MEINUNG

Was antwortet man auf „Corona gibt´s gar nicht“ oder „alle gekauft“? Juristin hat gute Argumente für den Umgang mit Impfkritikern

Melanie van Luijn

Interessenkonflikte

27. September 2021

Man sollte die Argumente der Impfgegner kennen und die entsprechenden Gegenargumente parat haben“, sagt Melanie van Luijen ( https://www.van-luijn.de/ ). Sie ist Rechtanwältin und Mediatorin in Bielefeld. In ihrem Gast-Kommentar nimmt sie Stellung zu der Kritik an den Institutionen in der Pandemie, zu gefälschten Impfpässen und wirbt dafür, dass Überzeugungsarbeit zurück in die Freiheit führt. Lesen Sie auch ihren Kommentar zu: Verletzt die Corona-Impfflicht unsere Verfassung? Was Impfgegner gerne übersehen .

So einfach im Grunde die rechtliche Einordnung der Impffrage ist, umso schwieriger ist in der Regel der Umgang mit hartnäckigen Impfgegnern. Manchmal scheint es schier aussichtslos mit diesen Menschen überhaupt zu diskutieren. Aber manchmal hat man einfach keine Wahl. Dann sollte man die Argumente der Impfgegner kennen und die entsprechenden Gegenargumente parat haben.

Melanie van Luijen

Spätestens seit der Amtszeit Donald Trumps ist der Begriff der Fakenews auch aus dem deutschen Sprachgebrauch kaum mehr wegzudenken. Mit einer reflexartigen Vehemenz bezichtigen Impfgegner die verschiedenen nationalen wie internationalen Institutionen der Falschmeldungen rund um das Coronavirus. Aber wer sind eigentlich diese vermeintlich falschmeldenden Institutionen und wer befindet dort über das Richtig oder Falsch der Pandemiebekämpfung?

Hier noch mal eine kurze Übersicht der wichtigsten Institutionen in der Pandemie und deren Finanzierung:

Als erstes zu nennen sei an dieser Stelle das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin mit seiner Ständigen Impfkommission. Das RKI ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, welches zum einen durch Haushaltsmittel und zum anderen durch Drittmittel von nationalen und internationalen Fördermittelgebern finanziert wird. Das RKI, welches bereits 1891 gegründet wurde, ist eine der ältesten biomedizinischen Forschungseinrichtungen der Welt und arbeitet weltweit vernetzt und wissenschaftlich unabhängig, insbesondere völlig unabhängig von der Pharmaindustrie. Es arbeiten und forschen dort rund 1.100 Menschen aus 90 verschiedenen Berufen. Das RKI verfügt über einen wissenschaftlichen Beirat als Kontrollorgan und eine interne Ansprechperson zur Korruptionsvorsorge.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) ist eine ehrenamtliche, politisch und weltanschaulich unabhängige, derzeit 18-köpfige Expertengruppe in Deutschland, die am RKI angesiedelt ist. Die STIKO beschäftigt sich ausschließlich mit den gesundheitspolitisch wichtigen Fragen zu Schutzimpfungen und Infektionskrankheiten in Forschung und Praxis und gibt entsprechende Empfehlungen dazu heraus, die den Ländern als Vorlage für ihre Impfempfehlungen dienen.

Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Institut mit Sitz in Langen bei Frankfurt am Main erforscht und bewertet biomedizinische Humanarzneimittel und immunologische Tierarzneimittel und lässt diese Arzneimittel zu. Es ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz (Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen) zuständig.

Das Paul-Ehrlich-Institut ging hervor aus dem Staatsinstitut für experimentelle Therapie, dessen Aufgabe es war, Impfstoffe und Sera zu überprüfen und Forschungen zu Krebserkrankungen und Syphilis durchzuführen. Am 7. Juli 1972 wurde es mit dem Gesetz zur Errichtung eines Bundesamtes für Sera und Impfstoffe zu einer selbständigen Bundesoberbehörde. Der neue Behördenname löste am 23. Juli 2009 die alte Bezeichnung Bundesamt für Sera und Impfstoffe ab. Am 1. Juni 2021 feierte das Institut sein 125-jähriges Bestehen.

Die Einnahmen und Ausgaben des PEI sind im Bundeshaushaltplan beschrieben, die ordnungsgemäße Haushaltsführung wird vom BMG und vom Bundesrechnungshof überprüft. Die Einnahmen bestehen im Wesentlichen aus Gebühren für Amtshandlungen (PEI-Kostenverordnung, Tierimpfstoff-Kostenverordnung). Zusätzliche Einnahmen entstehen aus Aufträgen der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und anderer Einrichtungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (z.B. anderer Zulassungsbehörden). Die Forschung des Paul-Ehrlich-Instituts wird finanziell von externen Institutionen wie u.a. der Europäischen Kommission oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Die World Health Organisation (WHO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Das Ziel der Organisation ist die Koordination des internationalen öffentlichen Gesundheitswesens. Sie wurde am 7. April 1948 gegründet und zählt heute 194 Mitgliedsstaaten.

Die WHO wird finanziert durch Beiträge der Mitgliedsstaaten, die nach einem Schlüssel bemessen werden, wobei sich die Höhe des Beitrags nach der Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Landes richtet. Die freiwilligen Beiträge werden zu 52 % von den WHO-Mitgliedstaaten, vor allem China, Japan, Deutschland und Großbritannien entrichtet. Der Rest der freiwilligen Beiträge stammte hauptsächlich von Stiftungen (21%), von internationalen Organisationen (17%) sowie zu je 5% von NGOs und dem privaten Sektor. Die restlichen Einnahmen stammten aus Dienstleistungen der WHO oder aus der Nachzahlung ausstehender Beiträge. 

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ist eine 1993 gegründete Agentur der Europäischen Union, die für die Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln sowie für die Erhaltung und Förderung der öffentlichen Gesundheit zuständig ist. Seit März 2019 hat die EMA ihren Sitz in Amsterdam. Sie koordiniert die Bewertung und Überwachung aller Human- und Tierarzneimittel und nutzt dazu die wissenschaftlichen Ressourcen aus den nationalen Arzneimittelbehörden der 30 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und EWR-Staaten.

Die EMA spielt eine zentrale Rolle in der Arzneimittelzulassung. Auf der Basis ihrer wissenschaftlichen Beurteilung erteilt die Europäische Kommission einen zustimmenden oder abschlägigen Bescheid auf die von Arzneimittelherstellern im zentralisierten Verfahren gestellten Zulassungsanträge.

Die EMA wird von einem 36-köpfigen Verwaltungsrat geleitet. Die Mitglieder werden ernannt, um im öffentlichen Interesse zu handeln. Sie vertreten keinerlei Regierung, Organisation oder Branche. Die EMA hat 7 wissenschaftliche Ausschüsse und mehrere Arbeitsgruppen, an denen sich Tausende von Experten aus ganz Europa beteiligen.

Das Budget der EMA speist sich durchschnittlich zu 83% aus Gebühren, die die Pharmaunternehmen für die Bearbeitung der Zulassungsanträge entrichten müssen, zu 11% aus der EU und zu 6% aus sonstigen Quellen. 2012 verabschiedete der Verwaltungsrat der EMA Revisionen der Grundsätze und Richtlinien zur Vermeidung von Interessenskonflikten.

Wie man sieht, setzen sich alle diese nationalen wie internationalen Organisationen, die sich in den letzten 1,5 Jahren mit dem Covid-19-Virus beschäftigt haben, aus Wissenschaftlern der ganzen Welt zusammen und werden aus sehr unterschiedlichen Quellen finanziert.

Können also alle diese nationalen wie internationalen Einrichtungen korrupt, gekauft, manipuliert sein? Ja, auch ich zweifele im Ansehen manch einer neuen Skandalnachricht dann und wann daran, dass es überhaupt noch ehrliche Menschen in der großen Weltpolitik gibt, die nicht irgendwelche eigennützigen Interessen verfolgen.

Geschwindigkeit von Informationsverbreitung zu schnell?

Das kann durchaus den Glauben an die Wissenschaft erschüttern. Aber dann frage ich mich, was sich verändert hat. Und das kann man ganz klar sagen. Verändert hat sich nämlich die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung durch die neuen Medien, welche uns stellenweise ein verändertes Weltbild suggeriert.

Fragt man Menschen, ob sie meinen, dass sich die Kriminalität in den letzten Jahrzenten verschlimmert hätte, so wird dies nahezu einhellig bejaht. Die jährliche Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die Auskunft über die verschiedenen Verbrechen in Deutschland gibt, spricht jedoch eine deutlich andere Sprache. Jährlich sinkt die Kriminalität und das Dunkelfeld verkleinert sich durch verbesserte Aufklärungsmethoden.

Aber durch unsere – extrem schnell gewordenen – Medien werden wir alle um ein Vielfaches mehr mit den tatsächlich immer noch stattfindenden Verbrechen konfrontiert. Das führt die meisten Menschen eben zu der Annahme, dass alles schlimmer geworden sei.

Ähnlich verhält sich das mit Vorwürfen von Korruption. Selbstverständlich gibt es diese Korruption in Politik und Wissenschaft, das werden auch die eingerichteten Ethikräte, Beiräte und andere Kontrollorgane nicht verhindern können. Aber auch hier gaukeln uns die modernen Medien eine deutliche Verschlimmerung vor, die sich aber in der Realität so nicht unbedingt widerspiegelt.

Soweit ein Impfgegner mit falschen Meldungen über das Virus selbst, die Sicherheit des Impfstoffes oder vermeintlich falschen Fallzahlen argumentiert, kann diesem entgegengehalten werden, dass in diesen Fällen die Staatsanwaltschaft zuständig wäre, gegen derartige Lügen und Korruption vorzugehen.

Und die Geschichte hat bis heute hinreichend deutlich gezeigt, dass früher oder später Falschmeldungen, Korruption oder andere Verbrechen ans Tageslicht kommen. Es ist also davon auszugehen, dass derartige Situationen mittlerweile bekannt geworden wären.

So ist es z.B. hinlänglich bekannt, dass tatsächlich sowohl die Pharmaindustrie als auch Bill Gates die WHO finanziell unterstützen und dabei immer auch ihre eigenen Aktienbestände im Blick haben. Aber eben dieser Zustand ist ein öffentlich bekannter Zustand, der zu Recht von Kritikern genauestens beobachtet wird. Auch wenn sich die WHO mit dieser Art der Finanzierung definitiv keinen Gefallen getan hat in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit, stellt dies noch keinen Grund dar, das große Ganze anzuzweifeln.

Glaube an Verschwörer

Es sei denn, man glaubt an die ganz große Weltverschwörung. Aber wer ernsthaft glaubt, die Regierungen der ganzen Welt – nebst ihrer Organisationen wie die WHO, die EMA und ähnliche – hätten sich zu einem gemeinsamen Plan zusammengeschlossen, der kann eigentlich nicht ernsthaft davon ausgehen, dass er diesem großen Plan mit einer Demo gegen Corona-Maßnahmen oder einer Impfverweigerung entgehen kann, oder? Wenn die Reichsten und Mächtigsten unserer Welt einen großen Plan hätten, dann hätten sie auch einen Plan B, falls es einzelne gibt, die sich nicht impfen lassen.

Falschgeld und falsche Impfpässe

Ein weiteres Argument der Impfgegner sind die vielfältigen Fälschungsmöglichkeiten. Es sind nachweislich gefälschte Impfpässe oder Impfbescheinigungen, ebenso wie gefälschte Testbescheinigungen im Umlauf. Ebenso gab es von Beginn der Maskenpflicht falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht, ebenso wie es heute falsche Atteste zur Befreiung von der Impfung aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen gibt.

Aber deswegen kann natürlich nicht das gesamte System als gescheitert angesehen werden. Es würde auch niemand auf die Idee kommen, unser Geldsystem als gescheitert anzusehen, nur weil es Falschgeld gibt. Ebenso wie wir die Geldfälscher jagen und der Justiz zuführen, sollten wir auch die Fälscher von Testergebnissen, Impfbescheinigungen oder Attesten der Justiz zuführen. Denn das sind Verbrechen, die bestraft gehören, aber nicht Gründe, das komplette System anzuzweifeln.

Ebenso greift meiner Meinung nach auch das Argument mit der fehlenden Kontrolle der Impfbescheinigungen nicht. Immer wieder gehört, das Argument „Impfen ergibt keinen Sinn, wenn dann die Impfung nicht überall auch konsequent kontrolliert wird.“ Ja, die Kontrolle könnte besser sein. Ich bin schon lange geimpft, habe meinen Impfpass aber noch nicht oft irgendwo vorzeigen müssen und wenn, dann wurde dabei auch nicht zusätzlich mein Personalausweis kontrolliert.

Aber „Fahren ohne Fahrschein“ bleibt „Fahren ohne Fahrschein“, auch wenn ich dabei nicht kontrolliert und folglich nicht erwischt werde. Das Gesetz kennt keine Gleichbehandlung im Unrecht. Nur weil ein anderer damit durchgekommen ist, ist das noch lange kein Freibrief für mich. Da muss man sich doch ernsthaft die Frage stellen, wenn sich einer nicht an die Spielregeln hält, sind deswegen die Spielregeln doof oder ist vielleicht doch nur derjenige doof, der sich nicht daranhält?

Fazit: Für den Weg in die Freiheit braucht es Wissenschaft kontra Stammtischparolen

Als Fazit bleibt damit nur festzuhalten, dass es in den meisten Fällen ohnehin sinnentleert sein dürfte, mit einem Impfgegner überhaupt eine ernsthafte Diskussion führen zu wollen. Sollten Sie aber einem Impfgegner begegnen, der tatsächlich offen für Gegenargumente ist, dann kann es sicherlich nicht schaden, sich bei der Argumentation auf rechtliche und wissenschaftliche Argumente zu stützen statt auf emotionale Stammtischparolen. Und jeder einzelne Impfgegner, der seine Meinung ändert, ist ein kleiner Schritt zurück in die Freiheit, um auch dieses grundrechtlich gewährte Recht wieder voller Freude und fern von Angst leben zu können.
 

Kommentar

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