Weltweite Studie: Luftverschmutzung als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs nach Rauchen – Gegenmaßnahmen gefordert

Liam Davenport

Interessenkonflikte

7. Oktober 2021

Die Luftverschmutzung ist weltweit nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache des Lungenkarzinoms. Nach diesen neuen Ergebnissen plädieren die Untersucher für konzertierte Gegenmaßnahmen.

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten, was die Zahl der Todesfälle durch Lungenkrebs betrifft, ist sehr groß. Serbien, Polen, China, die Mongolei und die Türkei sind mit am stärksten betroffen. Dabei spiegelt die Analyse einen Zusammenhang zwischen der Lungenkrebsmortalität und der nationalen Energieerzeugung aus Kohle wider.

„Sowohl das Rauchen als auch die Luftverschmutzung sind wichtige Ursachen für Lungenkrebs“, sagte die ehemalige Ko-Direktorin des National Lung Screening Trial Dr. Christine D. Berg bei der Vorstellung der Studie. „Beide Ursachen müssen beseitigt werden, um die Inzidenz des Lungenkarzinoms zu senken und Leben zu retten.“ Und weiter: „Als Experten für das Lungenkarzinom können wir die Folgen der Luftverschmutzung mit Blick auf die Krebsentstehung abmildern, indem wir uns für saubere Energiestandards stark machen.“

Berg stellte die Arbeit am 9. September 2021 auf der World Conference on Lung Cancer (WCLC) 2021 vor, die von der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) organisiert worden war [1]. Sie begrüßte zudem die jüngste Erklärung der IASLC zur Unterstützung des „International Day of Clean Air for Blue Skies“ am 7. September. Dieser Aufruf hebt die Notwendigkeit von fortgesetzten Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität hervor, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Maßnahmen gegen Luftverschmutzung von größter Bedeutung

Für Dr. Joachim G. J. V. Aerts, Pulmologe an der Erasmus University Medical Center in Rotterdam, sind die Ergebnisse der neuen Analyse „deprimierend“. Es sei jetzt klar, dass die Luftverschmutzung sich nicht nur auf die Inzidenz des Lungenkarzinoms auswirke, sondern auch auf dessen Folgen. In der Tat haben frühere Untersuchungen gezeigt, dass jeder Anstieg der Luftverschmutzung um 10 µg/m3 mit einem Anstieg der Mortalität beim Lungenkarzinom um 15 bis 27% verbunden war. Die Zahlen waren dabei für Frauen und Männer stets gleich.

Eine Schlüsselfrage sei es, so Aerts, ob eine Verringerung der Luftverschmutzung daran etwas ändern würde. So hätten Anstrengungen zur Verringerung der Luftverschmutzung in Großbritannien in den vergangenen Jahrzehnten die Mortalität beim Lungenkrebs nicht gesenkt. Für Aerts liegt das an der gestiegenen Lebenserwartung. Die Menschen seien jetzt länger, aber auch in geringerem Maße der Luftverschmutzung ausgesetzt.

 
Sowohl das Rauchen als auch die Luftverschmutzung sind wichtige Ursachen für Lungenkrebs. Dr. Christine D. Berg
 

Wegen des COVID-19-bedingten Lockdowns ging der Reiseverkehr stark zurück. Damit verringerte sich auch die Luftverschmutzung erheblich, „und das führte zu einem Rückgang der Zahl der Kinder, die mit einem niedrigen Geburtsgewicht geboren wurden“, so Aerts. Es sei zu hoffen, dass sich dieser positive Effekt auch bei anderen Krankheiten zeige.

Der Aufruf zu Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung sei von „größter Bedeutung“, sagte er weiter und wies darauf hin, dass der Schwerpunkt auf der Prävention liegen sollte – und zwar sowohl global als auch national, lokal und persönlich: „Es ist an der Zeit, alle Kräfte zu bündeln, um die Luft wieder sauber zu bekommen.“

In den sozialen Medien wurde Bergs Vortrag sehr positiv aufgenommen. Sie war „fabelhaft“, kommentierte Dr. Eric H. Bernicker, Leiter der Thoraxonkologie am Houston Methodist Cancer Center in Houston, Texas. „Wir müssen uns als Thoraxonkologen für die Reinhaltung der Luft einsetzen, denn wir besitzen hier eine wichtige Stimme.“

 
Beide Ursachen müssen beseitigt werden, um die Inzidenz des Lungenkarzinoms zu senken und Leben zu retten. Dr. Christine D. Berg
 

Die Mitbegründerin der EGFR Resisters Lung Cancer Patient Group Ivy Elkins, die selbst eine Lungenkrebserkrankung überlebt hat, kommentierte die Ergebnisse so: „Es ist äußerst wichtig zu verstehen, dass die Luftverschmutzung für Menschen ein Karzinogen ist. Um Lungenkrebs zu bekommen, braucht man nur Lungen!“

Anteil der Luftverschmutzung am Lungenkarzinom

In ihrem Vortrag betonte Berg, dass das Lungenkarzinom weltweit die häufigste Krebstodesursache sei, obwohl die Verteilung zwischen den Ländern „von den historischen und den aktuellen Rauchmustern und der Demografie der Bevölkerung abhängt“.

Insgesamt zeigen die Daten von GLOBOCAN 2018, dass es weltweit jährlich etwa 2,1 Millionen neue Fälle und fast 1,8 Millionen Tote durch Lungenkarzinome gibt.

Nach einer aktuellen Studie gehen weltweit schätzungsweise 14,1% aller Todesfälle durch Lungenkarzinome, auch bei Nichtrauchern, direkt auf die Luftverschmutzung zurück. Laut Berg ist sie damit nach dem Rauchen die „zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs“.

In den USA ist die Zahl etwas niedriger. Dort werden etwa 4,7% der jährlichen Lungenkrebstodesfälle direkt auf die Luftverschmutzung zurückgeführt. Angesichts der verheerenden Waldbrände im Westen der USA werde die Luftverschmutzung jedoch immer mehr Opfer fordern, prognostizierte sie. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) stufe die Luftverschmutzung insbesondere durch Feinstaub als krebserregend für den Menschen ein. Dieser Zusammenhang sei nachgewiesen.

Vermutlich würden direkte Ablagerungen und lokale Feinstaubeffekte zu oxidativen Schäden und geringgradigen, chronischen Entzündungen führen. Diese wiederum führten zu molekularen Veränderungen, die sich auf die DNA und die Gentranskription auswirkten und die Apoptose hemmten. Dies alles erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer Krebsentstehung, erklärte Berg.

Nach dem Zusammenführen verschiedener Schätzungen zur Krankheitslast weltweit berechneten Berg und ihr Team für 2019 in Serbien mit 36,88 zurechenbaren Todesfällen pro 100.000 die höchste Lungenkrebsmortalität aufgrund einer Exposition gegenüber bestimmten Substanzen bei Personen zwischen 50 und 69 Jahren. Es folgten Polen mit 27,97, China mit 24,63, die Mongolei mit 19,71 und die Türkei mit 19,2.

 
Es ist an der Zeit, alle Kräfte zu bündeln, um die Luft wieder sauber zu bekommen. Dr. Joachim G. J. V. Aerts
 

Hauptverursacher der Luftverschmutzung sei in diesen am stärksten betroffenen Ländern der Verkehr, das Kochen in Innenräumen und die Form der Energiegewinnung, sagte Berg. In Serbien stammten 70% der Energieerzeugung aus Kohle, in Polen 74%, in China 65%, in der Mongolei 80%, in der Türkei 35% und in den USA 19%.

Zum Zeitpunkt der Analyse waren nur 17,3% der Erwachsenen in den USA Raucher, und die Luftkonzentration bestimmter Stoffe mit einer Partikelgröße von 2,5 µm betrug 9,6 µg/m3. Beide Werte liegen weit unter denen, die in stärker betroffenen Ländern zu beobachten sind. „Allerdings gewinnen wir 40% unserer Energie heute aus Erdgas“, so Berg, „und das ist immer noch ein Schadstoff und als Methanquelle ein sehr starker Treibhausfaktor“.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....