Sinusvenenthrombose nach COVID-19-Impfungen: Neue Daten zum Mechanismus und zur Mortalität

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

6. Oktober 2021

Warum kann es nach COVID-19-Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin zu Sinusvenenthrombosen kommen? Neue Untersuchungen zeigten, dass nicht nur ein Protein auf Blutplättchen mit Bestandteilen des Impfstoffs ungünstig interagiert. Inhaltsstoffe des Vakzins kommen als Trigger mit hinzu. Das berichten Prof. Thomas Renné, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin am UKE und Prof. Dr. Andreas Greinacher, Leiter der Abteilung Transfusionsmedizin am Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin der Universität Greifswald, jetzt in Blood [1].

Plättchenfaktor 4 als entscheidende Zielstruktur

Zu den Details: Durch Wechselwirkungen mit dem Impfstoff wird ein Protein von Blutplättchen, der Plättchenfaktor 4 (PF4), von Antikörper-bildenden Zellen des Immunsystems erkannt. Diese Zellen beginnen daraufhin, Antikörper gegen PF4 zu bilden.

Für eine effiziente Antikörperproduktion sei jedoch ein weiteres „Warnsignal“ notwendig, das der Impfstoff selbst in sich trage, heißt es in einer Pressemeldung des UKE. Neben dem eigentlichen Vektorvirus enthält der AstraZeneca-Impfstoff weitere Bestandteile aus der Produktion des Impfvirus mittels Zellkulturen. Diese zusätzlichen Inhaltsstoffe führen zu Entzündungsreaktionen und stimulieren das angeborene Immunsystem zur Antikörperproduktion. Diese Immunreaktionen hätten viele Geimpfte durch Unwohlsein am 1. und 2. Tag nach der Impfung selbst – zum Teil deutlich – gespürt, schreibt das UKE.

Nach der Erstimpfung dauert es dann 1 bis 2 Wochen, bis das Immunsystem Antikörper gegen PF4 in großer Menge gebildet hat. Diese Antikörper erkennen nicht nur PF4 gebunden an Impfstoffbestandteile, sondern auch das körpereigenen PF4 auf Blutplättchen. Dadurch aktivieren sie Blutplättchen und stoßen die Bildung von Thrombosen an. Die aktivierten Blutplättchen binden außerdem an Granulozyten und aktivieren sie.

Aktivierte Granulozyten setzen wiederum DNA-Fäden frei, an die Blutplättchen, PF4 und die PF4-Antikörper binden. Weitere Zellen im Blutgefäß werden aktiviert, und im Gehirn bilden sich Sinusvenenthrombosen.

Sterberate nach Sinusvenenthrombose gesunken

Die gute Nachricht: Seit der Pathomechanismus der Sinusvenenthrombosen nach Impfungen mit vektor-basierten Vakzinen besser verstanden wird, haben Ärzte mehr Möglichkeiten, um einzugreifen. Die Sterberate ist von 61% auf 42% gesunken, wie eine aktuelle Studie in JAMA Neurology zeigt [2].

Wichtig ist, das Krankheitsbild rasch zu erkennen. Zu den diagnostischen Labortests gehören die Bestimmung der Thrombozytenzahl, zusätzlich Gerinnungstests mit INR, PTT, Fibrinogen und D-Dimeren und gezielt die Suche nach Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (PF4) mittels ELISA mit einem Plättchenaktivierungstest zur Bestätigung. Seit den Befunden der Greifswalder Wissenschaftler kamen gezielte Therapien zum Einsatz wie Immunglobuline und die therapeutische Plasmapherese.

Dr. Mayte Sánchez van Kammen vom Amsterdam University Medical Center und Kollegen sind der Frage nachgegangen, welche Eigenschaften und welche Sterblichkeit verschiedene Untergruppen von Patienten aufwiesen, die nach der Impfung mit den genannten beiden Impfstoffen eine Sinusvenenthrombose erlitten.

Von den insgesamt 116 Patienten der Studie hatten 78 (76 davon nach Gabe des AstraZeneca-Impfstoffs) Hirnvenenthrombosen und eine Thrombozytopenie. Diese Patienten waren bei Zuweisung ins Krankenhaus besonders oft im Koma (24%). Sie litten häufig Hirnblutungen (68%) und begleitende Thrombosen. Fast die Hälfte von ihnen starb im Krankenhaus.

Die Studie zeigt, dass Patienten, die nach der Impfung einen Abfall der Konzentration von Blutplättchen aufwiesen, häufig einen schweren Verlauf der Komplikation hatten. Damit unterschieden sich Patienten mit einer Thrombozytopenie deutlich von den übrigen Patienten mit einer Hirnvenenthrombose nach der Impfung.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
 

Kommentar

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