MEINUNG

Neuro-Talk: Neues zu EBV und MS, Thrombektomie, Stents und dem Schlaganfall-Kongress in den USA

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Interessenkonflikte

28. Februar 2022

Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Ich möchte Ihnen berichten, welche Neuigkeiten es in der Neurologie gibt.

Epstein-Barr-Virus-Infektion und MS

Das Jahr fing mit einer spektakulären Publikation in Science an [1]. In der Studie wurden 10 Mio. Angehörige des US-amerikanischen Militärs untersucht mit der Frage, ob eine Infektion mit Epstein-Barr-Virus (EBV) möglicherweise mit dem Risiko an einer Multiplen Sklerose (MS) zu erkranken assoziiert ist.

Von den mehr als 10 Mio. Militär-Angehörigen erkrankten 955 an einer MS und von 801 Patienten waren Serumproben verfügbar. Und 800 von 801 hatten positive EBV-Titer. Im Vergleich zu Kontrollen war dies signifikant mehr, während beispielsweise Zytomegalie-Infektionen gleich häufig waren.

Die MS-Patienten hatten mit 97% auch viel höhere Konversionsraten im Serum für EBV als die Kontrollen mit 57%.

Aber Vorsicht, eine Assoziation bedeutet nicht unbedingt einen kausalen Zusammenhang!

In dieser Publikation wurde die Hoffnung geschürt, dass eine Impfung gegen das EBV möglicherweise in Zukunft die MS verhindern kann. Diese Impfung gibt es aber noch gar nicht.

Thrombektomie vs. medikamentöse Therapie

Nun zum Thema Schlaganfall.

In einer im Lancet publizierten Metaanalyse wurde untersucht, ob die Thrombektomie jenseits von 6 Stunden signifikant besser ist als eine optimale medikamentöse Therapie [2]. Eingeschlossen waren 6 Studien mit 505 Patienten.

Nicht erstaunlich, dass nach 90 Tagen der Wert auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) bei den thrombektomierten Patienten signifikant besser war als bei den konservativ behandelten Patienten. Die Odds-Ratio lag bei 2,42. Die Sterblichkeit war allerdings nicht unterschiedlich.

DES versus BMS

Eine chinesische Studie befasste sich mit einer interessanten Fragestellung [3]. In der Vergangenheit hatte sich ja nicht gezeigt, dass ein Stenting von intrakraniellen Stenosen besser ist als eine optimale medikamentöse Therapie. Als diese Studien durchgeführt wurden, waren aber die Komplikationsraten des Stentings noch relativ hoch.

Die chinesischen Kollegen haben sich Patienten ausgesucht mit intrakraniellen Stenosen, die möglicherweise von einem Stenting profitieren. Das sind Patienten mit erneuten Schlaganfällen oder wiederholten TIAs.

Sie haben in ihrer Studie bei 263 Patienten Drug Eluting Stents (DES) mit Bare Metal Stents (BMS)verglichen und die Patienten über 1 Jahr nachverfolgt.

Die Restenose-Rate war mit Drug Eluting Stents mit 9,5% signifikant geringer als mit Bare Metal Stents mit 30%

Internationaler Schlaganfallkongress (ISC) in den USA

Hier gab es leider kaum neuer Erkenntnisse. Die einzige wirklich neue Studie kam aus Japan, die parallel im New England Journal of Medicine publiziert worden ist [4]. 203 Patienten mit Verschlüssen der vorderen Zirkulation und großen Infarktarealen wurden randomisiert thrombektomiert oder konservativ behandelt.

Der Wert auf der modifizierten Rankin-Skala 0-3 nach 90 Tagen war in der Thrombektomie-Gruppe mit 31% signifikant besser als in der konservativ behandelten Gruppe mit 12,7% (RR 2,43).

Eine weitere Studie aus den USA hat Schlaganfallzentren mit Thrombektomie-Möglichkeiten im Vergleich zu primären Stroke-Units verglichen [5]. In die Studie sind 84.900 Patienten eingegangen, die zwischen 2018 und 2020 behandelt worden sind. Es überrascht Sie sicher nicht, wenn in den großen Schlaganfall-Zentren die Zeit bis zur Thrombolyse und Thrombektomie signifikant geringer war als in den primären Stroke-Units. Das führt auch zu einer reduzierten Sterblichkeit und einer besseren Prognose.

Das ist die praktische Konsequenz. In vielen Regionen gibt es eben keine Schlaganfallzentren, sondern nur primäre Stroke-Units.

Eine weitere, m.E. irrerelevante Studie hat 1.000 Patienten mit ischämischen Schlaganfällen untersucht, die eine Thrombektomie erhielten. Die Autoren berichten, dass 50% der Patienten einen guten Outcome hatten. Da es aber keine Vergleichsgruppe gab, ist das Ganze natürlich irrelevant.

Die letzte Studie, über die ich hier berichte, war eventuell noch ganz vernünftig. Es war eine offene Registerstudie zu 1.025 Patienten mit Sinusvenenthrombosen. Dabei erhielten 33% ein DOAC, 51% Warfarin und 15% beides nacheinander oder wechselseitig. Nach 1 Jahr war kein Unterschied zwischen DOAC und Warfarin für das Risiko erneuter Sinusvenenthrombosen und der Sterblichkeit zu sehen.

 Aber Patienten unter DOACs hatten ein 65% niedrigeres Risiko für schwerwiegende systemische Blutungen und für Hirnblutungen. Damit ist einer offenen Studie repliziert worden, was wir vor 3 Jahren bereits in einer randomisierten Studie zeigen konnten, die 200 Patienten eingeschlossen hatte. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen – eine aufregende Studie aus Science, einige Neuigkeiten zum Schlaganfall und eine meiner Meinung nach nicht sehr produktive ICS in den USA.

Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Kommentar

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