Chirurginnen in den USA haben ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Infertilität. Die Folge ist ungewollte Kinderlosigkeit. Hinweise aus unterschiedlichen Quellen häufen sich – ein Überblick.
1. Schwangerschaft erst mit 32 Jahren
Über das Problem der ungewollten Kinderlosigkeit von Ärztinnen wird einem aktuellen Bericht der New York Times zufolge in den USA schon länger diskutiert. Bereits vor 5 Jahren habe eine Umfrage ergeben, dass bei fast 1 von 4 Ärztinnen, die versucht hätten, ein Kind zu bekommen, Unfruchtbarkeit diagnostiziert worden sei: fast doppelt so viele wie in der Allgemeinbevölkerung.
Laut einer aktuellen Studie liege das Durchschnittsalter von Frauen beim Abschluss ihrer medizinischen Ausbildung bei 31 Jahren, heißt es in der New York Times weiter. Die meisten Ärztinnen würden im Durchschnitt mit 32 Jahren zum 1. Mal schwanger. Das Durchschnittsalter für Nicht-Medizinerinnen bei der Geburt betrage 27 Jahren.
US-weite Aktionswoche zur Unfruchtbarkeit
Um mehr Aufmerksamkeit für das Problem zu wecken, fand im April 2021 eine US-weite Aktionswoche zum Thema Unfruchtbarkeit bei Ärztinnen statt; im Juni veranstaltete die American Medical Women’s Association (AMWA) einen nationalen Fruchtbarkeitsgipfel mit Sitzungen zu den Themen Einfrieren von Eizellen, Leistungen und Versicherungsschutz für Fertilitätsbehandlungen sowie Unfruchtbarkeit und psychische Gesundheit. Auch für 2022 ist eine Veranstaltung dieser Art geplant.
Auf der Suche nach validen Zahlen
Um valide Zahlen zu erhalten, hat ein Team um die Chirurgin Prof. Dr. Erika L. Rangel (Harvard Medical School, Boston) eine Umfrage unter Chirurgen und Chirurginnen in den USA durchgeführt. Die Ergebnisse sind kürzlich in JAMA Surgery erschienen.
Danach hatten von 692 befragten Chirurginnen 290 (42,0%) einen Schwangerschaftsverlust erlitten: mehr als doppelt so viele wie in der Allgemeinbevölkerung. Im Vergleich zu Chirurgen hatten Chirurginnen weniger Kinder, verzögerten aufgrund ihrer chirurgischen Ausbildung eher das Kinderkriegen und nutzten häufiger reproduktionsmedizinische Methoden.
Und gemessen an Frauen, die keine Chirurginnen waren, hatten Chirurginnen häufiger schwerwiegende Schwangerschaftskomplikationen; die errechnete Risikoerhöhung war auch nach Adjustierung von Alter, Arbeitsstunden, In-vitro-Fertilisation und Mehrlingsschwangerschaft signifikant (Odds Ratio [OR], 1,72; 95%-KI 1,11-2,66).
Ähnliche Ergebnisse hatte eine im Mai publizierte kanadische Kohortenstudie geliefert.
Als Ursachen für das Problem gelten das beruflich bedingte Hinauszögern des Kinderwunsches, Stress, Nachtdienste, Schlafstörungen, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel. Auch die Suche nach einem Partner kann angesichts der anspruchsvollen Arbeitszeiten eine Herausforderung sein.
Burnout kein Monopol von US-Medizinern
Ob die US-Ergebnisse auf Chirurginnen und andere Ärztinnen Deutschland übertragen werden können, lässt sich schwer sagen. Fakt ist, dass US-Mediziner kein Monopol auf Stress, Nachtdienste und Burnout haben, wie unter anderem eine aktuelle Umfrage von Medscape ergeben hat.
55% aller Interviewten berichteten über körperliche, emotionale und mentale Erschöpfung. Viele Ärzte und Ärztinnen gaben an, unter Schlafstörungen zu leiden. Jeder 2. Arzt und jede 2. Ärztin hatte im Studienzeitraum mit psychischen Problemen zu kämpfen. Und 19% der Frauen bzw. 13% der Männer klagten über Burnout-Symptome.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Probleme beim Kinderkriegen: Hinweise auf Schwangerschaftskomplikationen und Infertilität durch Stress bei Chirurginnen - Medscape - 29. Sep 2021.
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