Im Onko-Blog dieser Woche geht es um den Langzeit-Effekt der adjuvanten Bestrahlung bei Frauen mit DCIS, um die Rolle des mütterlichen Übergewichts als Risikofaktor für Darmkrebs und um den Nutzen der Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs. Wir berichten über Hinweise auf kardiotoxische Wirkungen von Ibrutinib bei Leukämie-Patienten und stellen eine deutsche Studie vor, in der untersucht wurde, ob Patienten davon profitieren, wenn sie an ihrer eigenen Tumorkonferenz teilnehmen.
DCIS: Adjuvante Bestrahlung halbiert Rezidivrisiko
Kolorektalkarzinom: Mütterliches Übergewicht als Risikofaktor
Hautkrebs: Screening senkt möglicherweise Sterblichkeit
Lungenkrebs: ALK-Inhibitor Ensartinib besser wirksam als Crizotinib
CLL: Ibrutinib mit kardiotoxischen Wirkungen assoziiert
Tumorkonferenzen: Sollen Patienten teilnehmen?
DCIS: Adjuvante Bestrahlung halbiert Rezidivrisiko
Eine adjuvante Bestrahlung halbiert bei Frauen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS) das Risiko eines Rezidivs auf der gleichen Brustseite. Das 15-Jahres-Risiko sank von 15,1% bei Beobachtung auf 7,1% mit Radiotherapie. „Eine Bestrahlung ist der effektivste Ansatz zur Reduzierung der Rezidivrate nach Lumpektomie“, so das Fazit der amerikanischen Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology aufgrund der Langzeitbeobachtung von über 600 Frauen in der Phase-III-Studie NRG Oncology/RTOG 9804.
Diese bislang einzige randomisierte Studie zum Nutzen einer Bestrahlung von Frauen mit DCIS randomisierte zwischen 1999 und 2006 636 Frauen mit DCIS nach Lumpektomie in je eine Gruppe mit Bestrahlung oder nur Beobachtung.
Schon die Primäranalyse nach einem medianen Follow-up von 7 Jahren ergab eine signifikante Reduktion der Rezidivrate durch die adjuvante Bestrahlung.
Die Forscher berichteten nun die kumulativen 15-Jahres-Rezidivraten nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13,9 Jahren. Die Radiotherapie senkte das Risiko für ein ipsilaterales Rezidiv um 64 % (p = 0,0007) und das Risiko für ein invasives Lokalrezidiv um 56 % (p = 0,027).
Prof. Dr. Noam VanderWalde, Radiologischer Onkologe an der Universität von Tennessee in Memphis, bezeichnet in einem Kommentar in PracticeUpdate diese Ergebnisse allerdings als nicht bahnbrechend oder praxisverändernd. Sie ermöglichten es interessanterweise, auf 2 gegensätzliche Arten interpretiert zu werden.
Für einen Teil der Ärzte und ihre Patientinnen sei das geringe Risiko eines invasiven Rezidivs selbst nach 15 Jahren Grund, auf eine Strahlentherapie zu verzichten. Insbesondere gelte dies für Frauen, die an weiteren Erkrankungen litten und bei denen die Lebenserwartung kürzer als 10 bis 15 Jahre sei.
Andererseits sei der Nutzen bei Frauen mit kleinerem niedriggradigem DCIS höher als erwartet gewesen. In Kombination mit verbesserten Strahlentherapietechniken könne sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis eher zur Behandlung von jüngeren, ansonsten gesunden Frauen verschieben.
Die Studienergebnisse könnten Ärzten und Patientinnen helfen, die Risiken und Vorteile einer solchen Strahlentherapie differenzierter zu betrachten und eine bessere gemeinsame Entscheidung zum weiteren Vorgehen zu finden.
Kolorektalkarzinom: Mütterliches Übergewicht als Risikofaktor
Übergewicht und Adipositas bei Frauen während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für ihre Nachkommen, an einem Kolorektalkarzinom zu erkranken. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Ereignisse im Mutterleib wichtig für die Entwicklung eines Kolorektalkarzinoms sein können und zur erhöhten Inzidenz der Erkrankung bei jüngeren Personen beitragen können“, so die amerikanische Arbeitsgruppe in Gut .
Die Forscher analysierten die Kolonkarzinom-Häufigkeit bei erwachsenen Nachkommen aus den Child Health and Development Studies, einer prospektiven bevölkerungsbezogenen Kohortenstudie von Mutter-Kind-Paaren. Die Frauen waren in den 1960er Jahren von Kaiser Permanente in Oakland vorgeburtlich betreut worden. Die Nachkommen wurden etwa 60 Jahre nachverfolgt.
Bei mehr als 700.000 Personenjahren Nachbeobachtung wurde bei 68 Nachkommen ein Kolorektalkarzinom diagnostiziert. Alle Diagnosen wurden bei den Patienten im Alter zwischen 18 und 56 Jahren gestellt.
Bei Müttern mit Adipositas (≥ 30 kg/m²) stieg die Inzidenz eines Kolorektalkarzinoms bei den Nachkommen auf 16,2/100.000 im Vergleich zu 14,8/100.000 bei Übergewicht und 6,7/100.000 bei normal- oder untergewichtigen Müttern.
Auch das Geburtsgewicht war mit dem Krebsrisiko assoziiert: Babys, die mehr als 4.000 g wogen, hatten ein höheres Risiko, im Erwachsenenalter ein Kolorektalkarzinom zu entwickeln (Hazard Ratio: 1,95).
Hautkrebs: Screening senkt möglicherweise Sterblichkeit
Eine groß angelegte Analyse von Krankenkassendaten von gut 1,4 Mio. Versicherten aus Sachsen lieferte deutliche Hinweise darauf, dass die Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung die hautkrebsbedingte Sterblichkeit tatsächlich senken könnte. Die Ergebnisse wurden von einer Arbeitsgruppe des Nationalen Tumorcentrums und der Medizinischen Fakultät der Universität Dresden im British Journal of Dermatology veröffentlicht.
Die Forscher analysierten Krankenkassendaten von gut 1,4 Mio. Versicherten der AOK PLUS aus Sachsen aus den Jahren 2010 bis 2016. Sie verglichen hierbei die Sterblichkeit von Personen mit neu diagnostiziertem Melanom, die sich in diesem Zeitraum mindestens einmal einem Screening unterzogen hatten und von Patienten, die nicht gescreent worden waren.
Die Sterblichkeit war bei Screening-Teilnehmern um 38% geringer als in der Vergleichsgruppe. Die Analyse ergab außerdem, dass Hautkrebs bei den gescreenten Personen in früheren Stadien entdeckt wurde.
Analysiert wurden ausschließlich Krankenkassendaten aus Sachsen, die jedoch in der Verteilung wichtiger Merkmale wie Alter oder Geschlecht mit der gesamtdeutschen Bevölkerung vergleichbar sind.
„Die Studie ist ein wichtiges positives Signal in der Bewertung des Screenings. Sie liefert starke Anhaltspunkte dafür, dass das nationale Vorsorgeprogramm im Kampf gegen Hautkrebs sinnvoll ist und für die teilnehmenden Personen einen Nutzen bringt. Weitere großangelegte Untersuchungen in dieser Frage wären wünschenswert, um verbleibende Unsicherheiten zu minimieren“, so Prof. Dr. Friedegund Meier, Leiterin des Hauttumorzentrums am NCT/UCC, in einer Pressemitteilung.
Dennoch ist es trotz aller mathematischen Modellierungen prinzipiell möglich, dass die vorliegende Analyse statistische Verzerrungen enthält, die das Ergebnis verfälschen könnten. Denkbar wäre beispielsweise, dass gesündere Menschen eher zum Screening gehen und dieser Faktor die Überlebenswahrscheinlichkeit in der gescreenten Gruppe positiv beeinflusst hat.
Zudem war der Beobachtungszeitraums relativ kurz– das Überleben nach Neudiagnose eines Melanoms wurde maximal 4 Jahren nachverfolgt – deshalb konnte die Langzeitwirkung des Programms nicht erfasst werden.
Lungenkrebs: ALK-Inhibitor Ensartinib besser wirksam als Crizotinib
Der in klinischer Prüfung befindliche ALK-Inhibitor Ensartinib verlängerte bei Patienten mit fortgeschrittenem, rezidiviertem oder metastasiertem ALK-positivem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant besser als Crizotinib. Diese Ergebnisse der Phase-3-Studie eXalt3 hat eine internationale Arbeitsgruppe in JAMA Oncology publiziert.
In die offene Studie waren in 120 Zentren in 21 Ländern zwischen Juli 2016 und November 2018 290 Patienten mit rezidiviertem oder metastasiertem NSCLC ohne Vorbehandlung mit einem ALK-Inhibitor eingeschlossen und randomisiert mit Ensartinib (225 mg einmal täglich) oder Crizotinib (250 mg 2-mal täglich) behandelt worden.
Nach einem medianen Follow-Up von 23,8 Monaten (Ensartinib) bzw. 20,2 Monaten (Crizotinib) war das PFS in der Ensartinib-Gruppe mit 25,8 Monaten signifikant länger als in der Crizotinib-Gruppe mit 12,7 Monaten (Hazard Ratio: 0,51; p < 0,001).
Darüber hinaus sprachen Patienten mit Hirnmetastasen zu Studienbeginn intrakraniell auf Ensartinib mit 64% deutlich stärker an als auf Crizotinib mit nur 21%.
„In dieser randomisierten klinischen Studie zeigte Ensartinib eine überlegene systemische und intrakranielle Wirksamkeit im Vergleich zu Crizotinib und ein insgesamt günstiges Sicherheitsprofil, das sich von dem anderer Wirkstoffe dieser Klasse unterscheidet“, so die Zusammenfassung der Autoren. Ihre Schlussfolgerung lautete: „Ensartinib stellt eine neue First-Line-Behandlungsoption für Patienten mit ALK-positivem NSCLC dar.“
Prof. Dr. Ibiayi Dagogo-Jack, Harvard Medical School, Boston, weist im begleitenden Editorial darauf hin, dass diese Studie erneut zeige, dass ALK-Tyrosinkinase-Inhibitoren der nächsten Generation Therapiestandard bei Patienten mit fortgeschrittenem ALK-positivem NSCLC seien. Die Daten deuteten darauf hin, dass Ensartinib ähnlich wirksam wie Ceritinib, Alectinib, Brigatinib oder Lorlatinib sei. Im Nebenwirkungsprofil ergäben sich jedoch eher Nachteile, unter Ensartinib sei es häufiger zu Fieber und toxischen Hautreaktionen gekommen.
CLL: Ibrutinib mit kardiotoxischen Wirkungen assoziiert
Bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) ist die Behandlung mit dem Brutontyrosinkinase-Hemmer Ibrutinib mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern, Blutungen und Herzinsuffizienz assoziiert. Das Risiko für Schlaganfall oder Herzinfarkt war laut den Ergebnissen einer populationsbasierten Kohortenstudie in Kanada nicht erhöht.
Wie die kanadische Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology berichtet, analysierte sie mit Hilfe von Datenbanken Patienten in Ontario, deren CLL zwischen 2007 und 2019 diagnostiziert worden war. Sie verglichen die Daten von mit Ibrutinib behandelten Patienten mit Kontrollpatienten, die eine Chemotherapie erhalten hatten.
Die 3-Jahres-Inzidenz von Vorhofflimmern-bedingtem Arztkontakt betrug 22,7% bei den mit Ibrutinib behandelten Patienten und 11,7% bei den Kontrollpersonen. Das 3-Jahres-Risiko einer im Krankenhaus diagnostizierten Blutung lag bei 8,8% unter Ibrutinib und bei 3,1% in der Kontrollgruppe. Das höhere Risiko unter Ibrutinib blieb auch nach Adjustierung an den Antikoagulanzien-Gebrauch bestehen.
Mit Ibrutinib behandelte Patienten hatten ein 3-Jahres-Risiko für eine Herzinsuffizienz von 7,7 im Vergleich zu 3,6% bei den Kontrollpatienten. Es gab keinen signifikanten Unterschied im Risiko eines ischämischen Schlaganfalls oder AMI. Damit bestätigen diese Ergebnisse frühere Hinweise auf kardiotoxische Effekte von Ibrutinib.
Tumorkonferenzen: Sollen Patienten teilnehmen?
Eine der ersten größeren Untersuchungen zur Frage, ob Patienten an Tumorkonferenzen teilnehmen sollen, führte u.a. zu dem Ergebnis, dass die meisten befragten Patienten die Teilnahme als positiv empfanden. Ein kleiner Teil berichtete über negative Erfahrungen und bedauerte die Teilnahme.
Ein Team der Universität Oldenburg sowie der Universitätskliniken Bonn und Köln hatte in der PINTU-Studie untersucht, ob Krebspatientinnen von einer Teilnahme an der Tumorkonferenz profitieren. Die von der Deutschen Krebshilfe e.V. geförderte Studie ist in Cancer Medicine veröffentlicht.
In Deutschland wurden 2019 rund 80% aller Frauen mit Brustkrebs in einem zertifizierten Brustkrebszentrum behandelt. Tumorkonferenzen sind hier vorgeschrieben, eine Beteiligung der Betroffenen allerdings nicht. Nach früheren Untersuchungen haben etwa 5 bis 7% der Erkrankten an ihrer eigenen Fallbesprechung in der Tumorkonferenz teilgenommen.
Unklar war bislang aber, welche Rolle Patientinnen in den Konferenzen einnehmen, wie die Konferenzen unter Patientenbeteiligung ablaufen und welche Erfahrungen die Beteiligten machen.
Daher befragten die Forscher 87 Patientinnen mit Brustkrebs oder einem gynäkologischen Tumor vor und direkt nach ihrer Teilnahme an einer Tumorkonferenz sowie 4 Wochen später. Zum Vergleich befragten sie 155 Erkrankte, die nicht an der sie betreffenden Tumorkonferenz teilnahmen. Außerdem beobachtete das Team insgesamt 317 Fallbesprechungen in Tumorkonferenzen direkt sowie mit Hilfe von Video- und Tonaufzeichnungen. An 95 dieser Fallbesprechungen waren Betroffene beteiligt.
Die Tumorkonferenzen mit Beteiligung der Erkrankten liefen sehr unterschiedlich ab. Manche Kliniken ließen die Patientinnen an der gesamten Konferenz teilnehmen. Andere hielten die eigentliche Konferenz ohne die Erkrankten ab, ließen sie aber anschließend an einer kleineren Runde teilhaben, die z.B. über Therapieempfehlungen informierte. Auch andere Bedingungen der Konferenzen variierten, etwa die Dauer oder die Sitzanordnung.
Aus den Befragungen ging hervor, dass die Erkrankten eine eher passive Rolle in den Konferenzen spielten. Beispielsweise berichteten nur 61% an der Entscheidung zur Therapie beteiligt worden zu sein. Insgesamt nahmen die meisten Patientinnen die Konferenzen als eher positiv wahr, empfanden sie etwa als informativ und empfahlen die Teilnahme weiter.
Einige Patienten berichteten allerdings, dass die Konferenzen bei ihnen Angst und Verunsicherung ausgelöst haben – ein Umstand, den künftige Untersuchungen beachten müssten, so Prof. Dr. Lena Ansmann, Oldenburg, Erstautorin der Studie in einer Pressemitteilung.
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Diesen Artikel so zitieren: Übergewichtige Schwangere – erhöhtes Darmkrebs-Risiko beim Kind; Hautkrebs-Screening senkt Melanom-Sterblichkeit - Medscape - 7. Sep 2021.
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