Fall: Eine sportliche Büroangestellte leidet an Schwindelgefühlen und an Koordinationsstörungen – Ihr Verdacht?

Marie-Lee Simard, Alexandre Lafleur

Interessenkonflikte

20. September 2021

Diskussion

Bei dem Patienten in diesem Fall wurde ein Schlaganfall, sprich ein rechtslateraler Medullainfarkt mit dem klinischen Bild des Wallenberg-Syndroms, diagnostiziert.

Die betroffenen Neuronen leiten die Schmerz- und Temperaturempfindungen von der rechten Gesichtshälfte weiter zum Nucleus spinalis nervi trigemini im dorsolateralen Aspekt des Hirnstamms (s. Abb. 2).

 

Danach kreuzt die Bahn (als quintothalamische oder trigeminothalamische Bahn) und steigt zum Thalamus auf. Die Neuronen des Tractus spinothalamicus für die linken Gliedmaßen und den Rumpf münden ins Rückenmark, wo sie eine oder 2 Ebenen aufsteigen (über den Tractus posterolateralis) und dann umgeschaltet werden. Die Neuronen 2. Ordnung wechseln dann auf die rechte Seite des Rückenmarks (über die vordere Kommissur, unmittelbar vor dem zentralen Rückenmarkkanal) und steigen dann im anterolateralen Rückenmark bis zur rechten Seite des Hirnstamms auf. Im Hirnstamm liegt der Tractus spinothalamicus lateral.

Bei dieser Patientin waren das Schmerz- und Temperaturempfinden (d.h. die protopathische Sensibilität) in der rechten Gesichtshälfte und auf der linken Körperseite beeinträchtigt. Diese kontralateralen Befunde sind charakteristisch für eine rechtsseitige Markraumläsion.

Die Patientin wies außerdem eine verminderte Gaumenbeweglichkeit und einen abgeschwächten Würgereflex auf der rechten Seite auf, was auf eine Beteiligung der rechten Hirnnerven IX (N. glossopharyngeus) und X (N. vagus) hinweist. Diese Hirnnerven sowie die absteigenden sympathischen Fasern (der Patient hatte ein rechtsseitiges Horner-Zeichen) befinden sich ebenfalls im dorsolateralen Aspekt des rechten Rückenmarks (s. Abb. 3).

Der Schwindel und die rechtsseitige Ataxie sind auf eine Beteiligung des Nucleus vestibularis bzw. der rechten Kleinhirnbahnen (die durch den unteren Kleinhirnstiel in das Kleinhirn ziehen) zurückzuführen. Der Kern und die Faszikel des N. hypoglossus liegen medial in der Medulla und die Pyramidenbahn auf ihrem Weg durch die Medulla anteromedial.

Die Bahnen für die Wahrnehmung der Gelenkstellung und das Vibrationsempfinden verlaufen ipsilateral im Rückenmark nach oben und werden an den Nucc. gracilis und cuneatus im unteren Teil der Medulla umgeschaltet. Die Bahnen der dorsalen Säule kreuzen dann (als Fibrae arcuatae internae) in Höhe der unteren Medulla und ziehen als Lemniscus medialis im medialen Aspekt des Hirnstamms hinauf.

Die normale Zungenbeweglichkeit und die erhaltene Funktion der Pyramidenbahn und der Columna dorsalis bei dieser Patientin deuten darauf hin, dass die mediale Medulla verschont blieb. Daher kam es in diesem Fall zu einem rechtsseitigen lateralen medullären Syndrom (Wallenberg-Syndrom), das im kranialen MRT als Schlaganfall bestimmt wurde. In der koronaren T2-gewichteten Sequenz sieht man eine starke Signalabnormalität in der rechten Medulla (schwarzer Pfeil, s. Abb. 1).

Die starken Schmerzen am rechten Ohr 3 Tage vor dem Auftreten neurologischer Defizite deuten auf eine Dissektion der A. vertebralis hin. Bei einem Schlaganfall mit vorhergehenden Kopf- oder Nackenschmerzen sollte immer der Verdacht auf eine zervikale Arteriendissektion aufkommen.

Die Patientin betrieb fast täglich intensiven Ausdauersport, der auch wiederholte, kraftvolle laterale Nackenflexionen beinhaltete. Dies war womöglich die Ursache der Dissektion der rechten Vertebralarterie mit anschließendem Infarkt des dorsolateralen Aspekts der rechten Medulla.

Kommentar

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