Zyklusstörungen durch COVID-19-Impfstoffe – langfristig oder vorübergehendes Artefakt? Was Forscher derzeit wissen

Michael van den Heuvel, Peter Russell

Interessenkonflikte

1. Oktober 2021

Ärzte hörten zunehmend von Frauen, die kurz nach COVID-19-Impfungen an Menstruationsstörungen litten. Dies sagte Dr. Victoria Male, Dozentin für Reproduktionsimmunologie am Imperial College London. Sie hält Zusammenhänge für „plausibel“ und fordert Studien zur Thematik.

 
Alles, was das Gehirn beeinflusst, kann zu Blutungen führen. Prof. Dr. Christian Albring
 

Eine andere These vertritt Prof. Dr. Christian Albring, erster Vorsitzender und Präsident beim Berufsverband der Frauenärzte, Deutschland: „Alles, was das Gehirn beeinflusst, kann zu Blutungen führen“, sagt der Gynäkologe. „Und so ist es für Frauenärzte überhaupt nichts Besonderes, dass Frauen durch Stress mit Blutungen reagieren.“ Seine Beobachtung: „Ich habe heute den ganzen Vormittag geimpft, da sind einige unheimlich aufgeregt, die haben die ganze Nacht schon nicht geschlafen.“

Ein Blick auf Daten

Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden bis zum 31. Juli 2021 insgesamt 310 Fälle von Zyklusstörungen gemeldet, davon:

  • 157 nach Comirnaty® (BioNTech/Pfizer)

  • 25 nach Spikevax® (Moderna)

  • 127 nach Vaxzevria® (AstraZeneca)

  • und 1 nach Gabe des COVID-19-Impfstoffs Janssen.

Die Zeitspanne zwischen Impfung und Symptombeginn variierte von 1 Tag bis hin zu 67 Tagen. 115 unerwünschte Ereignisse (31,3%) waren zum Zeitpunkt der Meldung vollständig abgeklungen, 125 (34,0%) wurden als noch nicht gebessert und 56 (15,2%) als gebessert beschrieben. Bei 66 unerwünschten Ereignissen (17,9%) fehlten Informationen.

Die britische Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) führt Menstruationsveränderungen und unerwartete vaginale Blutungen nicht unter den häufigen Nebenwirkungen auf. Dennoch seien bis 2. September 2021 mehr als 30.000 Berichte über Menstruationsveränderungen im Rahmen des MHRA-Überwachungssystems eingereicht, schreibt Male im BMJ  [1]. Auch sie nennt mRNA-Impfstoffe und Adenovirus-vermittelte Impfstoffe in diesem Zusammenhang.

Darüber hinaus sei es wahrscheinlich, dass eine natürliche Infektion mit SARS-CoV-2 mit Menstruationsveränderungen einhergehe, so Male. In einer Studie, die letztes Jahr in Reproductive Medicine Online veröffentlicht wurde, galt dies für 28% aller Patientinnen.

Verändern Immunreaktionen die Menstruation?

Viel deute darauf hin, dass es sich bei Menstruationsstörungen eher um die Folge einer Immunreaktion auf die Impfung als um die Reaktion auf eine spezifische Impfstoffkomponente handele, schreibt Male. Sie weist im Editorial darauf hin, dass auch Impfungen gegen humane Papillomviren (HPV) mit Menstruationsveränderungen verbunden seien.

 
Die meisten Frauen stellen jedoch fest, dass sich ihre Periode im folgenden Zyklus wieder normalisiert. Dr. Victoria Male
 

„Die meisten Frauen stellen jedoch fest, dass sich ihre Periode im folgenden Zyklus wieder normalisiert“, so Male weiter. Hinweise, dass COVID-19-Impfungen die Fruchtbarkeit beeinträchtigten, gebe es derzeit aber nicht.

Die Zeit ist reif für wissenschaftliche Studien

Male vertritt die Ansicht, dass „solide Forschung“ zu möglichen Nebenwirkungen erforderlich sei: Diese könnte das Zögern von Frauen verringern, die sich über falsche Behauptungen Sorgen machten, dass die Impfung ihre Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte.

Fehlende Daten würden diese Ängste wahrscheinlich noch schüren, schreibt die Editorialistin, während klare und zuverlässige Informationen es Frauen ermöglichen würden, auf Zyklusstörungen vorbereitet zu sein – beim Wunsch, schwanger zu werden oder beim Wunsch, genau dies zu vermeiden.

Male wies darauf hin, dass die US National Institutes of Health vor kurzem einen Zuschuss von umgerechnet 1,41 Millionen Euro für die Erforschung eines Zusammenhangs zwischen Impfung und Veränderungen der Menstruation gewährt haben.

Male rät außerdem allen Ärzten, sie sollten Patientinnen ermutigen, etwaige Veränderungen der Periode oder unerwartete vaginale Blutungen nach der Impfung über das MHRA-System zu melden. Außerdem sollten alle Patientinnen, die eine über mehrere Zyklen anhaltende Veränderung der Periode oder neue vaginale Blutungen nach der Menopause melden, gemäß den üblichen klinischen Leitlinien für diese Erkrankungen behandelt werden.

„Eine wichtige Lehre ist, dass die Auswirkungen medizinischer Eingriffe auf die Menstruation in der zukünftigen Forschung nicht vernachlässigt werden sollten“, sagte sie. Außerdem sollten Blutungen „in künftigen klinischen Studien, einschließlich Studien zu COVID-19-Impfstoffen, aktiv mit einbezogen werden“, so Male. Unterstützung erhält sie vom Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG).

Schutz in der Schwangerschaft

Dr. Jo Mountfield, RCOG-Vizepräsidentin, kommentierte: „Wir verstehen, dass Veränderungen der Periode nach einer COVID-19-Impfung beunruhigend sein können. Wir möchten Frauen aber versichern, dass sich diese Veränderungen meist nach 1 oder 2 Zyklen wieder normalisieren. Wir möchten alle Frauen, bei denen starke Blutungen auftreten, die für sie ungewöhnlich sind, insbesondere nach der Menopause, ermutigen, sich an einen Arzt zu wenden.“

 
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese vorübergehenden Veränderungen Auswirkungen auf die künftige Fruchtbarkeit einer Person oder ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, haben. Dr. Jo Mountfield
 

Die Expertin weiter: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese vorübergehenden Veränderungen Auswirkungen auf die künftige Fruchtbarkeit einer Person oder ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, haben.“

Allen Frauen rät sie: „Es ist wichtig, sich impfen zu lassen, da dies der beste Schutz gegen das Coronavirus ist. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie eine Schwangerschaft planen, da wir wissen, dass ungeimpfte schwangere Frauen einem höheren Risiko ausgesetzt sind, an COVID-19 schwer zu erkranken“.

Dr. Alison Cave, MHRA Chief Safety Officer, kommentierte: „Wir beobachten die Berichte über vermutete Menstruationsstörungen nach der COVID-19-Impfung genau.“ Großbritannien habe ein robustes System zur Erfassung von Informationen über die Sicherheit von Impfstoffen, das es Prüfern ermögliche, neu auftretende Sicherheitssignale schnell zu bewerten.

 
Es ist wichtig, sich impfen zu lassen, da dies der beste Schutz gegen das Coronavirus ist. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie eine Schwangerschaft planen. Dr. Jo Mountfield
 

„Auf der Grundlage unserer derzeitigen strengen Sicherheitsüberwachung können Frauen beruhigt sein, dass die derzeitigen Erkenntnisse keinen Zusammenhang mit Veränderungen der Periode oder der Symptome von Frauen zeigen, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass COVID-19-Impfstoffe die Fruchtbarkeit beeinträchtigen“, fasst Cave zusammen. „Dies ist auch die Schlussfolgerung unseres beratenden wissenschaftlichen Expertenausschusses, der Kommission für Humanarzneimittel.“

Dieser Artikel wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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