Dialyse zu Hause? Gibt´s kaum! Das soll sich ändern – DGfN legt jetzt 10-Punkte-Plan zur Stärkung der Heimdialyse vor

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

29. September 2021

Heimdialyse-Verfahren sind in Deutschland eine Seltenheit. Die MAU-PD-Studie hat Faktoren für den geringen Anteil der Heimverfahren identifiziert. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) hat daraus Konsequenzen gezogen und einen 10-Punkte-Plan zur Stärkung der Heimdialyse und Nierentransplantation entwickelt.

Nierenerkrankungen sind sehr häufig, etwa 10% der Bevölkerung in Deutschland leidet an einer chronischen Nierenerkrankung – die meisten Betroffenen, ohne es zu wissen. Dabei sind Nierenerkrankungen medizinisch von großer Bedeutung, da sie schwerwiegende Komplikationen und Folgen haben können, etwa Hypertonie, Dialyesepflicht und erhöhte kardiovaskuläre Komplikationen wie Schlaganfall und Herzinfarkt. Daraus entstehen enorme Belastungen für den einzelnen Patienten und exorbitante sozioökonomische Belastungen für die Gesellschaft.

Wenn die Nieren versagen, müssen ihre Funktionen ersetzt werden. Die Verfahren hierzu sind die Dialysetherapie und die Nierentransplantation. Eine Möglichkeit der Dialyse ist die Heimdialyse. D

ie Heimhämodialyse (HHD) ist, wie Dr. Benno Kitsche, KfH Nierenzentrum Köln Merheim, und Dr. Dieter Bach, Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation in Der Nephrologe erklären, ein Nierenersatzverfahren, bei dem sich die Patienten entweder selbst (partnerlose HHD) oder mit einem Partner zu Hause mit der Hämodialyse (HD) behandeln [1].

Die Heimhämodialyse war der Grundstein der Nierenersatztherapie in Deutschland. Sie hat ab 1969 das Überleben von schwerkranken Patienten ermöglicht. Mit dem Ausbau eines guten Netzes von Dialysezentren seien das Wissen und die Erfahrung der HHD jedoch zunehmend verloren gegangen. In der Ausbildung komme die HHD heute praktisch nicht mehr vor. Ungenügende Aufklärung und fehlendes Angebot der HHD seien die Folgen, so die Autoren. Aktuell werden in Deutschland weniger als 0,8 % der Patienten mit HHD behandelt.

In den letzten 50 Jahren habe sich bei der Heimdialyse auch nicht viel verändert, so Kitsche und Bach. Weder in der nephrologischen Community noch bei den großen Firmen habe es engagierte innovative Bestrebungen zur Veränderung der Dialysesituation und der Dialysetechnik im Hinblick auf die Patientenerwartungen zu Unabhängigkeit und Mobilität für mehr Lebensqualität gegeben. 

Eine Möglichkeit der Heimdialyse ist die Bauchfelldialyse (PD). Die Multidimensionale Analyse der Ursachen für die niedrige Prävalenz der ambulanten Peritonealdialyse in Deutschland (MAU-PD) zeigt, dass in Deutschland die Bauchfelldialyse im internationalen Vergleich stark unterrepräsentiert ist. So wird die Bauchfelldialyse nur von 5,4% der Patienten durchgeführt, während ihr Anteil z.B. in Hongkong 79,4% und in Schweden 23,8% beträgt.

Dabei halten 92% aller Nephrologen die PD und die HD (Hämodialyse/Zentrumsdialyse) für medizinisch gleichwertig. Auf die Frage, mit welchem Verfahren sie sich selbst, wenn sie betroffen wären, behandeln würden, gaben 91% der befragten Nephrologen an, ein Heimverfahren zu wählen.

Die Hürden für die Heimdialyse

Ziel der im Rahmen des Innovationsfonds geförderten MAU-PD-Studie war es, Faktoren zu identifizieren, die für die in Deutschland im internationalen Vergleich niedrige PD-Rate ursächlich sind. Hier die identifizierten Faktoren:

  • Mangelnde Information der Patienten: 41% waren nicht informiert, dass es verschiedene Dialyseverfahren gibt, 50% wussten nicht, ob ihr Nierenzentrum auch PD oder Heimhämodialyse anbietet.

  • Strukturelle Defizite: 30% der Zentren haben keine PD-Pflegekraft, und es gibt in einem Nierenzentrum für durchschnittlich 140 Patientinnen und Patienten im Durchschnitt 4,6 Ärztinnen und Ärzte, von denen 44% zusätzlich im Krankenhaus tätig sind.

  • Aus- und Weiterbildung: 61% der befragten Ärztinnen und Ärzte hätten sich mehr PD-Inhalte in der Facharztausbildung gewünscht.

  • Wirtschaftliche Barrieren: Es bedarf 10,5 PD-Patientinnen/PD-Patienten, bevor das Verfahren für ein Dialysezentrum wirtschaftlich ist.

Der 10-Punkte-Plan der Nephrologen-Fachgesellschaft

„Die DGfN möchte wie auch der G-BA die Heimdialyse und die Nierentransplantation in Deutschland unter Berücksichtigung des individuellen Patientenwohls fördern“, erklärt DGfN-Präsident Prof. Dr. Hermann Pavenstädt, Universität Münster, laut einer Pressemitteilung. „Wir haben dazu einen 10-Punkte-Plan ausgearbeitet, den wir nun gemeinsam mit Unterstützung des G-BA sowie der Gesundheitspolitik umsetzen möchten. Wir hoffen, damit perspektivisch den Anteil der Heimdialyse in Deutschland erhöhen zu können und die Nierentransplantation zu stärken.“

 
Die DGfN möchte wie auch der G-BA die Heimdialyse und die Nierentransplantation in Deutschland unter Berücksichtigung des individuellen Patientenwohls fördern. Prof. Dr. Hermann Pavenstädt
 

10 Punkte der DGfN zur Heimdialyse und Nierentransplantation

  1. Die DGfN erarbeitet derzeit in einfacher Sprache formulierte, standardisierte Aufklärungsmaterialien über sämtliche Verfahren der Nierenersatztherapie inklusive der Nierentransplantation als Bestandteil der Qualitätssicherungsrichtline. Behandelnde Ärzte sowie patientenberatende Organisationen sollten ihre Patienten auf die frei zugänglichen Informations- und Beratungsmöglichkeiten hinweisen. Somit werden sie zusammen mit den behandelnden Ärzten besser in der Lage sein, eine informierte Entscheidung über ihren Behandlungsweg treffen können.

  2. Patientenorganisationen sollen stärker in Qualitätssicherungsverfahren miteinbezogen werden, indem der Zugang zu den Fachkommissionen auf Länderebene erleichtert wird.

  3. Sicherstellung der Durchführung aller Dialyseverfahren während der fachärztlichen Aus- und Weiterbildung mit entsprechender Anpassung der (Muster-)Weiterbildungsordnung: Im Rahmen der Ausbildung muss sichergestellt werden, dass Nephrologen für alle zur Verfügung stehenden Dialyseverfahren und für die Nierentransplantation inklusive Nieren-Lebendspende sensibilisiert werden und in der Lage sind, Patienten sowie deren Angehörige zu befähigen, gemeinsam mit den Behandlern eine informierte Therapieentscheidung zu treffen.

  4. In den klinischen Weiterbildungsinstitutionen sollte die Möglichkeit zur Durchführung aller Formen der stationären und ambulanten Nierenersatztherapie gegeben werden.

  5. Ausweitung der Telemedizin zur Stärkung der Heimdialyse: Durch das Digitale-Versorgung- und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) wurden bereits wichtige gesundheitspolitische Schritte in der telemedizinischen Versorgung unternommen. Eine vereinfachte Kommunikationsmöglichkeit zwischen Betroffenen und den behandelnden Ärzten führt zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl während der Heimtherapie und kann dazu führen, dass sich mehr Patienten für diese Verfahren entscheiden.

  6. Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für jegliche Form der Dialyseverfahren: Nur eine dem jeweiligen Nierenersatzverfahren angemessene Vergütung kann zu einem gleichberechtigten Therapieangebot führen, das auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten ist.

  7. Einführung eines Nationalen Nierenplans und eines Disease-Management-Programms (DMP) für chronische Nierenerkrankungen: Dieser Plan sollte adäquate Präventionsmaßnahmen beinhalten, die Vernetzung zwischen Fachärzten, Pflegekräften und Patienten fördern und sämtliche Formen der Nierenersatztherapie wie Dialyse, Transplantation und konservative Therapien vereinen, um den Weg in die Heimdialyse nach eingehender Zusammenarbeit und erfolgreicher Aufklärung sicher zu gestalten und somit eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten. 

  8. Förderung der Nierentransplantation: Optimierung der Organspenden durch bessere Information der Bürger und eine Verbesserung und Überprüfung der Prozesse in den Kliniken, damit sichergestellt wird, dass potenzielle Spender zuverlässiger erkannt werden. Ausweitung des Spenderkreises bei der Lebendspende durch das Ermöglichen von Cross-over- Lebendspenden mit der Etablierung eines anonymen Pools. Eine frühzeitige Information der Patienten über die Möglichkeiten der Nierentransplantation und der Nieren-Lebendspende mit einer verbindlichen, zeitnahen Vorstellung in einem Transplantationszentrum sollte sichergestellt werden.

  9. Einführung eines Dialyseregisters zur Erfassung der Güte der Behandlungen: Nur ein Register kann sicherstellen, dass die Heimdialyse auf höchstem Niveau verläuft, und zeigen, dass die Patienten keine gesundheitlichen Nachteile erleiden. Das schafft Vertrauen und kann maßgeblich zur Stärkung der Heimverfahren beitragen.

  10. Die Gründung eines Deutschen Zentrums für Nierenkrankheiten (DZNK), in dem sich Kompetenzzentren für Nierenforschung vernetzen und die dadurch entstehenden Synergieeffekte nutzen, um innovative Diagnose- und Therapiekonzepte zu entwickeln und diese in einem differenzierten und flexiblen Studiennetzwerk kontinuierlich zu evaluieren und in die Praxis umzusetzen. Die Mechanismen der psychosozialen und neurologischen Defizite der Patienten mit Nierenerkrankungen sollen dabei integriert und intensiver erforscht werden.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
 

Kommentar

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