Die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 wird einige Veränderungen bringen, auch für Ärztinnen und Ärzte. Lesen Sie hier, was die einzelnen Parteien im Gesundheitsbereich umsetzen wollen.
CDU/CSU
Im Wahlprogramm der Union aus CDU und CSU betonen diese, dass die Pandemie gezeigt habe, wie stark das deutsche Gesundheitssystem sei [1]. Man müsse aber noch mehr tun, damit das System weiter zu den besten der Welt zähle. Unter anderem fordern CDU/CSU:
Die Selbstverwaltung, die freie Arzt- und Therapiewahl und das zweigliedrige System aus gesetzlichen und privaten Krankenkassen soll erhalten bleiben.
Für komplexe Behandlungen soll eine stärkere Bündelung klinischer Angebote erfolgen, bei gleichzeitiger Grund- und Regelversorgung, auch im ländlichen Raum.
Mit weiterer Digitalisierung und virtuellen Krankenhäusern soll medizinisches Fachwissen überall verfügbar gemacht werden.
Eine lebensbejahende Beratung für unheilbar kranke Menschen wird gewünscht, eine kommerzialisierte Sterbehilfe abgelehnt.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst soll nachhaltig finanziell und personell gestärkt und digitalisiert werden. Das Robert Koch-Institut soll zum deutschen Public-Health-Institut mit größeren Ressourcen ausgebaut werden.
SPD
Für die SPD stehen die Überwindung der Sektorengrenzen, die Abschaffung des dualen Versicherungssystems in einer Bürgerversicherung und die Lehren aus der Pandemie im Fokus [2]. Im Bereich des Gesundheitswesens fordert die SPD unter anderem:
Die SPD will eine Bürgerversicherung einführen. Das Ziel: allen einen qualitativ gleichwertigen Zugang zur medizinischen Versorgung, eine solidarische Finanzierung und hohe Qualität der Leistungen zu gewährleisten.
Um die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern, wollen die Sozialdemokraten integrierte, sektorenübergreifende Versorgungszentren mit mobilen Teams gründen. Weiter sollen die Rollen zwischen ambulantem und stationärem Sektor neu verteilt werden. Öffentliche Krankenhäuser spielen im Konzept der Partei weiterhin eine wichtige Rolle.
Für mehr digitale Kompetenzen im Gesundheitssektor setzt die SPD auf flächendeckende Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote für medizinischen Berufsgruppen.
Die SPD will verstärkt in die Forschung zu Medikamenten investieren und die inländische Arzneimittel-Produktion stärker fördern. Dabei steht die personalisierte Medizin im Fokus.
Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sollen nicht mehr über Fallpauschalen abgerechnet werden. So will die SPD dem Schwund an Kinderkliniken außerhalb der Ballungsräume begegnen.
Bündnis 90/Die Grünen
Bündnis 90/Die Grünen messen dem Gesundheitswesen eine besondere Bedeutung bei der Bewältigung der Klimakrise zu, sei es durch Anpassungen an ein verändertes Krankheitsspektrum oder vermehrte Extremwetterlagen [3]. Zu den weiteren gesundheitspolitischen Forderungen zählen:
Beim zukünftigen Umgang mit Pandemien sollen Stufenpläne erarbeitet und ein unabhängiger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet werden. Alle getroffenen Maßnahmen müssen evidenzbasiert und verhältnismäßig sein.
Perspektivisch soll die strikte Trennung von EBM und GOÄ aufgehoben werden und eine gemeinsame Abrechnungssystematik von ambulanten und stationären Leistungen eingeführt werden.
Der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch soll nicht mehr im Strafgesetzbuch (§218 und §219 StGB) geregelt werden. Der §219a soll schnellstmöglich gestrichen, um Ärztinnen und Ärzte vor drohenden Anzeigen zu schützen, wenn diese über Schwangerschaftsabbrüche informieren.
Kliniken sollen zukünftig nicht mehr nur nach Fallzahlen, sondern auch nach gesellschaftlichem Auftrag finanziert werden. Die Konzentration auf ertragreiche Angebote müsse ein Ende haben.
Durch eine Legalisierung und regulierten Verkauf von Cannabis soll dem Schwarzmarkt der Boden entzogen werden. Auch die Versorgung mit und die Forschung zu medizinischem Cannabis soll gefördert werden.
FDP
Die Freien Demokraten wollen Bürokratie im Gesundheitswesen abbauen, Krankenhäuser und Arztpraxen stärker digitalisieren und den Wettbewerb unter den Krankenkassen fördern [4]. So fordert die FDP weiter:
Das Robert Koch-Institut soll zu einer unabhängigen Institution nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank gemacht werden. Dafür sollen der Präsident und ein Vorstand in Fachfragen weisungsunabhängig sein.
Bürokratie abbauen, das wollen die Freien Demokraten und fordern deshalb eine „Bepreisung“ der Bürokratie- und Berichtspflichten. Wer zukünftig Unterlagen anfordert, zahlt dafür.
Die FDP fordert mehr Selbstbestimmung für Patientinnen und Patienten und macht dies an 2 Themen fest: ein liberales Sterbehilfegesetz und die kontrollierte Freigabe von Cannabis.
Die Freien Demokraten wünschen sich mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Sie sollen Versicherten finanzielle Anreize wie Selbstbeteiligungen, Bonuszahlungen oder Beitragsrückerstattungen und freiwillig zusätzliche Leistungen anbieten können.
Die FDP hält am dualen Gesundheitssystem fest und will dieses weiterentwickeln. Dazu soll es leichter werden, zwischen gesetzlicher (GKV) und privater (PKV) Krankenversicherung zu wechseln.
Die Linke
Nach Ansicht der Partei Die Linke hat die Coronakrise vor Augen geführt, dass das Gesundheitssystem in Deutschland falsch organisiert sei [5]. Insbesondere der Personalmangel an Kliniken wird hervorgehoben. Im Bereich der Gesundheitspolitik stellt die Partei unter anderem diese Forderungen:
Die Fallpauschalen (DRG) sollen abgeschafft werden, da sie falsche Anreize in Krankenhäusern schaffe. Die Betriebskosten der Kliniken sollen vollständig über die Krankenkassen finanziert werden.
In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen soll es gesetzliche Personalbemessungsgrenzen für alle Berufsgruppen geben.
Die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung soll abgeschafft werden. Stattdessen sollen alle in eine solidarische Gesundheitsversicherung einzahlen.
Arzneimittelpreise müssen gesetzlich begrenzt werden. Nur Medikamente mit nachgewiesenem Nutzen werden vollständig erstattet. Rabattverträge sollen abgeschafft werden.
Die Forschung zur Therapie von Long-COVID soll finanziell gefördert werden.
AfD
Die AfD strebt große Änderungen im Gesundheitssystem an [6]. Dazu gehört auch eine Reform der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der gesetzlichen Pflege- wie auch der Krankenversicherung. Wichtige gesundheitspolitische Ziele der AFD sind:
Die AfD will die soziale Pflegeversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung zusammenlegen. Der Grund: Schnittstellenprobleme bei der Versorgung von Pflegebedürftigen, die häufig multimorbide seien.
Die Alternative für Deutschland fordert verpflichtende Untersuchungen auf multiresistente Keime bei jedem stationären Krankenhausaufenthalt. Dazu soll jede Klinik mit einer Intensivstation verpflichtend einen Mikrobiologen beschäftigen.
Die AfD spricht sich gegen die zentrale Sicherung von Gesundheitsdaten aus, sondern will Notfalldatensätze, eine Medikamentenübersicht und eine Patientenverfügung direkt auf der Krankenkassenkarte ablegen.
Die WHO soll nach dem Willen der Alternative für Deutschland reformiert werden, da sie nicht mehr unabhängig und neutral sei. Sollte dies nicht durchsetzbar sein, spricht sich die AfD für einen Austritt Deutschlands aus der WHO aus.
Die AfD fordert die Einführung eines Individualbudgets für Krankenhäuser, um auch in strukturschwachen Gebieten eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Für niedergelassene Ärzte will die Partei eine Abkehr von Kopfpauschalen, Budgetierung und „willkürlichen Honorarkürzungen innerhalb der GKV“.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de (als 1. und 2. Beitrag).
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Diesen Artikel so zitieren: Bundestagswahl 2021: Wissen Sie, was die Parteien in der Gesundheitspolitik so vorhaben – und was das für Ärzte bedeutet? - Medscape - 22. Sep 2021.
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