Neben der Antidot-Therapie ist bei einer Paracetamol-Intoxikation die unterstützende Behandlung unerlässlich. Die sofortige Beurteilung der Atemwege, der Atmung und des Kreislaufs des Patienten (ABC-Regel) ist ganz entscheidend für die Überlegungen zur Therapieeinleitung bei mutmaßlicher Paracetamol-Überdosierung. Wie bei jeder oralen Intoxikation ist es sehr wichtig, auf andere potenziell lebensbedrohliche Begleitstoffe zu achten.
Ist der Patient in einem stabilen psychischen und physischen Zustand mit freien Atemwegen und gelangt er innerhalb von 60 Minuten nach Einnahme in stationäre Behandlung, kann Aktivkohle gegeben werden. Dann sollte etwa 4 Stunden nach der Einnahme die Serumkonzentration für Paracetamol bestimmt werden, um das potenzielle Hepatotoxizitätsrisiko mithilfe des Rumack-Matthew-Nomogramms zu bewerten.
Patienten mit einem Paracetamol-Spiegel oberhalb der Schwelle für mögliche Schädigungen im Rumack-Matthew-Nomogramm werden zur Behandlung mit NAC stationär aufgenommen. Dabei ist die möglichst frühzeitige NAC-Gabe äußerst wichtig. NAC vermag die Leber fast 100-prozentig zu schützen, falls es innerhalb von 8 bis 10 Stunden nach einer Paracetamol-Intoxikation verabreicht wird. Dies entspricht den Leitlinien des American College of Emergency Physicians.
Da die NAC-Gabe vergleichsweise harmlos ist, jedoch das Risiko schwerer Folgen einer Paracetamol-Intoxikation besteht, sollte NAC auch dann verabreicht werden, wenn die Anamnese unklar ist, aber der Verdacht auf eine potenziell toxische Paracetamol-Aufnahme besteht. NAC sollte daher auch gegeben werden, wenn der Patient kurz vor oder etwas später als 8 Stunden nach einer akuten Ingestion in der Notaufnahme erscheint oder wenn die Patientin schwanger ist, selbst wenn die Laborergebnisse der Paracetamol-Serumkonzentration noch ausstehen.
Eine spätere Einlieferung sollte die NAC-Gabe nicht ausschließen, wenn die Anamnese oder der Befund auf eine mögliche Intoxikation hinweisen. Verabreichen Ärzte aufgrund der späten Einlieferung von Patienten kein NAC, gilt dies medizinisch und formalrechtlich als Kunstfehler. Die frühzeitige NAC-Gabe hat Vorrang vor einer gastrointestinalen Dekontamination mithilfe von Aktivkohle.
Priorität hat eine intravenöse Gabe; orales NAC kann in den seltenen Fällen, in denen ein Patient mehrere Aktivkohle-Dosen zur Behandlung von Koingestionen benötigt, zeitlich versetzt zur Gabe der Aktivkohle erfolgen.
Dieser Artikel wurde von dem Arzt und Autor Markus Vieten aus https://www.medscape.com/viewarticle/954960 übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Quiz: Paracetamol ist sprichwörtlich in aller Munde, doch Intoxikationen kommen oft vor. Wie helfen Sie Betroffenen? - Medscape - 27. Sep 2021.
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