„Wir müssen agiler werden“: Jens Spahn über Erfolge und Versäumnisse der Gesundheitspolitik

Christian Beneker

Interessenkonflikte

8. September 2021

Es war nicht alles gut. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) blickte auf dem Gesundheitskongress des Westens in Köln auf seine Politik zurück und stellte sich zwar ein gutes Zeugnis aus [1]. Aber er sprach auch über die Lehren – etwa aus der Corona-Krise. Vieles sei gelungen in der Gesundheitspolitik den letzten Jahren, wenn man die Bewältigung der Corona-Krise betrachte, meinte der Minister. Zwar räumte er keine Fehler seiner Politik ein, erklärte aber: „Es gibt noch viele Bereiche, wo wir besser werden müssen.“ Kurz: Spahn machte Wahlkampf.

Digitalisierung „made in Germany“

Zum Beispiel mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Sie werde die 20er Jahre prägen, sagte Spahn. „Da haben wir in den vergangenen 2 Jahren so viel Tempo gemacht, wie vorher in 20 Jahren nicht.“ Da komme manchem Leistungserbringer die Digitalisierung offenbar in zu großen Schritten.

Jens Spahn
© Stephan Baumann

Obwohl die Entwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) viele Jahre verschlungen hat, gebe es immer noch Ärzte, die das Tempo bei der Digitalisierung „überstürzt“ finden, wie der Minister kritisierte. In wenigen Monaten werde die Akte gar nicht mehr wegzudenken sein aus der Versorgung. Auch dass Labore und Gesundheitsämter lange per Fax kommunizierten, zeigte, dass es über viele Jahre Blockaden gegen die Digitalisierung gab, „weil alle ihre Insellösungen hatten und sie verteidigten, um sie nicht ins große Ganze aufgehen zu lassen“.

 
Stand bei uns ist, dass der Bund nicht digital mit seinen Bürgern kommunizieren kann. Da müssen wir besser werden! Jens Spahn
 

Spahn forderte bei der Digitalisierung denn auch mehr Konsequenz „Stand bei uns ist, dass der Bund nicht digital mit seinen Bürgern kommunizieren kann. Da müssen wir besser werden!“, sagte Spahn. Er wolle verhindern dass man in Deutschland zwischen Google, Apple und chinesischen Staatsfirmen als digitale Dienstleister wählen müsse. „Da sind wir viel zu abhängig“, sagte Spahn. „Wir würde ja auch unsere Rüstungsgüter nicht in China herstellen lassen.“

Coronakrise gemeistert

Während der Pandemie wurden die Defizite in der Pflegepolitik offenbar. So fehlen qualifizierte Pfleger und Schwestern. Spahn rief zugleich auf zur Geduld: „Man kann Intensivschwestern und -Pfleger nicht im Laufe eines Jahres ausbilden.“ Dass die Pflege in den Kliniken aus den DRGs ausgegliedert wurde, sei „eine wichtige Weichenstellung für die 20er Jahre.“ Allerdings. Während die Politik an anderer Stelle „gesetzgeberisch und finanziell voll draufhielt“, um die Pandemie zu bewältigen, sei bei der Pflege nur der Tropfen auf den heißen Stein angekommen“, sagte Spahn.

 
Stellen Sie sich vor, die Impfstoffe wären in China oder Russland entwickelt worden, da müsste Deutschland jetzt betteln gehen bei autoritären Staaten. Jens Spahn
 

Ich wundere mich über den Ton mancher Debatten, verteidigte sich der Minister: „Wir haben nicht alle Entscheidungen richtig getroffen“, aber Deutschland sei vorbildlich durch die Krise gekommen. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei durch die Coronakrise keineswegs ans Limit geraten, sagte Spahn. Das deutsche Gesundheitssystem sei stabil und resilient. „Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir im September über 100 Millionen Impfungen gemacht haben mit einem Impfstoff, der in Deutschland entwickelt worden ist? Stellen Sie sich vor, die Impfstoffe wären in China oder Russland entwickelt worden, da müsste Deutschland jetzt betteln gehen bei autoritären Staaten.“ So sei eine der Lehren aus der Pandemie, zum Beispiel bei der Versorgung mit Masken oder Medikamenten souveräner zu werden.

Die Charité als Bundes-Uni

Trotz des Erfolgs bei Impfstoff braucht es in Deutschland mehr medizinische Forschung. Er habe die medizinische Forschung immer schon lieber beim Bundesgesundheitsministerium als beim Forschungsministerium angliedern wollen, sagte Spahn. Um die medizinische Wissenschaft voranzubringen, würde er aus der Charité eine Bundesuniversität machen und zwar ausschließlich in der Finanzierung des Bundes, sagte Spahn.

Und er nahm auch die Bürger für die Forschung in die Pflicht. Wer eines der besten Gesundheitssysteme der Welt in Anspruch nehme, von dem könne man auch erwarten, dass anonymisiert und pseudonymisiert seine Gesundheitsdaten spende, erklärte der Minister. „Es gehe nicht um Strukturen wie in der USA, wo ausschließlich mit den Daten Geld verdient werde, oder wie in China, wo jedes Neugeborene Genom-sequenziert wird.“ Unter den Prämissen der EU Datenschutzgrundverordnung könne man viel, viel mehr mit den Gesundheitsdaten machen, als derzeit in Deutschland unternommen werde.

 
Wir müssen in unseren Entscheidungen agiler werden. Jens Spahn
 

Man habe nicht als Selbstzweck so viele Gesetze gemacht, resümierte Spahn, sondern um Veränderungen anzustoßen. Aber: „Wir müssen in unseren Entscheidungen agiler werden.“

 

Kommentar

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