Die Kunst der Melanom-Therapie besteht darin, die optimale Kombination und den Zeitpunkt zu finden – Prof. Dr. Christoffer Gebhardt erklärt die wichtigsten Studien dazu vom ASCO-Krebskongress.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Christoffer Gebhardt, Hamburg:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu einem kurzen, knackigen Update vom 2022 ASCO Annual Meeting zum Thema Melanom und andere Hauttumoren.
Mein Name ist Christoffer Gebhardt, ich leite in Hamburg am UKE das Hauttumorzentrum. Es war schön, an diesem ASCO endlich wieder persönlich teilnehmen zu können, sich auszutauschen und zu diskutieren.
Tebentafusp beim kutanen Melanom
Im Jahr 2022 gibt es beim Melanom 3 Zulassungen. Bereits im April wurde Tebentafusp zugelassen, ein bispezifisches Fusionsprotein, das mit Hilfe eines modifizierten T-Zell-Rezeptors Tumorzellen und T-Zellen miteinander verbinden kann. Tebentafusp kann für die Erstlinienbehandlung des metastasierten Aderhautmelanoms als wöchentliche Therapie eingesetzt werden.
Beim ASCO 2022 haben wir neue, erste Daten zu Kombinationen von Tebentafusp mit dem PD-L1-Antikörper Durvalumab und dem CTLA4-Antikörper Tremelimumab beim kutanen Melanom gehört [1]. Wir hoffen, dass wir bald eine Studie mit Tebentafusp mit PD1-Antikörper starten können.
Pembrolizumab bei Melanom Stadium IIB/IIC
Auch beim kutanen Melanom erwarten wir eine neue Zulassung im Sommer 2022 für Patienten im Stadium IIB/IIC, also für Hochrisikopatienten ohne Hinweis auf Metastasierung. Für diese Patienten gibt es aktuell keine Leitlinien-gerechte Therapie außer Interferon.
Die Daten der KEYNOTE-716-Studie, von denen nun ein 2-Jahres-Update vorgestellt worden ist, zeigen ganz klar, dass hier mit Pembrolizumab eine Reduktion des Rezidivrisikos um rund 40% im Vergleich zu Placebo möglich ist. Damit wird Pembrolizumab als Goldstandard ab Sommer auch in Deutschland eingeführt werden.
Wir haben bei diesem ASCO-Kongress die Daten zum Fernmetastasen-freien Überleben (DMFS) gehört [2]. Pembrolizumab verbessert bei Stadium IIB/IIC-Melanom das DMFS signifikant mit einer Risikoreduktion um etwa 40% (Hazard-Ratio 0,64). 9% der Patienten haben im Pembrolizumab-Arm Fernmetastasen entwickelt, jedoch 16% im Placebo-Arm. Pembrolizumab verhindert insbesondere Lungenmetastasen. Wir haben also hier einen neuen Goldstandard.
Nivolumab plus Relatlimab
Die 3. bevorstehende Zulassung betrifft eine Kombination aus Nivolumab und Relatlimab. Wir haben beim ASCO-Kongress 2021 schon die Daten der RELATIVITY-047-Studie gehört, bei der der PD1-Antikörper Nivolumab in Kombination mit dem LAG-3-Antikörper Relatlimab beim nicht resektablen Stadium-IV-Melanom signifikante Vorteile im PFS erbracht hat.
Jetzt wurden Daten zum Gesamtüberleben (OS) und zum Ansprechen (ORR) vorgestellt [3]. Diese Daten deuten ebenfalls einen Vorteil für die Kombination an mit einer Ansprechrate von 43% für die Kombination und 33% für Nivolumab allein.
Beim Gesamtüberleben zeigt sich ein Vorteil für die Kombination (HR 0,80), der allerdings nicht signifikant ist. Er erinnert an die CHECKMATE-067-Studie, wo auch der Ipilimumab/Nivolumab-Arm im Vergleich zum Nivolumab-Arm zum Auswertezeitpunkt 3 Jahre noch keine Signifikanz beim OS erreicht hat.
Nivolumab/Relatlimab wird uns hoffentlich schon im 4. Quartal dieses Jahres zur Verfügung stehen als eine Therapie, von der ich annehme, dass sie wahrscheinlich bei vielen Patienten, die aktuell PD-1-Monotherapien erhalten, oder bei Patienten mit eher günstigen prognostischen Markern, z.B. mit einer normwertigen LDH oder Patienten mit BRAF-Wildtyp-Melanom, eingesetzt werden wird. Insbesondere kommen auch Patienten für diese Kombi in Frage, bei denen die Toxizität von Nivolumab/Ipilimumab ausgeprägt ist, denn sie ist bei Nivolumab/Relatlimab mit rund 20% an Grad-3/4-Nebenwirkungen deutlich geringer ist, als bei Nivolumab/Ipilimumab mit rund 60%. Das wird hier sicher ein neuer Standard.
Neue Daten zur Sequenz
Ganz wichtig ist unter diesem Aspekt auch die Frage der Sequenz. Neben den 3 Zulassungen, die ich Ihnen vorgestellt habe, war das eines der wichtigen Themen auf diesem ASCO-Kongress. Es geht um die Frage, mit welcher Therapie wir die Erstlinienbehandlung bei nicht resektablem metastasiertem Melanom beginnen.
Mit dieser Frage haben sich auch in der Vergangenheit schon mehrere Studien befasst, z. B. die Combi-AD-Studie, aber auch die DREAMseq-Studie. Auf diesem ASCO-Kongress wurden Daten der bislang größten Register-Studie zu diesem Thema präsentiert [4]. Die EMRseq-Studie analysierte die Daten von 1.000 Patienten aus dem EUMelaReg.
Diese Auswertung zeigt ganz klar, dass nach Adjustierung von prognoserelevanten Variablen Patienten, bei denen die Therapie mit einer Immuncheckpoint-Inhibition begonnen wurde im Vergleich mit einer BRAF/MEK-Inhibitor-Kombination signifikant profitieren bezüglich des Gesamtüberlebens, aber auch bezüglich des PFS2. Dies umfasst den Zeitraum bis zur Progression unter der Zweitlinientherapie.
Die Frage ist, ob dies für alle Patienten gilt. Ist eine Immuntherapie first im Vergleich zu zielgerichteter Therapie bei vorliegender BRAF-Mutation besser? Diese Frage ist faktisch noch nicht endgültig beantwortet, zumindest nicht für Patienten mit symptomatischen Metastasen mit rascher Kinetik. Da spielt bei vorliegender BRAF-Mutation die BRAF/MEK-Inhibition weiterhin eine wichtige Rolle.
Behandlung von Hirnmetastasen
Eine weitere Gruppe mit einem besonderen Medical Need sind Patienten mit Hirnmetastasen. Hierzu gab es Daten der TRICOTEL-Studie, die Reinhard Dummer aus Zürich vorgestellt hat [5]. Es geht hier vor allem darum, Patienten die symptomatisch sind, in ein Ansprechen hinein zu bringen. Aktueller Goldstandard vor allem der Therapie asymptomatischer Hirnmetastasen ist die Kombination von Nivolumab/Ipilimumab, bei symptomatischem Patienten reicht allerdings auch diese Therapie oft nicht aus.
Die TRICOTEL-Studie zeigte nun, dass die Kombination des PD-L1-Antikörper Atezolizumab mit der BRAF/MEK-Inhibitor-Kombi Vemurafenib und Cobimetinib PFS und OS signifikant verlängert. 6-Monats-Daten zeigen ein Gesamtüberleben von 82% und ein PFS von 57%.
Diese Triplett-Therapie ist also wirksam. Sie ist so in Deutschland noch nicht zugelassen, aber sie kann hoffentlich auf Basis der TRICOTEL- und weiterer Studien eine Zulassung für Patienten mit Hirnmetastasen erhalten.
Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Was wann beim Melanom am besten hilft – Teil 1: Neuer Goldstandard plus Erfolge gegen Hirnmetastasen – „knackiger Überblick“ vom ASCO - Medscape - 13. Jun 2022.
Kommentar