Brustkrebs: Linksseitige Bestrahlung erhöht KHK-Risiko; Aderhautmelanom: länger überleben mit Tebentafusp

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

28. September 2021

Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir über vermehrte kardiovaskuläre Probleme nach linksseitiger Bestrahlung bei jüngeren Frauen mit Brustkrebs. Das Ovarialkarzinom scheint auf eine Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren resistent zu sein, wie eine weitere negative Studie zeigte. Auch das Aderhautmelanom spricht auf Immuncheckpoint-Inhibitoren schlecht an, aber mit dem bispezifischen Fusionsprotein Tebentafusp scheint es eine neue Behandlungsmöglichkeit zu geben. Die Radiojodtherapie bei Schilddrüsenüberfunktion wird seit mehr als 70 Jahren eingesetzt, nach wie vor strittig ist allerdings, ob dieses Behandlungsverfahren mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert ist.

  • Mammakarzinom: Mehr Koronarerkrankungen nach Bestrahlung der linken Brust

  • Ovarialkarzinom: Immuncheckpoint-Inhibitor erneut wirkungslos

  • Kolorektalkarzinom: Höheres Risiko von Männern nur zum Teil erklärbar

  • Aderhautmelanom: Tebentafusp verlängert Gesamtüberleben in der Erstlinientherapie

  • Hepatitis durch Immuncheckpoint-Inhibitoren: Ist eine Leberbiopsie sinnvoll?

  • Radiojodtherapie: Krebsrisiko gering, jedoch Anstieg der Krebs-bedingten Sterblichkeit mit höherer Dosierung

Mammakarzinom: Mehr Koronarerkrankungen nach Bestrahlung der linken Brust

Jüngere Frauen im Alter bis 55 Jahren, deren linke Brust wegen eines Mammakarzinoms bestrahlt worden ist, haben ein 2-mal höheres Risiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK) als Frauen nach Bestrahlung der rechten Brust. Die WECARE-Studiengruppe zog in ihrer Veröffentlichung in JACC: CardioOncology daraus die Schlussfolgerung, dass die Strahlenexposition des Herzens weitgehend minimiert werden sollte.

Im WECARE-Programm (Women’s Environmental Cancer and Radiation Epidemiology) füllten zwischen 1985 und 2008 insgesamt 1.583 Frauen im Alter unter 55 Jahren bei der Diagnose ihres Mammakarzinom einen Fragebogen zur kardiovaskulären Gesundheit aus. Hiervon konnten die Daten von 972 Frauen analysiert werden.

Insgesamt 46 Frauen berichteten über eine KHK-Diagnose und 91% der KHK-Diagnosen traten mehr als 5 Jahre nach der Bestrahlung auf. Die kumulative Gesamtinzidenz der KHK über 27,5 Jahre bei auf der linken Seite bestrahlten Frauen betrug 10,5%, bei rechtsseitiger Bestrahlung 5,8% (Hazard Ratio: 2,5; p = 0,010). Der Effekt wurde weder durch verschiedene Therapien noch durch andere Risikofaktoren beeinflusst. Das erhöhte KHK-Risiko sollte bei der langfristigen Betreuung von jungen Frauen mit Brustkrebs beachtet werden.

Ovarialkarzinom: Immuncheckpoint-Inhibitor erneut wirkungslos

Der Immuncheckpoint-Inhibitor Nivolumab verbessert bei Frauen mit Platin-resistentem Ovarialkarzinom im Vergleich zu Chemotherapie weder das progressionsfreie noch das Gesamtüberleben. Dies ergab die multizentrische, offene Phase-3-Studie NINJA, die eine japanische Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology publiziert hat.

316 vorbehandelte Patientinnen mit Platin-resistentem Ovarialkarzinom erhielten randomisiert Nivolumab im Vergleich zur Chemotherapie mit Gemcitabin oder mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin.

Das Gesamtüberleben war mit 12,1 Monaten unter Chemotherapie besser als mit 10,1 Monaten unter Nivolumab (HR: 1,0; p = 0,808). Ohne Progression lebten die Frauen der Chemotherapie-Gruppe mit 3,8 Monaten signifikant länger als die Frauen der Nivolumab-Gruppe mit 2,0 Monaten (p = 0,002). Die Ansprechraten waren mit 13,2% unter Chemotherapie höher als mit 7,6% unter Nivolumab, der Unterschied erreichte jedoch keine statistische Signifikanz.

Ähnlich enttäuschende Ergebnisse waren schon mit Pembrolizumab und mit Avelumab berichtet worden. „Insgesamt legen diese Ergebnisse nahe, dass das Ovarialkarzinom gegen eine Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren resistent sein könnte“, so die Autoren.

Kolorektalkarzinom: Höheres Risiko von Männern nur zum Teil erklärbar

Nur etwa die Hälfte des bei Männern höheren Risikos für ein Kolorektalkarzinom lässt sich durch die bislang bekannten Risikofaktoren erklären. Dies ergab eine Auswertung der Daten aus der KolosSal-Studie durch ein Team des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die im International Journal of Cancer erschienen ist.

Darmkrebs tritt bei Männern deutlich häufiger auf als bei Frauen. In Deutschland liegt die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate bei Männern bei 46 pro 100.000 pro Jahr, bei Frauen dagegen nur bei 28. Noch deutlicher ist der Unterschied bei den Krebsvorstufen, den fortgeschrittenen Adenomen.

Bislang ist unklar, in welchem Ausmaß die verschiedenen in Frage kommenden Risiko- bzw. Schutzfaktoren diese erheblichen Unterschiede erklären. Bekannt ist beispielsweise, dass weibliche Geschlechtshormone das Darmkrebsrisiko senken. Auf der anderen Seite ist für Männer beispielsweise ein höherer Konsum von Tabakprodukten und rotem Fleisch dokumentiert – beides Faktoren, die das Darmkrebsrisiko steigern.

Deshalb werteten die DKFZ-Forscher Daten von fast 16.000 Teilnehmern der KolosSal-Studie aus, die eine Darmspiegelung zur Darmkrebs-Vorsorge durchführen ließen. Mit dieser Erhebung im Saarland wird die Darmkrebs-Vorsorge wissenschaftlich begleitet und bewertet.

Die Analyse ergab, dass bei Männern mit der Vorsorge-Koloskopie doppelt so häufig Darmkrebs bzw. fortgeschrittene Adenome gefunden worden waren wie bei Frauen (altersstandardisiert). Nach umfassender Adjustierung für die verschiedenen Risikofaktoren zeigte sich, dass sie nur etwa die Hälfte des höheren Risikos der Männer erklären. Bei Krebserkrankungen des Enddarms fällt der Einfluss dieser Faktoren noch etwas weniger ins Gewicht als bei Tumoren des übrigen Dickdarms. Die Faktoren für die andere Hälfte des erhöhten Risikos sind noch unbekannt.

Auf jeden Fall zeigen die Ergebnisse erneut, wie wichtig es insbesondere für Männer ist, die Möglichkeiten zur Darmkrebsvorsorge wahrzunehmen.

Aderhautmelanom: Tebentafusp verlängert Gesamtüberleben in der Erstlinientherapie

Das bispezifische Fusionsprotein Tebentafusp verbesserte bei Patienten mit nicht vorbehandeltem Aderhautmelanom im Vergleich zu Pembrolizumab, Ipilimumab oder Dacarbazin das 1-Jahres-Gesamtüberleben signifikant von 59% auf 73% (HR: 0,51; p < 0,001). Diese Ergebnisse der offenen Phase-3-Studie IMCgp100-202 berichtete eine internationale Arbeitsgruppe im New England Journal of Medicine .

Das Aderhautmelanom ist der häufigste bösartige intraokulare Tumor. Es entsteht zwar aus Melanozyten, unterscheidet sich jedoch vom kutanen Melanom z.B. durch andere molekulare Treiber, Metastasierungsmuster und eine andere Mikroumgebung. Vermutlich tragen diese vom Melanom unterschiedlichen Faktoren zum schlechten Ansprechen des Aderhautmelanoms auf eine systemische Therapie u.a. mit Immuncheckpoint-Inhibitoren bei.

Tebentafusp (IMCgp100) ist ein bispezifisches Protein, das aus einem löslichen affinitätsverstärkten T-Zell-Rezeptor besteht, der mit einem Anti-CD3-Immuneffektor fusioniert ist. Tebentafusp spricht spezifisch das Zielantigen gp100 an, ein Melanozytendifferenzierungsprotein, das bei der Melanosomenbildung eine entscheidende Rolle spielt.

In der Phase-3-Studie wurden 378 nicht vorbehandelte HLA*02:01-positive Patienten mit Aderhautmelanom 2:1 randomisiert mit Tebentafusp oder einer Vergleichstherapie nach Entscheidung des Behandlers (Pembrolizumab, Ipilimumab oder Dacarbazin) therapiert.

Bei der Zwischenanalyse waren in der Intention-to-treat-Analyse 87 Patienten in der Tebentafusp und 63 in der Kontrollgruppe verstorben. Die 1-Jahres-Überlebensrate wurde mit 73% für Tebentafusp und 59% für die Kontrollgruppe und als mediane Überlebenszeit 21,7 bzw. 16,0 Monate errechnet.

Auch das progressionsfreie Überleben war nach 6 Monaten mit 31% unter Tebentafusp und 19% in der Kontrollgruppe signifikant besser. Die Ansprechrate war mit 9% in der Tebentafusp-Gruppe höher als mit 5% in der Vergleichsgruppe.

Häufigste Nebenwirkungen unter dem neuen Fusionsprotein waren Zytokin-vermittelte Ereignisse sowie Hautausschlag und Juckreiz.

Hepatitis durch Immuncheckpoint-Inhibitoren: Ist eine Leberbiopsie sinnvoll?

Eine Leberbiospie bei Patienten mit schwerer Hepatitis durch Immuncheckpoint-Inhibitoren verzögert den Beginn einer Behandlung mit Glukokortikoiden und trägt nicht zu einer rascheren Heilung bei. Dies fand eine Arbeitsgruppe aus Boston in einer retrospektiven Kohortenstudie anhand der Daten von 213 Patienten ( JAMA Oncology ).

Von den 213 Patienten unterzogen sich 107 (50,2%) einer Leberbiopsie im Median 5 Tage nach der ersten GPT-Erhöhung vom Schweregrad 3-4. Bei 2 Patienten kam es zu schweren Biopsie-bedingten Komplikationen (Biopsie der Milz, Hämothorax).

Beide Gruppen erhielten hochdosierte Glukokortikoide, wobei die Behandlung bei den biopsierten Patienten signifikant weniger wahrscheinlich sofort nach der ersten starken GPT-Erhöhung einsetzte als bei den nicht biopsierten Patienten. Bei den biopsierten Patienten dauerte es signifikant länger, bis sich die Transaminasen-Werte wieder normalisierten.

Bei Patienten mit einer durch Immuncheckpoint-Inhibitoren induzierten Hepatitis ist es nach Ansicht der Autoren sinnvoll, empirisch eine Therapie mit Kortikosteroiden einzuleiten. Eine Biopsie könnte eventuell bei den Patienten hilfreich sein, bei denen sich die Hepatitis unter Kortikosteroiden nicht bessert.

Radiojodtherapie: Krebsrisiko gering, jedoch Anstieg der Krebs-bedingten Sterblichkeit mit höherer Dosierung

Die zur Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt Radiojodtherapie erhöht insgesamt das Krebsrisiko nicht, eine Metaanalyse ergab jedoch eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Radiojodbehandlung und Sterblichkeit an soliden Tumoren. In weiteren Untersuchungen sollte das mit der Radiojodtherapie assoziierte Krebsrisiko genauer quantifiziert werden, so die Schlussfolgerung der koreanischen Autorengruppe in JAMA Netw Open .

Die Arbeitsgruppe analysierte die Daten von 12 Studien mit 479.452 Teilnehmern Die gepoolte Krebsinzidenzrate lag bei 1,02 und die gepoolte Krebssterblichkeitsrate bei 0,98 von Patienten mit versus ohne Radiojodbehandlung. Das Risiko für spezifische Krebserkrankungen war nicht erhöht, außer für die Inzidenz (SIR 1,86) und die Sterblichkeit von Schilddrüsenkarzinom (SMR 2,22).

Bei Dosis-Wirkungs-Analysen waren höhere Dosen mit einer höheren Sterblichkeit an Brustkrebs und soliden Tumoren assoziiert – dieses Ergebnis basierte auf 2 Studien.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....