Leipzig – Die nicht-alkoholische Fettleber ist eine „stille Volkskrankheit“, sagte Kongresspräsident DGVS Prof. Dr. Christian Trautwein auf einem Online-Meeting vorab zum Kongress „Viszeralmedizin 2021“ [1].Zwar lässt sich die Störung bei mehr als einem Viertel der Bevölkerung in Deutschland nachweisen, doch bleibt sie allgemein kaum beachtet. Dabei schädigt sie nicht nur die Leber, sondern ist auch Treiber für Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein Positionspapier ruft nun zu Prävention und Früherkennung auf.
Gefährliche Progression zu Fibrose und Zirrhose
Eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) bildet sich, wenn der Kalorienkonsum den Verbrauch übersteigt, wie Trautwein im Vorfeld des Kongresses erläuterte. Die im Darm absorbierten Nährstoffe gelangen über die Pfortader zum „Energiekraftwerk“ Leber und werden dort als Fett gespeichert – eigentlich für Notzeiten. Doch da es in unserer Überflussgesellschaft nicht eben an Nahrung mangelt, stauen sie sich wie „Brummis auf einem Parkplatz“, so Trautwein, der die Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin in Aachen leitet.
Die NAFLD schreitet fort, weil die Leberzellen langfristig zugrunde gehen. Aus der noch reversiblen einfachen Form entsteht die nicht-alkoholische Fettleberentzündung oder Steatohepatitis (NASH), die bei rund 4% der Menschen hierzulande vorliegt – Tendenz steigend. Nächster Schritt: die Leberfibrose mit vernarbtem Bindegewebe und schließlich eine Zirrhose. Dabei spielen neben Überernährung und Bewegungsarmut auch die Gene eine Rolle.
Mit den Umbauprozessen steigt das Risiko für weitere Krankheiten drastisch an. „Die NASH ist mittlerweile eine der häufigsten Ursachen für Leberkrebs und eine der führenden Indikationen für eine Lebertransplantation“, berichtete Trautwein. Denn wie in einem Netzwerk, dessen Verzweigungen jedoch noch nicht klar definiert sind, werden auch andere Organe in Mitleidenschaft gezogen.
Deshalb ist die NAFLD eng mit Diabetes, Dyslipidämie, Karzinomen auch außerhalb der Leber und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verknüpft. Zahlen machen das deutlich: 60% der NAFLD-Patienten haben Typ-2-Diabetes, 70% starkes Übergewicht.
Ernährung und Bewegungsgewohnheiten umstellen
Da die Fettleber hauptsächlich einem ungesunden Verhalten geschuldet ist, kann jeder viel dazu beitragen, um die Energie-Aufnahme an den Verbrauch anzupassen.
Als Alltagstipp nannte Trautwein das in letzter Zeit viel propagierte Intervallfasten, weil die Fettspeicher während der Abstinenz gut geleert werden. Vorteile bringt auch der Wechsel auf eine weniger kaloriendichte Kost: Füllstoffe wie Gemüse dehnen dann den Magen und lösen frühzeitig Sättigungsreize aus.
Ein Premiumplatz auf der Not-to-do-Liste gebührt der hochkalorischen Fructose, die ja zu Fett verstoffwechselt wird, mit anderen Worten: Wasser trinken statt Limonade und Softdrinks.
Empfehlenswert weiterhin: Sport, am besten noch vor dem Frühstück, denn nüchtern kommt der Stoffwechsel schneller in die katabole Phase. X-fach wiederholt, aber mit vollem Recht: Fahrrad statt Auto, etwa zur Arbeit, Treppe statt Aufzug und viele „Bewegungsinseln“ mehr in den Alltag einbauen.
Was gesundheitspolitisch getan werden muss
Darüber hinaus sei es ein erster notwendiger Schritt, gesundheitspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen für Prävention und Früherkennung zu schaffen, forderte Trautwein.
Er verwies auf das Positionspapier, das die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten DGVS zusammen mit anderen Organisationen erarbeitet hat: „Wir halten es für unabdingbar, die NAFLD in das bestehende Disease-Management-Programm Diabetes und das geplante DMP Adipositas aufzunehmen.“
Außerdem plädierte er dafür, die Störung in das Präventionsgesetz aufzunehmen und gewichtsreduzierende Maßnahmen zu erstatten, was der sogenannte Lifestyle-Paragraf 34 SGB V bisher ausschließt.
Die Gefahr bei NAFDL liege darin, dass ihr Fortschreiten lange unbemerkt bleibt. Deshalb müsse in der Öffentlichkeit und bei Ärzten das Bewusstsein für diese Erkrankung geschärft werden, damit sie nicht erst in einem späten Stadium entdeckt wird, wenn die Schäden bereits irreversibel sind.
Hausärzte werden einen Diagnosepfad entlang geleitet
Für eine Früherkennung empfiehlt das Positionspapier einen Diagnosepfad, dem Hausärzte bei Risikopatienten – mit Diabetes, Adipositas, KHK – folgen können. Als wichtige Wegweiser nannte Trautwein: Fibrose-Score, Leber- und Blutwerte sowie den Befund beim Ultraschall.
Lebensstil-Erkrankungen können letztlich nur durch eine Änderung des Lebensstils therapiert werden.
Er appellierte zudem an die Forschung, wissenschaftliche Programme zu entwerfen, etwa zur Entwicklung von Medikamenten gegen NAFDL, die bisher fehlen. Er betonte jedoch, dass es keine bequeme, rein pharmakologische Lösung gebe: „Lebensstil-Erkrankungen können letztlich nur durch eine Änderung des Lebensstils therapiert werden.“
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Diesen Artikel so zitieren: „Stille Volkskrankheit“: Jeder 4. hat eine nicht-alkoholische Fettleber – was Ärzte, Patienten und Politiker jetzt tun müssen - Medscape - 13. Sep 2021.
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