In einer retrospektiven Analyse der Krankenversicherungsunterlagen von fast 20.000 Patienten lag zwischen 2010 und 2018 in Österreich die Sterblichkeit bei Männern nach bariatrischen Eingriffen deutlich über der von Frauen.
Der Grund dafür könnte sein, dass Männer, die sich einer bariatrischen Operation unterziehen, „zum Zeitpunkt des Eingriffs häufiger einen schlechteren Allgemeinzustand haben“ als Frauen, sagte Dr. Hannes Beiglböck auf dem Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) [1].
Die Ergebnisse zeigten auch, dass „Männer zum Zeitpunkt der Operation tendenziell älter sind, was den größten Einfluss auf die OP-Ergebnisse nach derartigen Eingriffen haben könnte“, sagte Beiglböck, Wissenschaftler in der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der Medizinischen Universität Wien, weiter.
Die Ergebnisse bestätigten die Ergebnisse früherer Studien aus anderen Staaten, so Beiglböck: Männer, die sich einer bariatrischen Operation unterziehen, seien tendenziell älter als Frauen, hätten mehr Begleiterkrankungen und eine höhere perioperative Mortalität.
Er wies auch auf frühere Berichte hin, die auf „tief greifende“ geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Gründen hinweisen, aus denen heraus sich Patienten einer bariatrischen Operation unterziehen: Männer seien demnach eher durch medizinische Komplikationen motiviert, Frauen häufiger über ihr Erscheinungsbild.
Daher könnte es bei Männern wichtig sein, der präoperativen Beratung eine größere Bedeutung beizumessen, um Männer frühzeitiger über einen solchen Eingriff nachdenken zu lassen, „was ihre postoperative Sterblichkeitsrate verbessern könnte“, bemerkte er.
Fast 3-fach höhere Sterblichkeit bei Männern
Beiglböck und sein Team nutzten Daten aus dem österreichischen Gesundheitssystem, in dem fast alle Einwohner erfasst sind. Zwischen 2010 und 2018 wurden 19.901 Österreicher einem bariatrischen Eingriff unterzogen. Die Wissenschaftler verfolgten das Outcome über durchschnittlich 5,4 Jahre bis April 2020. Während der 9 Jahre waren 74% der Operierten Frauen – auch dieser Wert passt zu den Zahlen aus anderen Ländern.
Die 5.220 Männer waren im Durchschnitt 41,8 Jahre alt, 65% wurden mit einem Magenbypass und 30% mit einem Magenband versorgt. Die 14.681 Frauen waren im Durchschnitt 40,1 Jahre alt, wobei sich 70% einem Magenbypass und 22% einer Magenbandanlage unterzogen.
Während der Nachbeobachtung starben 367 Patienten (1,8%). Bei den Männern lag die Gesamtsterblichkeitsrate 2,6-mal über der der Frauen (3,4% gegenüber 1,3%), und die durchschnittliche Sterblichkeit pro Jahr war 2,8-mal höher (0,64% gegenüber 0,24%).
Auch die Sterblichkeitsrate am Tag der Operation war bei den Männern deutlich höher als bei den Frauen (0,29% gegenüber 0,05%). Gleiches gilt für die Sterblichkeit innerhalb der ersten 30 Tage nach der Operation (0,48% gegenüber 0,08%). Alle diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren signifikant.
Untersucht wurde auch die Prävalenz für 4 Kategorien von Begleiterkrankungen und wie sich diese bei den Patienten, die während der Nachbeobachtung starben, nach Geschlecht unterschieden. Bei 299 Patienten (81% der verstorbenen Gruppe) lag eine kardiovaskuläre Grunderkrankung vor, 200 (54%) hatten eine psychiatrische Störung, 138 (38%) litten an Diabetes und 132 (36%) an einer bösartigen Erkrankung.
Die Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychiatrischen Störungen war bei Männern und Frauen etwa gleich hoch. Bei Männern war jedoch die Diabetesprävalenz deutlich höher, Frauen hatten dafür einen höheren Anteil an bösartigen Erkrankungen.
Übereinstimmung mit US-Studien
Ein US-Bericht aus dem Jahr 2015 dokumentierte eine höhere Prävalenz bei den Komorbiditäten und schwereren Erkrankungen bei Männern, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen, im Vergleich zu Frauen, bemerkte die Sitzungsleiterin Dr. Zhila Semnani-Azad, Ernährungswissenschaftlerin an der Harvard School of Public Health in Boston, USA.
„Die größte Einschränkung dieser univariaten Analysen besteht darin, dass sie potenzielle Störvariablen, die den Zusammenhang beeinflussen könnten, wie Lebensstilvariablen, Alter und Familienanamnese, unberücksichtigt lassen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass andere Variablen die scheinbar offensichtlichen geschlechtsspezifischen Assoziationen beeinflussen“, sagte sie in einem Interview. Eine weitere Beschränkung sei die geringe Gesamtzahl der analysierten Todesfälle (367).
„Diese Ergebnisse sind ein guter Ausgangspunkt für künftige Studien. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um die Auswirkungen von Begleiterkrankungen und des Geschlechts auf die postoperative Sterblichkeit besser zu verstehen“, schloss Semnani-Azad.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Risiko Männlichkeit: Warum sterben nach bariatrischen Eingriffen deutlich mehr Männer als Frauen? - Medscape - 8. Okt 2021.
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