eines Hypertonus und sogar eine Wiederherstellung der Pankreasfunktion.

Die ReTUNE-Studie befasst sich in ähnlicher Weise mit der Remission des Typ-2-Diabetes, allerdings bei Normalgewichtigen. 12 Typ-2-Diabetiker wurden in die Studie aufgenommen. Sie waren im Schnitt 58,3 Jahre alt, und ihr BMI lag bei 24,5 (alle Teilnehmer hatten einen BMI < 27). Sie waren im Mittel 2,5 Jahre an Typ-2-Diabetes erkrankt. Zum Vergliche wurden Daten von 11 Personen mit ähnlichem mittlerem Alter, BMI (nach Gewichtsverlust) und mit ähnlicher Krankheitsdauer herangezogen.

Die Teilnehmer hielten 2 Wochen lang eine Diät aus täglich 800 kcal mit Suppen und Shakes ein, gefolgt von 4 bis 6 Wochen Gewichtserhaltung. Dieser Diätzyklus mit Gewichtsabnahme und -erhaltung wurde 2- bis 3-mal wiederholt, bis eine Remission erreicht war (HbA1c < 48 mmol/mol; 10% bis 15% Rückgang des Körpergewichts).

Mithilfe des MRT wurde der Organfettanteil bestimmt. Zudem wurden die Insulinsensitivität und die Betazellreaktion nach einer Standardmahlzeit abgeschätzt.

Vielfältige Effekte der Diät

Der durchschnittliche Gewichtsverlust betrug 8,2 kg (von 69 kg auf 61,8 kg), was einem Rückgang um 11,9% entspricht. Das Gesamtkörperfett schrumpfte von 33,1% auf 27,4% (p < 0,001). Im Vergleich dazu hatten die Kontrollpersonen einen Gesamtkörperfettanteil von 25,4%.

Bei Teilnehmern, die Gewicht in einer Größenordnung von 10% bis 15% ihres Körpergewichts verloren hatten, sanken sowohl der Nüchternzucker als auch der HbA1c-Wert von 7,3 mmol/l auf 6,3 mmol/l bzw. von 53,8 mmol/mol auf 48,0 mmol/mol (p < 0,05 für beide). Das Nüchternplasmainsulin normalisierte sich von 52,2 auf 23,7 pmol/l (p = 0,007). Triglycerid-Spiegel gingen von 1,6 auf 1,0 mmol/l zurück: auf einen ähnlichen Wert wie in der Kontrollgruppe (p = 0,002).

Der Fettanteil der Leber war zu Beginn der Studie mehr als doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe (4,4% gegenüber 1,93%, p = 0,02), sank aber nach der Intervention auf 1,4% (p = 0,004 gegenüber dem Ausgangswert). Auch das Pankreasfett sank von 5,1% auf 4,5% (p = 0,026), was wiederum dem Niveau der Kontrollgruppe entsprach (3,4%, p = 0,13).

Eine durch den Gewichtsverlust induzierte Remission des Diabetes wurde bei 67% (8 von 12) der Interventionsteilnehmer erreicht. „Dieses Ergebnis ähnelt dem aus Studien zur Gewichtsreduktion bei übergewichtigen und fettleibigen Personen“, kommentierte Al-Mrabeh.

Fettanteil in Leber und Pankreas als Schlüssel zum Typ-2-Diabetes

„Unsere Daten zeigen deutlich, dass es beim Typ-2-Diabetes eine hohe Fettablagerung vor allem in der Leber und im Pankreas gibt“, so Al-Mrabeh weiter.

Wenn Speicher des Unterhautfettgewebes voll seien oder nicht mehr richtig funktionierten, suche sich das Fett andere Regionen. „Das sind dann Stellen, an denen normalerweise kein Fett zu finden ist, wie etwa im Pankreas, im Herz und in den Muskeln. Jeder Mensch hat eine bestimmte Kapazität zur Fettspeicherung, die so genannte „persönliche Fettschwelle“, und wenn diese überschritten wird, entwickelt sich im Laufe der Jahre ein gestörter Stoffwechsel.“

Al-Mrabeh hofft, dass durch ein besseres Verständnis der Ursachen für die Fetteinlagerung in der Bauchspeicheldrüse und in der Leber neue, gezieltere Therapien zur Vorbeugung und Bekämpfung eines Typ-2-Diabetes entwickelt werden können, die über die Gewichtsreduktion hinausgehen: „Wir wollen wissen, was bei der Gewichtsabnahme passiert, wenn eine Remission des Diabetes erreicht wird.“

Remission oder Linderung von Typ-2-Diabetes?

Prof. Dr. Christian Heinz Anderwald von der Medizinischen Universität Wien warf die Frage auf, ob es sich bei dem beobachteten Effekt wirklich um eine Remission des Typ-2-Diabetes oder nur um eine Linderung der Krankheit handele.

„Eine Gewichtsabnahme kann zur Remission eines Typ-2-Diabetes führen, aber das ist etwas anderes als eine Heilung“, antwortete Al-Mrabeh. „Die Definition von Remission wurde in einem kürzlich veröffentlichten Konsensdokument von der American Diabetes Association, EASD und Diabetes UK festgelegt. Demnach bedeutet die Rückkehr auf einen normalen HbA1c-Wert die Remission, und das hatte bei allen Teilnehmern auch noch nach 12 Monaten Bestand. Remission steht hier für einen neuen Zustand des Stoffwechsels.“

Dr. Olga Ramish vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke stellte die Frage, ob die Gewichtsabnahme am Ende der Studie beibehalten worden sei und was mit dem Blutzucker bei Patienten passiert sei, die wieder an Gewicht zugenommen hätten.

„Die Gewichtszunahme nach 12 Monaten war minimal“, sagte Al-Mrabeh. „Normalgewichtige Personen hatten weit weniger Probleme, eine erneute Gewichtszunahme zu vermeiden, als schwerere Personen. Unsere früheren Studien deuten darauf hin, dass das Gewicht wieder steigt, wenn die Essgewohnheiten nicht nachhaltig kontrolliert werden. Dann verschlechtert sich die Blutzuckerkontrolle und der Diabetes wird zurückkehren.“

Vergleiche unterschiedlicher Studien

Taylor, Al-Mrabeh und Kollegen aus Newcastle stellten auf der Tagung weitere Ergebnisse vor, so etwa zum Fettabbau in Leber und Pankreas bei Typ-2-Diabetikern mit einem BMI von im Mittel 35,1 (DiRECT-Studie), die mit Typ-2-Diabetikern und einem durchschnittlichen BMI von 24,3 (ReTUNE-Studie) sowohl vor als auch nach einer Gewichtsabnahme verglichen wurden.

Beide Gruppen verloren 10% bis 15% ihres Körpergewichts. Mithilfe von MRT-Scans wurde vor und nach der Gewichtsabnahme der Fettgehalt in Leber und Pankreas bestimmt. Die Resultate wurden dann mit einer hinsichtlich Alter, Geschlecht und BMI identischen Kontrollgruppe ohne Diabeteserkrankung verglichen.

Das Leber- und Pankreasfett war bei allen Typ-2-Diabetikern unabhängig vom BMI und nach einer Gewichtsabnahme erhöht. Bei den Übergewichtigen sank das durchschnittliche Leberfett von 16% auf 3%, während es bei Patienten mit normalem BMI von 4,7% auf 1,4% zurückging. Übergewichtige Kontrollpersonen ohne Diabetes hatten einen Leberfettanteil von 5,5% und normalgewichtige Kontrollpersonen von 1,9%.

Auch das Pankreasfett ging in beiden Gruppen zurück: bei den Übergewichtigen von 8,5% auf 7,6% (Kontrollgruppe: 6,8%) und bei den Normalgewichtigen von 5% auf 4,5% (Kontrollgruppe: 3,4%). Sowohl in der Gruppe der Adipösen als auch bei den Normalgewichtigen wurde eine Remission von 60% bzw. 67% erreicht.

 
Diese Ergebnisse zeigen auch, dass der Leberfettgehalt vom Gewicht abhängt und dass aktuell als unbedenklich geltende Werte bei leichteren Menschen immer noch schädlich sein können. Dr. Roy Taylor
 

Gegenwärtig gehe man davon aus, dass ein Leberfettgehalt von weniger als 5,5% unabhängig vom BMI einer Person gesund ist, so Taylor. „Es ist klar, dass Typ-2-Diabetiker mehr Fett in ihrem Körper haben, als sie verkraften können, auch wenn sie schlank zu sein scheinen“, sagte er.

„Diese Ergebnisse zeigen auch, dass der Leberfettgehalt vom Gewicht abhängt und dass aktuell als unbedenklich geltende Werte bei leichteren Menschen immer noch schädlich sein können. Wir müssen die Art und Weise, wie wir das Leberfett und den BMI beurteilen, verändern.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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