Einmal mehr hat sich der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) mit COVID-19-Vakzinen befasst [1]. Ärzten gibt er konkrete Empfehlungen, auf welche unerwünschten Effekte sie achten sollten. Außerdem beginnt eine Bewertung von Nomegestrol- und Chlormadinon-haltigen Arzneimitteln aufgrund neuer Sicherheitssignale.
Venösen Thromboembolien unter dem COVID-19-Impfstoff Janssen
Der PRAC ist zu dem Schluss gekommen, dass ein möglicher Zusammenhang zwischen seltenen Fällen venöser Thromboembolien (VTE) und dem COVID-19-Impfstoff Janssen besteht.
Bei VTE bildet sich ein Blutgerinnsel in einer tiefen Vene, in der Regel in einem Bein, Arm oder in der Leiste. Der Thrombus kann in die Lunge wandern, was zu einer Blockade der Blutzufuhr führt, mit möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen. Dieses Sicherheitsproblem unterscheidet sich von der sehr seltenen Nebenwirkung des Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS).
VTE wurden in den Risikomanagementplan für den Impfstoff COVID-19 von Janssen als zu untersuchendes Sicherheitsproblem aufgenommen, da in der großen klinischen Studie, die zur Zulassung dieses Impfstoffs führte, in der geimpften Gruppe ein höherer Anteil an VTE-Fällen beobachtet wurde als in der Placebogruppe.
Der PRAC hat neue Erkenntnisse geprüft. In einer Studie gab es keinen Anstieg venöser thromboembolischer Ereignisse bei Personen, die den COVID-19-Impfstoff von Janssen erhielten. Hinzu kommen Daten aus der Zeit nach dem Inverkehrbringen. Unter Berücksichtigung aller Belege kam der Ausschuss zu dem Schluss, dass eine begründete Möglichkeit besteht, dass seltene Fälle von VTE mit der Impfung mit COVID-19-Impfstoff Janssen in Zusammenhang stehen.
Der Ausschuss empfiehlt daher, VTE als seltene Nebenwirkung von COVID-19-Impfstoff Janssen in der Produktinformation aufzuführen, zusammen mit einem Warnhinweis zur Sensibilisierung der Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Personen, die den Impfstoff erhalten, insbesondere derjenigen, die möglicherweise ein erhöhtes VTE-Risiko haben.
Immunthrombozytopenien in Zusammenhang mit Vaxzevria® und mit dem COVID-19-Impfstoff Janssen
Der PRAC bewertete auch Fälle von Immunthrombozytopenie (ITP), die nach der Impfung mit Vaxzevria (ehemals AstraZeneca COVID-19-Vaccine) und mit COVID-19-Vaccine Janssen gemeldet wurden.
ITP ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Blutplättchen angreift, die für eine normale Blutgerinnung benötigt werden. Eine sehr niedrige Anzahl von Blutplättchen kann zu Blutungen führen und schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Der Ausschuss bewertete alle verfügbaren Daten und empfahl, die Produktinformationen beider Impfstoffe zu aktualisieren, um ITP als unerwünschte Nebenwirkung mit unbekannter Häufigkeit aufzunehmen.
Darüber hinaus muss ein Warnhinweis angebracht werden, um hervorzuheben, dass sehr selten Fälle von sehr niedrigen Blutplättchen-Werten gemeldet wurden, in der Regel innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Impfung mit COVID-19-Impfstoff Janssen oder Vaxzevria.
Wenn bei einer Person eine ITP in der Vorgeschichte vorliegt, sollte vor der Impfung das Risiko der Entwicklung niedriger Blutplättchenwerte bedacht werden und nach der Impfung mit einem dieser Impfstoffe wird eine Überwachung der Blutplättchen empfohlen.
Der Ausschuss für Risikobeurteilung wird weiterhin neue Informationen verfolgen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen.
COVID-19-Impfstoff Janssen: Neue Informationen für Ärzte
Die EMA weist Ärzte darauf hin, dass Fälle von ITP innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Verabreichung von COVID-19-Impfstoff Janssen gemeldet wurden, darunter auch schwere Fälle mit sehr niedrigen Thrombozytenzahlen.
Wenn bei einer Person eine ITP in der Vorgeschichte vorliegt, sollten Ärzte dies berücksichtigen und Patienten überwachen. Bei Personen, bei denen innerhalb von 3 Wochen nach der Impfung mit COVID-19 Impfstoff Janssen eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, sollte aktiv nach Anzeichen einer Thrombose untersucht werden. Ebenso sollten Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung eine Thrombose auftritt, nach einer Thrombozytopenie gefahndet werden. Dies ist wichtig, um eine mögliche Diagnose einer Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) zu stellen, die eine spezielle klinische Behandlung erfordert.
Vaxzevria: Neue Informationen für Ärzte
Die EMA informiert Angehörige der Gesundheitsberufe auch über Fälle von Thrombozytopenie, einschließlich Immunthrombozytopenie (ITP), die im Zusammenhang mit Vaxzevria gemeldet wurden, typischerweise innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Impfung.
Wenn bei einer Person in der Vorgeschichte eine thrombozytopenische Erkrankung aufgetreten ist, sollten die Angehörigen der Gesundheitsberufe vor der Verabreichung des Impfstoffs das Risiko der Entwicklung niedriger Blutplättchenwerte, wie z.B. ITP, in Betracht ziehen. Darüber hinaus wird eine Überwachung der Blutplättchen nach der Impfung bei Personen mit einer ITP in der Vorgeschichte empfohlen.
Überprüfung des Meningeomrisikos bei Nomegestrol- und Chlormadinon-haltigen Arzneimitteln
Die EMA hat eine Überprüfung von Arzneimitteln eingeleitet, die Nomegestrol oder Chlormadinon enthalten. Diese Arzneimittel können allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen zur Behandlung von gynäkologischen Erkrankungen wie Amenorrhoe und anderen Menstruationsstörungen, Gebärmutterblutungen, Endometriose, Brustspannen, als Hormonersatztherapie oder als Verhütungsmittel verwendet werden.
Die französische Arzneimittelbehörde (ANSM) forderte die Überprüfung aufgrund neuer Daten aus 2 epidemiologischen Studien, die in Frankreich bei Frauen durchgeführt wurden, die diese Arzneimittel einnahmen, um das Risiko eines Meningeoms, eines Tumors der Hirn- und Rückenmarkshäute, zu untersuchen. Dieser Tumor ist in der Regel nicht bösartig und wird nicht als Krebs angesehen, aber aufgrund seiner Lage in und um das Gehirn und das Rückenmark können Meningeome in seltenen Fällen ernsthafte Probleme verursachen.
In Anbetracht dieser neuen Daten zum Meningeomrisiko wird der Sicherheitsausschuss der EMA (PRAC) nun die vorliegenden Erkenntnisse prüfen und Empfehlungen abgeben, ob die Zulassungen für Nomegestrol- und Chlormadinon-haltige Arzneimittel EU-weit geändert werden sollten.
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Lead Image: Carlos L Vives/Dreamstime.com
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Diesen Artikel so zitieren: Neue Warnhinweise zu Thrombosen und Thrombozytopenien: Was die EMA Ärzten bei Komplikationen nach COVID-Impfung rät - Medscape - 1. Okt 2021.
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