Vorbereitung ist alles: Komplikationen sind seltener, wenn gebrechliche Patienten für eine Operation fit gemacht werden

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

27. September 2021

Leipzig – Eile mit Weile – mit dieser Volksweisheit lässt sich ein Konzept mehrwöchiger Operationsvorbereitung, die „Prähabilitation“, auf einen Nenner bringen. Es geht darum, die meist alten, gebrechlichen und multimorbiden Patienten zunächst für den Eingriff fit zu machen. Studien und die eigene Erfahrung hätten gezeigt, dass die Vorteile mögliche Nachteile durch den Aufschub bei weitem überwiegen, berichtete Prof. Dr. Natascha Nüssler bei einem Online-Meeting zum Kongress „Viszeralmedizin 2021“ [1].

Rund 17 Millionen Patienten werden jährlich in deutschen Kliniken operiert, so Nüssler, Chefärztin Allgemein- und Viszeralchirurgie an der München Klinik Neuperlach und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie DGAV. Der größte Teil ist in höherem Alter, leidet an mehreren Erkrankungen und befindet sich mitunter in einem schlechten körperlichen Zustand bis hin zur Gebrechlichkeit. Zu den häufigen Indikationen zählen die Entfernung von Tumoren und das Einsetzen einer Hüftprothese.

Chimäre aus „präoperativ“ und „Rehabilitation“

Nüssler erläuterte eine Art der Vorbereitung, die an ihrer Klinik, aber auch schon an anderen Zentren praktiziert wird. Die Bezeichnung dafür lautet „Prähabilitation“, zusammengesetzt aus den Wörtern „präoperativ“ und „Rehabilitation“. Da besonders Schwerkranke profitieren, werden bei ihnen sogar Krebsoperationen nicht immer sofort angesetzt, sondern für die „Präha“ um mehrere Wochen verschoben.

Ziel ist es, das Befinden der Patienten so zu verbessern, dass sie selbst große komplexe Eingriffe gut überstehen und sich danach rasch erholen. Unter anderem werden die Kosten des Programms um ein Vielfaches wettgemacht durch die Einsparungen, die sich mit einer verringerten Komplikationsrate und einem verkürzten Krankenhausaufenthalt nach der Operation erreichen lassen. In Summe bedeutet die Prähabilitation also eindeutig eine Kostensenkung.

Betreuung durch ein interdisziplinäres Team

Als Voraussetzung für den Erfolg nannte Nüssler die gute Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams aus den Bereichen Psychologie, Ernährungswissenschaft, Diätetik sowie Ergo- und Physiotherapie. So viel Expertise wird gebraucht für ein ganzes Bündel von Maßnahmen:

  • Bewegung: selbstverständlich individuell an das Leistungsvermögen angepasst. „Schon leichte Betätigungen wie eine halbe Stunde Spazierengehen oder selbst Gymnastikübungen auf einem Stuhl bringen einen Gewinn“, sagte Nüssler. Weiterhin lernen die Patienten in der Physiotherapie, wie sie sich nach der Operation möglichst schmerzfrei bewegen können.

  • Raucherentwöhnung: Optimum wäre natürlich Abstinenz, aber Patienten, die überhaupt nicht auf Zigaretten verzichten können, wird zumindest geraten, den Tabakkonsum einzuschränken.

  • Regulation des Gewichts: Wer zu wenig wiegt, erhält eine kalorienreiche Kost. Wer zu viele Kilos auf die Waage bringt, wird allerdings nicht primär zu einer Reduktion genötigt.

  • Ausgleich einer Mangelversorgung: etwa durch Supplementation mit Eiweiß, Vitaminen und Mineralien. „Fast ein Drittel der Patienten, die zu einer Operation angemeldet sind, haben Defizite. Dadurch fehlen ihnen für die Heilung wichtige Reserven“, so Nüssler. Sie wies darauf hin, dass selbst Übergewicht nicht selten mit Mangelernährung einhergeht, etwa wenn die Patienten wegen ihrer Krankheit kaum mehr richtig essen können und in kurzer Zeit stark abgenommen haben.

  • Behandlung von Blutarmut: Vor allem bei Krebserkrankungen sind die Eisenwerte häufig zu niedrig, was die Anfälligkeit für postoperative Komplikationen erhöht. „Das sogenannte Patient-Blood-Management ist bei uns ein fester Bestandteil der Vorbereitung. Dazu gehört, Operationstechniken mit möglichst geringem Blutverlust zu wählen“, erläuterte die Chirurgin. Durch das Auffüllen der Eisenspeicher können Bluttransfusionen während und nach dem Eingriff vermieden werden.

 
Fast ein Drittel der Patienten, die zu einer Operation angemeldet sind, haben Defizite. Dadurch fehlen ihnen für die Heilung wichtige Reserven. Prof. Dr. Natascha Nüssler

3 Wochen gelten als Richtwert

Eine Schwierigkeit liege darin, abzuschätzen, wie viel Zeit all diese Schritte in Anspruch nehmen. Über den Daumen gepeilt veranschlagen die „Präha“-Mitarbeiter 3 Wochen. Jedoch drängen gerade Tumorpatienten darauf, bald einen Termin zu vereinbaren, sobald ihnen eine chirurgische Abtragung des malignen Gewebes empfohlen wird. Einerseits wollen sie die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, andererseits fürchten sie – wie auch ihre Hausärzte – Wachstum und Streuung des Karzinoms. 

Es sei dann Aufgabe des Teams, allen Beteiligten zu erklären, warum es sich lohnt, noch abzuwarten, führte Nüssler aus. Das koste manchmal erhebliche Anstrengungen. „Doch dann sind die meisten von dem Angebot sehr angetan und machen bereitwillig mit“, so die Chefärztin.

 

Kommentar

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