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Social-Media-Profi gibt Tipps: „Keineswegs überflüssig“ – wie sich Facebook, Youtube & Co für Praxiswerbung eignen

Christian Beneker

Interessenkonflikte

8. September 2021

Wer seinen Patientenstamm verjüngen oder einfach den Kontakt zu seinen Patientinnen und Patienten intensivieren will, kann auf Social-Media-Kanäle zurückgreifen. Wieviel Zeit, Geld und Geduld braucht es, um Facebook & Co zur Praxiswerbung einzusetzen? Medscape sprach mit mit der Marketingexpertin Friederike Wiegand von der Firma „Weisskonzept“. Sie gibt Ärzten und ihren Mitarbeitern wertvolle Tipps für Social Media Aktivitäten.

Medscape: Frau Wiegand, Sie leiten eine Marketingagentur für Ärzte. Immer mehr Praxen greifen auf Social Media Anwendungen zurück, um für ihre Arbeit zu werben. Für welche Arztpraxen sind Facebook, TikTok oder Instagram aus Ihrer Sicht geeignet?

Wiegand: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Denn die einzelnen Kanäle sind im Hinblick auf Nutzergruppen und vermittelbaren Inhalten sehr unterschiedlich. Gerade für ästhetische Medizin bietet sich eine visuelle Plattform wie Instagram an. Hier können beispielsweise Zahnärzte eine Reihe guter Zähne im Bild zeigen und damit ihre Arbeit präsentieren.

Friederike Wiegand

Bei einem Gastroenterologen sieht das schon anders aus. Er kann seine Behandlungserfolge natürlich nicht so leicht in einem visuellen Posting darlegen. Es kommt also sehr auf die Fachrichtung an. Das heißt allerdings nicht, dass es gar keine Möglichkeit gibt, die Kanäle zu nutzen.

Grundsätzlich verleihen Fotos und Videos einer Praxis mehr Authentizität und steigern das Vertrauen. Inzwischen sind es viele Zahnärzte, Augenärzte oder auch Schönheitskliniken, die sich per Social Media an die Patienten und potenziellen Mitarbeiter wenden.

Medscape: Und wie stehen Hausärztinnen und -ärzte dazu?

Wiegand: Facebook und YouTube eignen sich gut, wenn der Hausarzt oder die Hausärztin sowie das Praxisteam videoaffin sind und sich gern vor der Kamera zeigen. So könnten sie zum Beispiel Untersuchungsmethoden vorstellen oder über bestimmte Krankheiten aufklären, häufig gestellte Fragen von Patienten beantworten und, und, und ...

Zu TikTok würde ich Hausärzten nicht raten, es sei denn, sie müssen und wollen ihren Patientenstamm stark verjüngen. Denn die nur wenige Sekunden dauernden Clips sehen hauptsächlich junge Leute bis Anfang 20. Da kann eine Praxis signalisieren, was für ein agiles und freundliches Team sie hat. Sie können so motivieren und Vertrauen schaffen.

Aber zur Krankheitsaufklärung dient TikTok eher nicht. Zudem wird die Entscheidung für eine Praxis in der Zielgruppe oft noch von den Eltern getroffen, die hier wiederum nicht erreicht werden.

Medscape: Was haben Ärzte davon, auf Social Media zu erscheinen? Gibt es dazu Untersuchungen?

Wiegand: Studien, die den Erfolg oder Misserfolg von Social Media in der Arztpraxis belegen, gibt es für den deutschsprachigen Raum noch nicht. Ich arbeite neben meiner Agenturtätigkeit allerdings schon daran, dieses Thema auch von einer wissenschaftlichen Perspektive zu beleuchten.

Erste Ergebnisse zeigen durchaus, dass Ärzte davon profitieren, zum Beispiel indem sie ihre Fachkompetenz demonstrieren und dadurch neue Patienten gewinnen. Oder dadurch, dass ihre Praxis auf Social Media weiterempfohlen wird und neue Patientinnen und Patienten in die Praxis kommen. Gerade für die Neupatientenaquise ist Social Media ein interessantes Feld.

Medscape: Hausärzte haben allerdings schon jetzt übervolle Wartezimmer. Ist eine Social Media Werbung da nicht eher überflüssiges Infotainment?

Wiegand: Es ist Infotainment, ganz klar. Die User konsumieren die Posts in der Bahn oder auf dem heimischen Sofa, und sie wollen dabei auch unterhalten werden. Aber das Ganze ist keineswegs überflüssig. Denn über Social-Media-Kanäle lässt sich zum Beispiel auch fähiges Personal akquirieren. Man kann Einblicke geben in die Arbeit innerhalb der Praxis, in das Team, in die Stimmung am Arbeitsplatz. So generiere ich die Aufmerksamkeit potentieller neuer Mitarbeiter/innen. Die Wunschkollegen schauen heute nicht mehr in die Stellenanzeigen der Regionalzeitung.

Medscape: Wie wird der Social-Media-Kanal einer Praxis am besten beworben?

Wiegand:  Indem man aktiv wird. Wichtig ist es, erst einmal anzufangen und zu machen, so dass man überhaupt wahrgenommen werden kann. Auf Instagram oder Facebook organisch zu wachsen, ist mittlerweile sehr schwer geworden. Am besten, man nutzt erst mal die privaten Netzwerke der Teammitglieder und bittet Bekannte, zu liken und zu teilen, um die Reichweite zu erhöhen.

Ebenso könnte man auch an Challenges von Kollegen teilnehmen, die das eigene Profil dann ihrerseits teilen. Um gesehen zu werden, muss man sozial interagieren, nur zu posten genügt hier nicht mehr. Falls man dies nicht möchte, hilft zielgerichtete Bewerbung von einzelnen Postings.

Medscape: Wie viel Zeit muss man investieren, damit Social Media funktioniert?

Wiegand: Das hängt maßgeblich mit dem verwendeten Kanal zusammen. Mindestens 2 bis 3 mal pro Woche sollten neue Bilder, Filme oder Texte gepostet werden. An Zeit sollte man mit 1 bis 2 Stunden am Tag rechnen. Bei YouTube genügt es auch, einmal pro Woche ein Video zu posten. Allerdings muss man hier auch die längeren Aufnahmezeiten für die Clips mit einrechnen.

Es genügt aber nicht, ausschließlich selbst zu posten. Denn es handelt sich schließlich um soziale Medien. Es braucht also auch Zeit, um andere Postings anzuschauen und zu kommentieren, zu liken und zu reagieren. Oder man startet mal eine Umfrage, um die eigenen Follower besser kennenzulernen. Etwa so: „Welches Thema aus unserer Hausarztpraxis würde Euch mehr interessieren: Osteoporose oder Krebsvorsorge?“

Außerdem rate ich dazu, sich auf einen Social-Media-Kanal zu beschränken und hier einmal im Monat auszuwerten, welche Beiträge gut gelaufen sind und daraufhin einen Redaktionsplan für die kommenden Monate zu machen.

Medscape: 1 bis 2 Stunden am Tag - so viel Zeit hat kein Arzt. Wer soll sich um Social Media in der Praxis kümmern?

Wiegand: Da könnte eine netz-affine/r Mitarbeiter/in einspringen oder eben eine Agentur wie wir. Eine authentische Social-Media-Präsenz kann allerdings nicht vollständig ausgelagert werden. Zumindest eine Person sollte vor Ort mit unterstützen und unter entsprechender Anleitung Fotos, Videosequenzen et cetera erstellen.

Medscape: Welche technischen Voraussetzungen braucht es?

Wiegand: Zu Anfang genügt ein Smartphone mit einer guten Kamera. Dies kann durch Selfie-Stick und Stativ ergänzt werden. Wichtig ist zu starten. Zu einer Profi-Kamera sollte man erst greifen, wenn man sich sicher in der Technik fühlt.

Medscape: Was sollte man auf Social Media auf gar keinen Fall zeigen?

Wiegand: Spritzen und Blut sind ein absolutes No-Go.
 

Kommentar

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