Die Bundestagswahl ist zum Greifen nah. Von einer generellen Impfpflicht nehmen alle großen Parteien Abstand. Wer Vakzine gegen COVID-19 ohne triftigen Grund ablehnt, wird es bald schwer haben, denn die Regierung verschärft bestehende Regelungen zum Infektionsschutz. Ärzte sollten genau überlegen, wem sie Kontraindikationen gegen eine Impfung bescheinigen – und wem nicht.
Keine Lohnfortzahlung bei Quarantäne ab 1. November
Zum Hintergrund: In den nächsten Wochen wird die Regierung einige Maßnahmen beim Infektionsschutz verschärfen. Am 22. September haben sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern darauf verständigt, bei behördlich angeordneter Quarantäne Nicht-Geimpften spätestens ab 1. November keine Entschädigung mehr zu zahlen. Das gilt, falls Bürger etwa Kontakt zu Infizierten hatten und deshalb in häusliche Isolation müssen. Derzeit erhalten sie in den ersten 6 Wochen 100% und ab der 7. Woche 67% ihres Lohns. Für Geimpfte entfällt die häusliche Quarantäne meist.
„Da geht es … nicht um Druck, sondern um Fairness gegenüber auch den Geimpften“, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärt. „Warum sollen andere dafür zahlen, dass jemand für sich entscheidet, sich nicht impfen zu lassen?“ Wer sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann, benötigt ein Attest.
Keine kostenlosen Tests auf Infektionen
Damit nicht genug: Ab 11. Oktober sollen Corona-Schnelltests nicht mehr für alle kostenlos sein. Das haben Bund und Länder beschlossen. Aktuell erstattet der Bund 11,50 Euro. Um wirtschaftlich zu arbeiten, rechnen Betreiber von Testzentren mit Preisen zwischen 15 und 20 Euro. Das trifft Personen, die ohne medizinische Indikation SARS-CoV-2-Impfungen ablehnen, besonders hart. Die „3G“-Regel gilt immer häufiger für Kulturbetriebe, für Sportstätten, Restaurants und für Reisen. Das negative Testergebnis eines Schnelltests gilt maximal 24 Stunden.
Sonderregelung für Kinder und Jugendliche
Personen mit medizinischer Kontraindikation erhalten laut Bundesgesundheitsministerium weiterhin kostenlose Testangebote. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche, die zum Zeitpunkt der Testung noch jünger als 12 Jahre alt sind oder erst in den letzten 3 Monaten vor der Testung 12 Jahre alt geworden sind. Bis zum 31. Dezember 2021 können sich alle, die zum Zeitpunkt der Testung noch minderjährig sind, kostenlos testen lassen. Das triff auf Schwangere ebenfalls zu, unabhängig vom Trimenon, in dem sie sich befinden.
Wann sollten Ärzte Bescheinigungen ausstellen?
Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts, Berlin, können einzelne Personen aufgrund von Allergien gegen Inhaltsstoffe der Vakzine nicht geimpft werden. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nennt als durchschnittliche 0,4 bis 11,8 anaphylaktische Reaktionen pro 1 Million Impfstoffdosen.
Oft richtet sich die Unverträglichkeit gegen das Produkt eines Herstellers. Wer beispielsweise gegen Inhaltsstoffe eines mRNA-Vakzins allergisch ist, kann einen Vektorvirus-Impfstoff bekommen – oder umgekehrt. Vaxzevria® (AstraZeneca) wiederum sollte nicht bei bekanntem Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) oder Kapillarlecksyndrom verabreicht werden.
Infektionen mit Temperaturen über 38 °C gelten als vorübergehende Kontraindikation. Nach Abklingen des Fiebers sind Impfungen möglich.
Patienten mit diversen Erkrankungen wie Immundefizienzen können zwar geimpft werden. Bei ihnen ist der Schutz möglicherweise zu gering, was für die Bestimmung ihrer Antikörper-Titer spricht. „Selbst unter schwer immunsupprimierten Personen, wie z.B. Krebspatienten unter bestimmten Chemotherapien oder Organtransplantierten, ist das Ansprechen auf die Impfung sehr unterschiedlich“, schreibt das RKI.
Laut STIKO können Kinder unter 12 Jahren und Schwangere im 1. Trimenon derzeit nicht geimpft werden. Für sie ist kein Impfstoff zugelassen.
Wer sollte kein Attest bekommen?
In seinen FAQs zu Impfungen nennt das Institut auch eine Reihe „falscher Kontraindikationen“:
Banale Infekte (≤ 38,5 °C)
Krebserkrankungen
Rheumatoide Erkrankungen
Allergien, die sich nicht spezifisch gegen Bestandteile der Impfung richten
Pharmakotherapien mit Antibiotika
Pharmakotherapien mit Kortikosteroide
Blutungsneigungen
Pharmakotherapien mit Antikoagulanzien
Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Nierenerkrankungen
Weit vor der Pandemie hat das RKI Ärzte und Patienten informiert, dass Autoimmunerkrankungen keine generelle Kontraindikation gegen Impfungen darstellen. Totimpfstoffe können unabhängig von einer immunsuppressiven Therapie zum Einsatz kommen.
Wer trotzdem Bescheinigungen ausstellt, verstößt gegen Berufsrecht bzw. die Infektionsschutzverordnung.
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Diesen Artikel so zitieren: Keine Blankoschecks für Impfverweigerer: Wem Ärzte Atteste zur Corona-Impfbefreiung ausstellen sollten – und wem besser nicht - Medscape - 23. Sep 2021.
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