Wann wird für Diabetiker COVID-19 lebensgefährlich? Metastudie zu Indikatoren wie Insulin und Statinen – worauf Sie achten sollten

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

6. Oktober 2021

Woran können Ärzte ablesen, wie stark Diabetes-Patienten gefährdet sind, die an COVID-19 erkranken? Anhaltspunkte gibt eine „lebendige“, das heißt regelmäßig aktualisierte Metaanalyse weltweiter Studien. Darin berechnen Wissenschaftler aus Deutschland das Sterberisiko je nach den kritischen Merkmalen. Die jetzige Auswertung bestätigt das Ergebnis der vorangehenden: dass die Prognose vor allem in fortgeschrittenen Diabetes-Stadien ungünstig ist.

Bereits im Juli 2021 haben Dr. Sabrina Schlesinger vom Leibniz-Zentrum für Diabetesforschung der Universität Düsseldorf und ihre Kollegen erste Daten veröffentlicht. Berücksichtigt hatten sie zunächst 22 Publikationen. Eine neue und noch umfangreichere Auswertung – nämlich von 60 Beobachtungsstudien mit 44.509 Teilnehmern aus 18 Ländern – präsentierten sie auf der diesjährigen Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) [1].

Frühe intensive Therapie für Risikopatienten

In einer EASD-Mitteilung betonen die Autoren: „Die Updates unserer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse zu Diabetes und COVID-19 liefern jeweils die besten aktuellen Erkenntnisse.“ Zu wissen, wie bestimmte Merkmale der Patienten mit den Folgen der Infektion zusammenhängen, ermögliche es, jene mit schlechten Chancen zu identifizieren und früh eine intensive Therapie einzuleiten.

Insgesamt sterben Menschen mit Diabetes 2- bis 3-fach häufiger an einer SARS-CoV-2-Infektion als Infizierte ohne Diabetes, allgemeine Risikofaktoren allerdings überschneiden sich.

Aufgegliedert nach einzelnen Parametern gilt bei Diabetes-Patienten für die Mortalität durch COVID-19:

  • Geschlecht: Für Männer ist das Risiko um rund 40% höher als für Frauen.

  • Alter: In der Gruppe über 65 Jahre ist es mehr als 3-mal so groß wie in der Gruppe unter 65. Mit jedem zusätzlichen Lebensjahr steigt die relative Wahrscheinlichkeit um 5%.

  • Körpergewicht: Beim Kriterium Adipositas versus Normalgewicht ermittelten die Forscher für den Body-Mass-Index (BMI) über 30 kg/m² ein um fast 50% höheres Sterberisiko als für einen BMI bis 25 kg/m².

  • Blutzucker: Die stärkste Gefahr besteht bei Blutzuckerwerten über 11 mmol/l zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme. Im Vergleich zu weniger als 6 mmol/l ist die Mortalität fast 4-fach erhöht. Allerdings stufen die Autoren diese Evidenz als mäßig ein, da sie aus nur 3 Studien stammt.

  • Therapie: Bei Patienten, die Insulin injizieren, beobachteten sie eine um rund 80% höhere Todesrate als bei Patienten ohne Insulin. Erklären lässt sich das nach ihrer Ansicht damit, dass die Anwendung von Insulin in der Regel auf ein späteres Diabetes-Stadium hindeutet. Umgekehrt haben Menschen mit Metformin, das ja meist zu Anfang verordnet wird, ein um fast 40% geringeres Risiko als jene, die das Medikament nicht nehmen. Es liegt also keine ursächliche, sondern eine statistische Beziehung vor.

  • Komorbidität: Wie bei der Allgemeinbevölkerung ohne Diabetes steigern Vorerkrankungen auch bei Menschen mit Diabetes die Wahrscheinlichkeit eines COVID-19-bedingten Todes. Das gilt besonders für chronische Nierenerkrankungen (Erhöhung um rund 80%), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (um rund 40%) und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (um fast ein Viertel).

  • Entzündung: Die Forscher fanden eine Assoziation zwischen dem Wert des C-reaktiven Proteins, eines Entzündungsmarkers, und dem Todesrisiko. Dabei war jeder CRP-Anstieg um 10 mg/l mit einer Zunahme der Mortalität um 15% verbunden.

Statine deuten auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ihr Fazit lautet: „Diabetes prädestiniert gerade Männer, Ältere, Menschen mit Adipositas, einigen Vorerkrankungen und Insulin- oder Statintherapie für einen schweren COVID-19-Verlauf und Todesfolge. Die meisten der ermittelten Merkmale zeigen ein progressives Diabetes-Stadium ein. Umgekehrt geht eine Metformin-Therapie, die eher eine frühe Phase signalisiert, mit einem geringeren Sterberisiko einher.“

 
Diabetes prädestiniert gerade Männer, Ältere, Menschen mit Adipositas, einigen Vorerkrankungen und Insulin- oder Statintherapie für einen schweren COVID-19-Verlauf und Todesfolge. Dr. Sabrina Schlesinger
 

Um die Evidenz in Metaanalysen zu stärken, plädiert die Arbeitsgruppe für weitere Primärstudien zu spezifischen Faktoren, etwa zu Typ und Dauer des Diabetes oder unterschiedlichen Vorerkrankungen. Und sie kündigt an: „Wir werden diesen Bericht kontinuierlich auf den neuesten Stand bringen, um die bisherigen Assoziationen zu untermauern und zusätzliche Resultate bereitzustellen, beispielsweise zu Langzeitkomplikationen.“

 

Kommentar

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